Das Inventar aus dem Untergeschoss der Eyacher Straße 6 soll im Garten trocknen, doch gestern Nachmittag regnete es schon wieder. Foto: Hopp

Nicht alle Eigentümer versichert. Chaos im Keller gleicht einem Mikado. Schlamm in allen Räumen.

Horb-Mühringen - Überall wird angepackt: Die Mühringer haben gestern die Hochwasserschäden behoben, Kellerräume vom Schlamm befreit und dabei oft erst das ganze Ausmaß der Katastrophe erkannt.

"Mühringen schiebt einen Riesenhass", sagt Ortsvorsteherin Monika Fuhl. Der Hochwasserschutz komme nicht voran. Viele im Dorf hätten das Gefühl, dass sie von der Außenwelt vergessen seien, so im hintersten Winkel des Landkreises. Deshalb war sie gestern Nachmittag unterwegs im Unterdorf, wo die Schäden in der Graf-Gerold-Straße und der Eyacher Straße am größten sind, und machte ihren Mühringern Mut.

- Graf-Gerold-Straße

Hans-Peter Christinger (42) hat Sonderurlaub genommen. Mit der Schneeschaufel schafft er den Schlamm aus seinem Haus, Nummer 36. In seinem Keller stand das Wasser in der Nacht auf Sonntag noch zehn Zentimeter höher als beim letzten schweren Hochwasser 1994.

Und Christinger ist ein gebranntes Kind: Damals, vor fast 20 Jahren, habe die Versicherung zwar gezahlt - "widerwillig", erinnert er sich. Doch dann sei er "rausgeschmissen" worden, das Haus könne nicht weiter versichert werde, habe er zu hören bekommen. Wegen der gefährlichen Lage am Eyachufer habe ihn keine andere Versicherung aufgenommen. "Man fühlt sich da schon im Stich gelassen." Immer wieder habe er es versucht. Erst 2005 ist es ihm gelungen, mit seinem Gebäude wieder versichert zu sein, sagt Christinger.

Versicherungsunternehmen kommenterien dieses Vorgehen ungern, sagen aber so viel: Man schaue nach solch einem schweren Schadensfall schon noch einmal genau hin, in welcher Gefahrenzone der Kunde wohne, heißt es bei der Sparkassenversicherung. Vielleicht gehört Christingers Haus auch zu dem einen Prozent der Gebäude in Deutschland, die nach Angaben der Allianz "nicht versicherbar" seien, "weil sie fast jedes Jahr ›im Wasser‹ stehen". Klar ist: Je höher das Hochwasserrisiko, desto saftiger fällt der Versicherungsbeitrag aus (siehe Kasten).

Christinger hat selbst Geld in die Hand genommen Spundwände angeschafft, mit denen er Fenster und Türen sichern kann, damit sie nicht von der Flutwelle aufgedrückt werden. Und die Angst ist groß. Sobald der Eyachpegel steigt, wird Christinger nervös. "Ich habe schon ein paarmal meinen Schott reingemacht." In der Nacht auf Sonntag hat er aber nicht viel genützt. Das Wasser hat Christingers Haus regelrecht umspült. Er zählt die Schäden auf: "Der Heizungsbrenner ist kaputt, hier fällt der Putz von der Wand, und der Garten sieht verheerend aus."

- Eyacher Straße

Im Keller des Hauses Eyacher Straße 6 sieht es aus, als sei ein Riesenmikado ausgekippt worden. Über verkanteten Holzlatten liegt ein Stuhl, ein Kühlschrank dazwischen. Flavio Biondo (25) steht inmitten des Chaos, das Haus gehört seiner Oma, und trägt die Möbel in den Garten hinaus. Es regnet schon wieder, nass ist aber ohnehin schon alles. Die Situation ist tragisch: "Wir haben keine Hausratversicherung", sagt Biondo. Das Inventar wird nicht ersetzt werden.

Andreas Mauch hilft Biondo. "Die Aufräumarbeit im Keller geht fast nebenher, aber man muss die alte Frau, die hier wohnt auch moralisch und psychisch aufbauen", sagt er. Sie sei über 80 und wolle ihre Zeit genießen – "und nicht so einen Mist hier im Haus haben", sagt er über den Dreck, der im Keller auf rund 1,35 Meter an der Wand klebt.

Nebenan wohnt Peter Brune (54), der einen Schreck gekriegt hat, als das Wasser endlich abgepumpt war: Durch einen Kellerraum ziehen sich mehrere Risse durch die Bodenplatte, der Boden hat sich in der Raummitte um rund 30 Zentimeter nach oben gewölbt. "Das Wasser hat von unten gedrück", sagt er. Am Sonntag herrschten Bedenken, ob die Stabilität des Hauses beeinträchtigt sei. Doch ein Statiker habe Entwarnung gegeben. Die Platte muss aber erneuert werden.

Brune lebt schon lange im Hochwasser-Gefahrengebiet. "Aber vorbereitet ist man trotzdem nicht auf so einen schlagartigen Anstieg", sagt er, "wenn es losgeht, steht man machtlos vis-à-vis." Er wünscht sich, dass die Stadt Horb oder die Feuerwehr besser über eine nahende Gefahr informieren und mit der Bevölkerung Vorbereitungen treffen.


Gefahren-Zonen

Gefahren-Zonen
 

- ZÜRS-Gefahrenzonen
Höchste Gefahr in Mühringen: Die Versicherungen stufen das Überschwemmungsrisiko anhand der sogenannten ZÜRS-Tabelle ein (Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen). Die Häuser in Ufernähe in Mühringen liegen größtenteils in der dritten von vier Gefährdungsklassen (GK). Für wenige dürfte laut Sparkassenversicherung auch die höchste Gefahrenzone vier gelten. Je höher die ZÜRS-Zone, desto mehr zahlt der Hauseigentümer für seinen Versicherungsschutz.

-  Fast alle Häuser versichert
Die baden-württembergischen Hausbesitzer sind bestens gegen solche Naturereignisse gerüstet, sagt Kathrin Jarosch, Pressesprecherin des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV): »Der Südwesten ist Spitzenreiter bei der Elementarschadensversicherung, weil die früher im Südwesten Pflicht war.« Fast 100 Prozent der Haushalte haben auch heute diese Versicherung, im Bundesdurchschnitt sind es laut GDV nur 32 Prozent. Wer diese Versicherung hat, bekommt die Kosten für Trockenlegung und Sanierung erstattet. Und die Versicherungssprecherin ist überzeugt: »Solche Starkregenereignisse werden zunehmen, das haben uns führende Klimaforscher bestätigt.«
 

- Fahrzeuge in der Flut
Wenn ein Auto in den Fluten zu Schaden kommt, haftet nach GDV-Angaben die Teilkasko. Die vereinbarte Selbstbeteiligungssumme müsse der Eigentümer aber berappen.