Im Prozess um den Mord an Michael Riecher gibt es nach wie vor viele offene Fragen. Foto: Ganswind

Nur vier Verdächtige geschnappt. Wie groß ist Riecher-Beute wirklich?

Rottweil/Horb - Ist das Polizeirevier Horb dafür verantwortlich, dass die große Beute aus dem Überfall und Mord an Michael Riecher (57) nie gefunden wird? Das ist eines der großen Rätsel im Mordprozess gegen Iyad B. und den Hauptangeklagten Mohammed O.

Diese Frage steht neben dem Mordvorwurf im Mitteilpunkt des Prozesses: Haben die Angeklagten wirklich nur 3000 Euro erbeutet, als sie den Immobilienunternehmer Michael Riecher überfallen haben?

Inzwischen verstärkt sich der Verdacht, dass eine große Beute am 4. Januar diesen Jahres – gut zwei Monate nach der Tat – aus dem Komposthaufen von Riechers Elternhaus ausgegraben und weggebracht wurde. Durch eine Panne der Polizei in Horb?

Fakt ist: Eine Zeugin meldete dem Polizeirevier in der Neckarstraße am 4. Januar zwei Mal, dass sie verdächtige Männer in Nordstetten gesehen hat. Als die Polizei endlich eintrifft, sind von den fünf Mann, die die Zeugin gesehen hatte, nur noch vier vor Ort. Der fünfte Mann – er taucht auch nicht in den Akten der Nachermittlungen auf, die Oberstaatsanwalt Christoph Kalkschmid am Donnerstag im Schwurgerichtssaal im Riecher-Mordprozess eingebracht hat.

Ist dieser fünfte Mann mit der "großen Beute" auf und davon? Die Zeugin schildert ihn als groß mit dicker Goldkette, schwarzer Lederjacke und sandfarbener Hose. Er habe schlecht ausgesehen – wie ein Drogensüchtiger. Er sei die ganze Zeit die Straßen hoch und runter gelaufen. So, als ob er kontrollieren will, ob jemand kommt oder auf jemand wartet, berichtete die Zeugin. Gegen 16 Uhr beobachtet sie Folgendes: Einer der vier Männer malt ein Rechteck in den Schnee. Daraufhin gehen zwei Männer mit Taschen Richtung Wohnsitz von Mohammed O in der Ritterschaftsstraße. Sie ruft wieder das Polizeirevier Horb an. Dort heißt es wieder: "Wir haben kein Auto."

Gut 40 Minuten später taucht dann doch eine Polizeistreife auf. Als die Beamten nur zwei der vier von der Zeugin gemeldeten Verdächtigten antrifft, bittet sie diese zwei Männer, die anderen anzurufen und nach Nordstetten zu kommen. Die bestmögliche Warnung also, falls es eine Beute zu verstecken gab.

Zwei der Männer kamen dann tatsächlich zurück – ohne Tasche. Und wo war der Fünfte? Die Zeugin unterstreicht: "Ich habe definitiv fünf verschiedene Männer gesehen. Der mit der dicken Goldkette war nicht mehr da, als die Polizei endlich aufgetaucht ist."

Hat diese Fünfer-Bande möglicherweise die große Beute aus dem Überfall und Mord an Michael Riecher ausgegraben? Konnte diese "Bande" davonkommen, weil die Polizei aus Horb die Brisanz der Zeugen-Meldung nicht erkannte? Kam die Polizei aus Horb zu spät? Hat sie überhaupt ernsthaft versucht, alle fünf Männer auf frischer Tat zu ertappen?

Auch Riechers Zwillingsschwester hatte im Prozess von Beobachtungen von Nachbarn berichtet, wie die Männer im Komposthaufen gegraben haben. Die Polizei sei erst zwei Stunden später gekommen. Da waren diese Männer vor der Volksbank und behaupteten, sie hätten auf dem Grundstück Fußball gespielt. Riechers Zwillingsschwester äußerte die Vermutung, dass eine Beute aus Goldmünzen im Komposthaufen versteckt worden war.

Wie wahrscheinlich ist es, dass Mohammed O. vor dem Elternhaus von Riecher eine "große Beute" vergraben hat? In der Wohnung des Flüchtlings fanden die Ermittler eine Kaufquittung über Goldmünzen im Wert von fast 10.000 Euro.

Zwei Tage nach der Tat sieht sich der Mohammed O. auf dem Handy bei Ebay Autoangebote der gehobenen Preisklasse an

Laut dieser Quittung waren diese Goldmünzen für das Opfer Michel Riecher. Als Übergabetermin war Freitag, 2. November, von der Kreissparkasse notiert worden. Von Freitag auf Samstag, 2. und 3. November wurde Riecher getötet.

Hat Mohammed O. die Münzen gleich nach dem Kauf versteckt? Hat er sie noch an Riecher übergeben? Falls sie im Kompost eingegraben wurden, warum holte man sie erst zwei Monate später wieder raus? War vielleicht nichts oder etwas ganz anderes im Komposthaufen? Alles offene Fragen.

Schon mehrmals wurde im Prozess erwähnt, dass in Riechers Wohnung Unterlagen über Goldkäufe gefunden wurden. Einen Tresor oder ähnliches haben die Beamten bei den Durchsuchungen nach der Tat aber nicht gefunden. Nur eine Geldkassette im Schlafzimmer mit Bargeld und Gold im Wert von gut 25 000 Euro im Schlafzimmer des Opfers.

Am Sonntag, 4. November, zwei Tage nach der Tat und einem Tag nach dem Leichenfund, loggte sich Mohammed O. von seinem iPhone gegen 17 Uhr bei Ebay Kleinanzeigen ein. Suchte dann Autos im Postleitzahlbereich von Horb. Das berichtet ein Ermittler am Donnerstag im Schwurgericht: "Aufgerufen wurden Anzeigen mit Audi A 3, A 4, A 5 und Volkswagen CC. Alles Autos der gehobenen Preiskategorie."

Mit den 1500 Euro Beute, die der syrische Flüchtling Iyad nach dem Überfall und Mord an Riecher aus der Tasche zog, dürften solche Autos wohl nicht bezahlbar gewesen sein.