Der Haupttäter, der ins Gefängnis soll, prozessiert noch weiter. (Symbolfoto) Foto: Deck

Falschaussage-Verfahren eingestellt. Haupttäter prozessiert weiter.

Horb/Rottweil - Das Mini-Rock-Festival gibt’s nicht mehr und doch geistert es noch immer in den Gerichtssälen des Rottweiler Landgerichts herum. Zumindest eine Verhandlung wegen Falschaussage, die sich aus einem Diebstahl-Prozess weitergesponnen hatte, wurde nun beendet.

Zu Ende ging ein Prozess gegen einen der vier Tatbeteiligten, die sich im vergangenen Jahr wegen gemeinschaftlichen Diebstahls während des Festivals 2017 verantworten mussten. Doch nicht die gemeinsam begangene Tat war angeklagt, sondern zwei der Täter mussten sich dem Anklagevorwurf der uneidlichen Falschaussage stellen. Für einen der Beschuldigten endete dieser Prozess gestern mit einer Einstellung des Verfahrens nach Paragraf 153a. Dieser bietet der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, unter Auflagen und Weisungen von einer Strafverfolgung abzusehen.

"Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht", so schreibt es der Gesetzgeber vor.

2500 Euro muss der Angeklagte zahlen

2500 Euro muss der Angeklagte nun bis zum 15. August an die Rottweiler Caritas bezahlen, dann ist für ihn die Akte "Mini-Rock" geschlossen. "Wenn sie nicht zahlen, dann sehen wir uns hier wieder", war die klare Ansage der Vorsitzenden.

Doch wie kam es zu diesem Verfahren? Amtsgerichtsdirektor Albrecht Trick hatte die vier Angeklagten im Februar vergangenes Jahr zu unterschiedlich hohen Strafen, darunter auch eine sechsmonatige Gefängnisstrafe (ohne Bewährung), verurteilt. Zwei der Täter gingen in Berufung, die beiden anderen, darunter auch der heute 28-Jährige, der in Horb wohnt, nahmen das erstinstanzliche Urteil an.

Mit der Zahlung der damals auferlegten Geldbuße schien für die beiden die Geschichte erledigt zu sein. Bis zur Berufungsverhandlung im Juli 2018. Die beiden Mittäter mussten dort als Zeugen aussagen und behaupteten unisono, dass sie alle nichts geklaut hätten. Sie hätten lediglich an den Zelten gerüttelt und die Schlafenden zum Spaß erschreckt. Von Seiten der Staatsanwaltschaft wurde diese Aussage im Falle des aktuell Beklagten als bewusst wahrheitswidrig eingestuft. "Sie wollten mit ihrer Aussage ihre Kumpels vor weiterer Strafverfolgung schützen. Das ist eine uneidliche Falschaussage und wird bestraft", so die Rechtsreferendarin, die für die Staatsanwaltschaft aktiv war.

Für die Richterin wurde die Suche nach einem Fünkchen Wahrheit ein schwieriger Balanceakt zwischen anscheinender völliger Ahnungslosigkeit des Beschuldigten, dem sie jedes Wort aus der Nase ziehen musste, und den bekannten Fakten. Er habe Erinnerungslücken ohne Ende, gab der Beschuldigte an, dessen Hauptantwort auf fast alle Fragen aus den Worten: "weiß ich nicht" bestand. Auch Sätze des Angeklagten wie: "Bei dem Ding mit dem Zelt gebe ich echt zu, dass ich nicht drin war", zauberten so manches Fragezeichen in die Gesichter der Prozessbeteiligten. Von einem Diebstahl hätte er nichts mitgekriegt und außerdem wäre er mit 2,4 Promille-Blutalkohol auch nicht mehr ganz fit gewesen, gab er zu.

Warum er dann die Strafe aus dem Horber Prozess akzeptiert hätte?, wollte die Richterin wissen. "Das hat mir mein Anwalt geraten", so der Beschuldigte, der anfügte, dass ihm der Anwalt gesagt hätte, dass man mit einer Berufung alles noch schlimmer machen würde. Auch diese Antwort schien der Richterin recht suspekt, zumal das Landgericht in der Regel die vorinstanzliche Strafe nicht verschlechtern (im Fachjargon: verbösern) darf. Also wurde überlegt, ob man den Horber Anwalt von seiner Schweigepflicht entbindet und ihn zu einer Zeugenaussage lädt. Dem kam aber die Bewährungshelferin des Angeklagten zuvor. Sie sagte aus, dass auch sie ihrem Schützling geraten habe, das Horber Urteil anzunehmen, da ein Gerichtsverfahren beim Landgericht nur weitere Kosten nach sich ziehen würde. Und dies sei auch der Tenor des Rechtsanwalts sowie der Mutter des Täters gewesen.

Zweimal vom Richter belehrt

Der Beschuldigte, der Probleme hatte, der Verhandlung zu folgen beziehungsweise die Fragen der Richterin plausibel zu beantworten, präsentierte sich so auch bei der Berufungsverhandlung, bei der er die uneidliche Falschaussage machte.

Dies bestätigte Staatsanwältin Alexandra Schaumann, die damals als Anklagevertreterin aktiv war, gestern als Zeugin. "Ich weiß nicht ob er absichtlich oder unwissentlich die Geschichte immer wieder gleich erzählt. Er wurde vom Vorsitzenden zweimal scharf wegen möglicher falscher Aussagen belehrt und blieb trotzdem bei seiner Geschichte, vom Rucksack der nicht geklaut wurde, sondern schon im Pavillon lag, mit dem er später vom "Türsteher" (Security-Mitarbeiter) angesprochen wurde. Schaumann betonte auch: "Wenn jemand ein Urteil akzeptiert, dann hat das für uns eine gewisse Aussagekraft." Doch der Angeklagte sei nicht in der Lage gewesen, einzusehen, dass er für eine gemeinschaftlich begangene Tat verurteilt wurde.

Um irgendwie zu einem Abschluss zu kommen, einigten man sich auf die Einstellung des Verfahrens. Das Urteil für den anderen Mittäter, der ebenfalls wegen uneidlicher Falschaussage angeklagt ist, wird am Mittwoch erwartet. Der Haupttäter, der ins Gefängnis soll, prozessiert noch weiter. Gegen das Urteil des Landgerichts hat er Revision eingelegt, war zu erfahren. Und der Anwalt des Beschuldigten aus dem gestrigen Prozess merkte dazu an: "Beim Herrn B. ist es völlig egal, wie hoch sich die Gerichts- und Rechtsanwaltskosten belaufen, der hat so viel Schulden, dass er sie nie wieder los wird."

Der Geist des Mini-Rock-Festivals wird also noch eine Weile bestehen – wenn auch eher im schlechten Sinne.