Im Elternhaus von Michael Riecher wohnte M. O. mit seiner Frau.  Foto: Lück

Fortschritte im Fall Michael Riecher. 27-Jähriger sitzt in U-Haft. Noch ist nicht klar, wie Mord abgelaufen ist.

Horb-Nordstetten - Der mutmaßliche Täter kam wohl doch aus dem direkten Umfeld: Der syrischstämmige Mieter von Michael Riecher wurde verhaftet und sitzt seit Samstagmittag in Untersuchungshaft. Ein Polizeisprecher sagt: "Der Tatbestand im Haftantrag lautet auf Mord."

Am Haus in der Ritterschaftsstraße herrscht Hochbetrieb. Die Spurensicherung dreht jedes Stück Holz und jeden Stein um. Freitagabend mindestens drei Stunden und auch Samstag ist die Sonderkommission vor Ort und ermittelt. Eine Jacke, möglicherweise vom Täter, wird abfotografiert und dann in eine Hülle gepackt.

Am Briefkasten vom Haus in der Ritterschaftsstraße ist ein syrischer Name zu lesen: M. O. An der Haustür ist neben dem Polizeisiegel am Klingelschild immer noch der Name "Riecher" zu lesen. Das Elternhaus von Michael Riecher.

Hier wohnte M. O. seit einigen Monaten. Nachbarn berichten, dass er im August eingezogen sei. Kurze Zeit darauf feierte er in dem Haus Hochzeit. Eine Nachbarin erzählt. "Ich kann mich noch genau erinnern, weil die Polizei vor der Tür stand, weil sich andere über die Lautstärke beschwert haben."Nun ist das Haus leer. Und das hat einen guten Grund: M. O. sitzt in Untersuchungshaft. Er wurde am Freitagabend verhaftet. Nachbarn berichten, dass eine Zivilstreife vor seinem Haus gewartet habe. Ob er tatsächlich dort oder zum Beispiel bei seiner Arbeitsstelle verhaftet wurde, ist bisher nicht bekannt.

Es bestehe dringender Tatverdacht, dass der 27-Jährige, seinen Bekannten und Vermieter Michael Riecher getötet habe. Der Immobilien-Unternehmer wurde am Samstagmorgen tot in seinem eigenen Haus in der Weikersthalstraße in Nordstetten gefunden. Die Obduktion ergab am Dienstag ein Tötungsdelikt. Seitdem ermittelt eine 50-köpfige Soko.

Noch ist nicht klar, wie die Tötung abgelaufen ist. Hat der Tatverdächtige gestanden? Ein Polizeisprecher sagt hierzu nur: "Er hat Angaben gemacht." Im Haftantrag stehe der Tatbestand Mord. Am Samstagmittag war die Haftprüfung, gegen 14 Uhr wurde der Tatverdächtige in der JVA eingeliefert.

Im Gegensatz zu Riechers Bau in der Weikersthalstraße wirkt sein Elternhaus stark sanierungsbedürftig. Ein Bekannter Riechers erzählt, dass er überrascht war, als er das Haus bewohnt sah. "Ich habe ihn gefragt: ›Sag mal, Michael, Du wolltest das doch nie vermieten oder verkaufen. Jetzt doch?‹ Da hat er mir geantwortet: ›Ja, so richtig vermietet ist das nicht. Ich bekomme zwar ein bisschen Geld aber ich richte in dem Haus nichts. Das ist so abgemacht.‹"

M. O. und Riecher sollen eine Vereinbarung miteinander gehabt haben. Der technisch begabte Syrer sollte selbst das Haus auf Vordermann bringen und seinem "Vermieter" gleichzeitig auch mal in seinem Haus helfen. Gab es deshalb Streitigkeiten?

Nachbarn berichten, dass M.O. oft sehr ruppig mit seiner Frau umgegangen sei. "Sie durfte nie alleine aus dem Haus und durfte zum Beispiel auch den Schornsteinfeger nicht reinlassen." Eine Freundin von M. O. widerspricht dem aber: "Er hat seiner Frau die Wahl gelassen ob sie Kopftuch trägt oder nicht, wie sie sich kleidet.. er ist ein offener Mensch und das habe ich jedes Mal gemerkt, wenn ich ihn und seine Frau besucht habe."

Der Mann, der jetzt in Untersuchungshaft sitzt – er ist in Horb bekannt. Er soll im Rahmen der Flüchtlingswelle 2015 nach Deutschland gekommen sein. Im September 2015 landete M. O. in Horb. Ein ehemaliger Lehrer erzählt: "Er ist ein offener Typ. Sehr freundlich und lustig." Er lebte in den Flüchtlingsunterkunft in der Ihlinger Straße.

Ein Jahr später erzählt er, dass er aus der Region der syrisch-israelischen Grenze unweit der Golanhöhen stamme und studierter Mathematiker sei. Er habe den Militärdienst verweigert, sodass er ins Gefängnis gekommen sei. Damals sagte er, dass sei die einzige Option für ihn gewesen: "Ich will niemanden töten."

Nach der Haft habe er seine zerbombte Heimat verlassen. Über die Türkei habe er sich 2015 auf den Weg nach Deutschland gemacht. M. O. galt damals für den Horber Arbeitskreis Asyl als Vorzeigebeispiel für gelungene Integration. Er hatte in Eilgeschwindigkeit deutsch gelernt, sich sehr schnell an die deutschen Gepflogenheiten gewöhnt. Schnell fasste er auch auf dem Arbeitsmarkt Fuß.

Eine Frau aus Horb berichtet: "Er hat mich auf der Straße angesprochen und war sehr nett. Ich habe gar nicht gemerkt, dass er ausländischen Hintergrund hat." In dieser Zeit habe auch darauf bestanden, dass man ihn mit einem selbst gewählten deutschen Vornamen anspricht.

An vielen Orten hatte M. selbst ehrenamtlich angepackt – weil ihm der Horber Arbeitskreis Asyl zuvorgeholfen hatte. In der Kleiderkammer beispielsweise. Die Bekannte des Täters erzählt, dass bei dem, was er ihr erzählt hatte, keine Anzeichen für eine Traumatisierung durch den syrischen Krieg gibt. Sie sagt: "Mir hat er erzählt, dass er sich jahrelang in der Türkei aufgehalten hat. Noch bevor der Bürgerkrieg in Syrien angefangen hat." Sie beschreibt ihn: "Er konnte auch ein Hallodri sein, ein richtiger Lebemann mit südländischem Einschlag."

Zum Jahreswechsel 2016/17 hatte M. O. noch fleißig Wohnungen gesucht. Riecher hatte sich immer sehr für die syrischen Flüchtlinge eingesetzt. Hatte unter anderem Kleinbusse gemietet, damit auch die Flüchtlinge aus Empfingen und weiter entfernten Ortsteilen von Horb an der Vesperkirche im Steinhaus teilnehmen können.

In den vergangenen Monaten habe es eine rapide Veränderung im Verhalten von M. O. gegeben, ungefähr seit er nach Nordstetten gezogen sei. Freunde berichten: "Er hat den Kontakt mit uns so gut wie abgebrochen, hat verlangt, dass man ihn wieder mit seinem richtigen Namen anspricht und nicht mehr mit dem deutschen Namen."

Der sonst immer so freundliche M. O. soll sich in Nordstetten von seiner Nachbarschaft eher abgeschottet haben. "Gegrüßt hat er nicht. Er ist immer nur schnell ins Haus oder schnell weggefahren, mit der Sonnenbrille auf der Nase."