Axel Blochwitz, Geschäftsführer Technologiezentrum Horb, begrüßt zu der Fachveranstaltung bei der Kunststoffexperten über umweltverträgliche Lösungen und Alternativen zu Plastik sprechen. Foto: Innonet Kunststoff Foto: Schwarzwälder Bote

Umwelt: Plastics Inno-Centre fokussiert auf biobasierte Alternativen / 19,6 Millionen Tonnen Plastikabfall europaweit

Aktueller könnte der Anlass nicht sein: Fast zeitgleich zur Entscheidung der Europäischen Kommission, Einwegverpackungen vom Markt zu verbannen, tagten im Plastics Inno-Centre des Innonet Kunststoff im Horber Innovationspark Kunststoffexperten aus ganz Deutschland, um umweltverträgliche Lösungen und Alternativen zu erörtern.

Horb. Ein volles Haus mit beinahe 100 Teilnehmern demonstrierte die Brisanz aber auch das immense Potenzial der Thematik, teilen die Verantwortlichen mit.

Die Schlagzeilen der vergangenen Wochen alarmieren Verbraucher und die Fachwelt: Bei einem unveränderten globalen Konsumverhalten wird in 30 Jahren in den Ozeanen dieser Erde mehr Plastikmüll als Fisch zu finden sein. Und ebenfalls erschreckend: Mikroplastik-Partikel wurden erstmals im menschlichen Organismus nachgewiesen. Die aktuelle Debatte bei der Europäischen Kommission über neue Direktiven zur Reduktion von Einwegkunststoffen wird auf die Kunststoffindustrie erheblichen Einfluss nehmen. Biobasierte und bioabbaubare Kunststoffe sowie Kunststoffrezyclate standen deshalb im Fokus der viel beachteten Fachveranstaltung im Plastics Inno-Centre, die als Kooperationsevent zwischen der Landesagentur Biopro Baden-Württemberg, der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen (IK) und dem Innonet Kunststoff beispielhaft war.

Das Innonet Kunststoff denkt nachhaltig, teilt das Netzwerk mit. "Unser Ziel ist es, das Plastics Inno-Centre bundesweit als Zentrum für bioökonomische Ansätze und die Kreislaufwirtschaft zu etablieren", erklärten Peter Rosenberger, Oberbürgermeister der Stadt Horb, und Axel Blochwitz, Geschäftsführer des Technologiezentrums Horb, als Träger unisono.

Für Kristy-Barbara Lange von European Bioplastics, dem Zusammenschluss von Biokunststoff-Produzenten, stehen die Ampeln in Sachen Bio-Kunststoffe inzwischen auf grün: "Die Produktion von Bioplastik wird bis 2022 um rund 20 Prozent steigen." Zwar wird noch weit über die Hälfte des global hergestellten Biokunststoffs in Asien produziert, jedoch erkennt die Biokunststoff-Lobbyistin auf längere Sicht auch hier Veränderungen: "Die Reaktion der Europäischen Union stärkt Europa nachhaltig als Produktionsstandort für Biokunststoffe", argumentierte Lange.

Das Marktpotential für deutsche Unternehmen offenbart Zahlen, die von Fang Luan, Biokunststoff-Expertin bei der IK, aufgerufen wurden: "An den 19,6 Millionen Tonnen Kunststoffverpackungen, die europaweit produziert werden, hat Deutschland einen Marktanteil von 23 Prozent." Mehr als 60 Prozent aller Produkte und Waren, die der private Endverbraucher konsumiert, seien in Kunststoff verpackt. Biokunststoffe haben also Zukunft, und diese Erkenntnis setzt sich langsam durch in der Branche. Michael Tesch vom Kunststoff-Institut Lüdenscheid erkannte als kompetenter Moderator der Veranstaltung im Bioplastik zwar einen Trend aber noch lange keinen Hype. Für ihn als Kunststofftechniker stehen Verbraucher den grünen Plastik-Alternativen oftmals deutlich aufgeschlossener gegenüber als die Kunststoffhersteller selbst.

Ressentiments gegenüber biobasierten Alternativen bei Produzenten und Unternehmen der Branche abzubauen ist deshalb ein erklärtes Ziel der Initiativen des Plastics InnoCentre. Positivbeispiele helfen hierbei ungemein.

Ein Unternehmen, das mit innovativen Verpackungsprodukten aus Kartoffelstärke erfolgreich am Markt agiert ist Biotec. Peter Brunk von Biotec verdeutlichte in seinen Ausführungen, wie sehr gesetzliche Vorgaben den Biokunststoffmarkt tatsächlich beeinflussen. Diese lassen hoffen, dass die richtungsweisende Verordnung auf europäischer Ebene zum Verbot zahlreicher Einwegprodukte nachhaltige Impulse setzt. Der Einsatz biologischer Pendants ist oft einfacher, als von vielen Verpackungsmittelherstellern angenommen wird und Hilfestellungen für den Umstieg von erdölbasierten Lösungen auf nachhaltige Alternativen gibt es zuhauf.

Biokunststoffe sind eine eigene Welt. Biobasiert bedeutet nicht zwingend bioabbaubar oder gar kompostierbar. Um eine scharfe Abgrenzung von Begrifflichkeiten, Materialtypen und Recyclingwegen bemühte sich Carmen Michels, Geschäftsführerin von FKuR Kunststoff, Hersteller eines sehr umfangreichen Portfolios gerade solcher Produkte, die von der Europäischen Kommission als Alternativen angesehen werden.

Neben biobasierten Kunststoffen nimmt auch das Thema Recycling einen sehr wichtigen Zweig in der funktionierenden Kreislaufwirtschaft ein. Timothy Glaz von Werner und Mertz – bekannt durch die Marke "Frosch" – sieht in einer konsequenten Verwendung von Plastik-Recyclat eine echte nachhaltige Alternative und hinterlegte seine Ausführungen mit beachtlichen Zahlen: Von den rund 120 000 Tonnen jährlich in Deutschland produzierten Polyethylenterephthalats, besser bekannt unter dem Kürzel PET, dem wohl mit am häufigsten für Verpackungen eingesetzten Kunststoff, würden noch immer rund 70 000 Tonnen schlicht verbrannt. Das Recyclingpotential sei exorbitant, und es ist der Recyclat-Initiative von Werner und Mertz schon gelungen, 215 Millionen Verpackungen aus 100 Prozent Altplastik mit einem Anteil von 20 Prozent aus der Quelle Gelber Sack in den Handel zu bringen. Glaz plädierte dafür, das Thema Verpackung nicht länger vom Produkt isoliert zu betrachten, sondern vernetzt zu denken, vom Verpackungsmittelhersteller bis hin zum Endverbraucher.

Vernetztes Denken, allerdings auf der Meta-Ebene, war Thema von Dominik Patzelt, Abteilungsleiter im Team Bioökonomie bei der Landesagentur Biopro Baden-Württemberg. Die Biopro unterstützt die positive Entwicklung der Bioökonomie in Baden-Württemberg und engagiert sich auch auf Bundesebene und in Europa. Eines ihrer internationalen Projekte wird unter anderem gemeinsam mit dem Innonet Kunststoff durchgeführt, das Förderprojekt "Alp-Link-Bio-Eco" der Europäischen Union.

Projektziel ist, bestehende Strukturen, die sich bereits mit nachhaltigen biobasierten Werkstofflösungen beschäftigen, zu stärken und innovative Wertschöpfungsketten in Europa zu etablieren. Die Biokunstoff-Thematik soll im Rahmen weiterer Veranstaltungen und des "Alp-Link-Bio-Eco" im Plastics Inno-Centre fest etabliert werden.