Brauchtum gehört zum Eröffnungsball der Horber Narrenzunft genauso dazu wie der Spaß. Foto: Morlok

Narren nehmen Stadtgeschehen auf Arm. Motto: "Sinflut? Stausee? Strandexpress? Horb geht unter! SOS!"

Horb - Der Eröffnungsball der Horber Narrenzunft stand unter dem Motto: "Sinflut? Stausee? Strandexpress? Horb geht unter! SOS!"

Peter "Weizenrosi" Rosenberger, Oberhaupt von Horb, einem verschlafenen Städtchen am Neckarufer, über dem ständig die Fahne von Metze Kreidler weht, hat endgültig die Schnauze voll von der blöden Hochbrücke. Die bringt nur Ärger und Verdruss. Jeder will sie haben, keiner will dafür Einschränkungen in Kauf nehmen und der arme Peter soll’s richten. Sein milchtrinkender Kumpel Ralph ist ihm dabei wie üblich auch keine große Hilfe, wie Livebilder, die per versteckter Kamera direkt aus dem Rathaus in die Hohenberghalle übertragen wurden, erstmals in brutaler Realität zeigten. Was bleibt da einem gestressten Oberbürgermeister anders übrig, als laut nach einem Asbach-Cola (Mischungsverhältnis in der Reihenfolge der Getränkenamenaufzählung) zu rufen und sich damit nach Horb am See – "ach, wäre des schee" - wegzuträumen.

Seeufer von Nordstetten bis zum Rauschbart

Einem Ort, mit einer 80.000 Quadratmeter großen, rot-weiß gestrichenen Staumauer, auf der in der Mitte das Familienwappen derer zu Rosenberger prangt und dessen Seeufer von Nordstetten bis zum Rauschbart reicht. Badenixen, Meer-(oder weniger) Jungfrauen, Sandstrand, Liegestühle, Strandbars und chilliges Leben, dazu den Neckargrill der Fritty Woman und Theo Tiefgang als Oberbademeister anstatt der doofen Brücke, was wäre das für ein Traum von einer guten Zukunft?

Die Horber Narren, mit ihrem Grafenpaar Sina David und Nico Berger, mit Hofmarschall Dani Wagner, dem Narrenrat und all den wunderbaren Maskengruppen machten diesen Traum wenigsten für ein paar Stunden wahr. Der diesjährige Eröffnungsball stand unter dem Motto: Sinflut? Stausee? Strandexpress? Horb geht unter! SOS! Dass es zumindest in der Rundhalle nicht ganz so schlimm wurde, obwohl es draußen ordentlich regnete, das versprach schon Zunftmeister Traugott Wegenast in seiner Eröffnungsrede. "Narri, Narro und ... Horrido, dieser Ruf macht immer froh. Auch wenn uns s‘ Wasser steht bis zum Hals, garantier ich hier und jedenfalls, wir bleiben trocken in dieser Halle, bei unserem Eröffnungsballe." Er meinte natürlich trockene Füße, keinesfalls trockene Kehlen.

Dani Wagner stellte als Maskengruppe (ohne Masken) in diesem Jahr den Narrenrat vor, der seit fast 100 Jahren in der fünften und schönsten Jahreszeit die Geschicke von Horb a. N.ckar-See in der Hand hält, und das Grafenpaar sendete einen Rundumdank in die Halle bevor Markus "Magic" Wagner das Programm eröffnete.

Es war wieder einmal eine Programmmischung, die mit sehr viel Lokalkolorit, teils gut versteckten Spitzen in Richtung Stadtverwaltung und Gemeinderat und einigen anderen, netten Gemeinheiten daherkam. Es war aber wieder einmal eine Veranstaltung, die in erste Linie von der Kreativität, dem Engagement und den grandiosen Fähigkeiten der Darsteller und den Damen und Herren auf und hinter der Bühne lebte. Dass die Horber Narrenzunft sehr viel Herzblut in ihren Eröffnungsball investiert, das ist landauf, landab bekannt. Selbst die hiesige Politprominenz, an der Spitze Hans-Joachim Fuchtel, der im schicken Bademantel und Sauna-Kappe anstatt seinem obligatorischen Cowboy-Hut am Neckarstrand aufschlug, fand komplett den Weg ins feuchte Horb.

Den Abflug in ein hochbrückenfreies Land voller Sonne, Strand und Wasserspiele begleiteten die Stewardessen der Showtanzgruppe "Unlimited" bei deren Auftritt Haare, Beine und Röcke flogen und die stark an die Traditionsauftritte der "Tanzhexen" erinnerten. Moderator Wagner, der ganz neutral kostümiert auftrat, verriet anschließend "nixe" zu viel, als er feststellte, dass an den Horber Gestaden nicht nur Plastikmüll angespült wird. Nein, die beiden Neckar-Nixen Susanne Baiker und Julia Voss entstiegen den Fluten und setzten live gesungen und ohne Playback ihrer Heimatstadt ein Denkmal. Klar, über die abgeschlagenen Kacheln im Neckarbad waren die beiden Fisch-Frauen nicht wirklich begeistert, doch ihr neuer Job als Begrüßungskomitee für Horb-Besucher war für sie echt die perfekte Welle. Sie trafen Viviana Weschenmoser, die "Lady in Red", die mit dem falschen Fähnle winkt, Goldreiter Michi Jung und Wolfgang Griebe, den wandelnden blauen Trainingsanzug. Kein Wunder dass sie dann sangen: "Herzbeben, lass und leben - wir wollen Horb erleben."

Um Touristen für Horb am See sollten auch die bestellten Animateure, die von der Spezialagentin für fremden Verkehr, Oberst Natascha Kommruffuffssofa, ausgebildet werden sollten, kämpfen. Anstatt Animateure erschienen jedoch Amateure und anstatt um Terroristen ging es bei der Spezialausbildung um Touristen. Eine Panne an der anderen, mit der Maureen Straub, Azubi beim Stadtmarketing, in Abwesenheit ihres dauerverschwundenen Chefs Metze Kreidler kämpfen musste. Anstatt an der Strandbar in Nordstetten zu trinken, versank ein Ahldorfer mit seinem Bootle im See und die zusammengewürfelte Truppe stellte fest: "Bella, bella Marie, seit dem Untergang ist Horb schee wie no nie."

Regenwurm und ein Bandwurm hängen ab

Beim gemeinsamen Clubtanz wurde die Stimmung im Saal nochmals durchgecheckt, bevor der Horber Anglerverein einen Regenwurm und einen Bandwurm über die Neckarbrücke hängte. Vom Bühnenbild her eher unspektakulär, doch die Unterhaltung der beiden hatte es in sich. Der Bandwurm war bis vor ein paar Stunden noch im Blochwitz drin, doch das war ihm eindeutig zu Rotweinhaltig. "Ha, koi Wunder, bekommst du nemme mit, was um Horb rum passiert", stellte der Regenwurm fest und die beiden ackerten die Geschehnisse im Städtle durch.

Auch die "Drei vom Neckargrill" die "Fritty Woman" samt ihrem Fleischlieferanten, dem letzten Metzger der Kernstadt, Otto W., gaben ihren Senf nicht nur auf die Rote, sondern auch zur Großwetterlage in Horb dazu. Echt cool fanden es die Besucher dieses Eröffnungsballs, dass der weltberühmte Rettungsschwimmer Theo Tiefgang (Locke Guth mit Echthaarbrust-Toupet) auf die Fake-Stellenbeschreibung der Stadtverwaltung als Rettungsfachkraft für die bevorstehende Talflutung reingefallen ist. Da holten ihn auch die Meerestiere aus dem Fischirrenhaus nicht mehr heraus, die nur so staunten, was es in Horb seit ihrem Zwangsaufenthalt in der Klapse in der Zwischenzeit nicht mehr gibt.

Was es aber immer noch gibt, das ist ein genialer Eröffnungsball. Es war ein bunter, heiterer Abend und die Träume von Rosi und Ralph von besseren Zeiten und die Bemühungen der Fritty Woman an einen Imbisswagen zu kommen, die in fünf Fortsetzungen als Video-Clip über die beiden großen Leinwände flimmerten, waren die Krönung eines voll abgesoffenen Eröffnungsballs.