Der Angeklagte Iyad B. vor Gericht. Die ersten Plädoyers werden für den 9. Dezember erwartet. Foto: Ganswind

Angeklagter: "Ich bin seelisch sehr gestresst". Erwürgen dauerte mindestens vier Minuten.

Rottweil/Horb - Er soll am 2. November des vergangenen Jahres Michael Riecher in Nordstetten überfallen haben und in dessen Tod verwickelt sein: der staatenlose Palästinenser Iyad B. Nun hat er erneut vor dem Landgericht in Rottweil ausgesagt und seine Haftbedingungen kritisiert.

In der Willkommensbroschüre der Stadt Kornwestheim hatte Iyads Ehefrau Anna (Name geändert) nur Gutes über sich und ihren Ehemann erzählt: "Vielleicht, wenn ich besser Deutsch spreche, kann ich in Kornwestheim Freunde finden. Das ist eine Chance für uns und unser Leben hier. Ich möchte hier arbeiten, mich als Friseurin verbessern. Mein Traum ist ein eigener Salon, eines Tages. Iyad besitzt einen LKW-Führerschein in Palästina. Vielleicht wird er Fernfahrer. Er hat keine Angst vor harter Arbeit."

Doch die Realität war ganz anders, wie Iyad jetzt vor der Schwurgerichtskammer erzählt: "Bei der Suche nach Arbeit war es schwierig, was zu finden. Da kam jemand ins Heim und hat uns einen Deutschkurs vermittelt. Anna hat dann eine Arbeit im Hotel gefunden. Mir wurden die Leistungen gestrichen. Alle, die im Heim gewohnt haben, haben Drogen geraucht. Ich bin in eine Lage gekommen, wo ich gezwungen wurde, jeden Tag einen Joint zu rauchen. Langsam wurde ich abhängig. Dann gab es Probleme mit meiner Frau – deshalb habe ich heimlich gekifft. Wenn mir Anna Geld gegeben hat, bin ich ins Casino gegangen und habe gespielt. Den Rest habe ich verkifft. Anna hat festgestellt, dass ich mich verändert hatte."

Angeklagter will Drogen genommen haben, um schlafen zu können

Dann fängt er an, die Bong zu nehmen: die Wasserpfeife mit Haschisch, was die Wirkung noch verstärkt. Iyad: "Danach gab es immer Probleme. Sie sagte: ›Das ist alles durch diese Drogen.‹ Am Ende gab es so viele Probleme, dass jeder seinen Weg genommen hat."

Iyad ging aufs Amt: "Die Beamtin sagt mir: Ich bin nicht angemeldet, es gibt keine Wohnung. Nur im Obdachlosenheim. Wenn ich keinen Wohnsitz habe, kriege ich keine Leistungen. Es gab keine andere Lösung, als dort einzuziehen. Am Ende war ich einverstanden, weil ich Geld brauchte. Im Obdachlosenheim findet man alles, was man braucht: Marihuana, Kokain. Alle rauchen dort!"

Die 320 Euro, die Iyad vom Amt bekommt, reichen bei diesem Lebenswandel nicht lange. Um schlafen zu können, habe er noch mehr Drogen genommen.

Nach vier Monaten hatte der Angeklagte versucht, seine Ehefrau wieder zu erreichen: "Sie hatte ihre Telefonnummer geändert. Dann habe ich sie erreicht und in einem Lokal getroffen. Ich habe ihr erzählt, dass ich mit den Drogen und dem Spielen aufgehört habe. Das war gelogen – ich habe bei ihr gebettelt!" Damit sie ihm glauben würde, habe Iyad sogar Augentropfen in der Apotheke gekauft, um die von den Drogen entzündeten Augen zu kaschieren.

Und dann? Iyad: "Wir blieben dann zusammen. Nach dem Vorfall, wegen dem ich hier angeklagt bin, sagte sie: Wir fahren nach Berlin und machen Urlaub. Was mich betrifft: Ich wollte da gar nicht hin. Ich habe mich nicht wohl gefühlt. Aber sie beharrte auf der Reise. Unterwegs kamen die Polizeibeamte und haben uns aufgegriffen."

Die Bundespolizei hatte Iyad und seine Ehefrau am 13. Dezember am Darmstadter Bahnhof aus dem Zug Richtung Berlin geholt. Seitdem sitzt der staatenlose Palästinenser in Stuttgart-Stammheim.

Verdächtiger versuchte mehrfach zu fliehen

Iyad hatte bereits versucht, auf einem der Transporte zwischen dem Landgericht und dem Gefängnis zu fliehen. Weil es dort angeblich so schlimm sei. Sein Verteidiger Kristian Frank befragte ihn dazu im Schwurgerichtssaal. Iyad erklärt: "Nur einmal konnte ich mit meiner Familie telefonieren. Ich habe kein Geld, und arbeiten darf ich auch nicht im Gefängnis." Frank: "Sind sie dort isoliert von sozialen Kontakten?" Iyad zuckt mit den Schultern: "Ja. Ich leide natürlich, bin seelisch sehr gestresst. Das erste Mal, als ich mit meiner Mutter telefoniert habe, hat sie die ganze Zeit geweint. Ich habe mitgeheult."

Iyad hatte zugegeben, über den Friseur am 1. November den Syrer Mohammed O. in Horb kennengelernt zu haben. Mit ihm den Plan geschmiedet zu haben, den Immobilienunternehmer Michael Riecher zu überfallen. Laut seiner Erklärung bei der letzten Verhandlung habe das Opfer ihm ungefähr 3000 Euro gegeben. Als Riecher ihm mehr Geld versprochen hatte, soll O. Riecher angegriffen und zu Boden gebracht haben. Iyad: "Er sagte mir hinterher, dass Riecher was von seiner Ehefrau wollte."

Die Verteidiger von Mohammed O. haben vor der Vernehmung von Iyad B. versucht, ihn als Mörder von Michael Riecher zu belasten. Rechtsanwalt Alexander Kubick und Alexander Hamburg stellten den Beweisantrag, dass Riechers Tod durch Erwürgen mindestens vier Minuten gedauert haben muss. Laut dem forensischen Sachverständigen Stefan Wehner sei der Todeszeitpunkt von Michael Riecher zwischen 19.48 und 23.42 Uhr gewesen. Frühestens um 19.30 Uhr. Das Handy von O. sei aber nachweislich bis spätestens 19.28 Uhr im Router von Riecher eingeloggt gewesen: "Es ist naheliegend, dass der Täter das Opfer bis zum Tod gewürgt haben muss. Dann kann die tödliche Einwirkung nicht von Mohammed O. stammen."

Die ersten Plädoyers werden für den 9. Dezember erwartet.