Foto: Schülke

Im Nordstetter Ruhewald macht sich Unruhe breit. Grabpächter und Stadt schalten Anwälte ein.

Horb-Nordstetten - Im städtischen Ruhewald bei Nordstetten werden immer wieder Gräber verändert. Holzscheiben, die als Grabschmuck dienen, landen im Gebüsch, in Moos gesteckte Blumen werden herausgerissen. Eine Familie, deren Angehöriger dort liegt, hat jetzt rechtliche Schritte gegen die Stadt eingeleitet.

"Der herrlich gelegene junge Mischwald bietet zu jeder Jahreszeit ein ansprechendes Bild. Im Wald überrascht ein Waldbiotop am zentralen Aussegnungsplatz mit dem Element Wasser" – so steht es bei der Stadt im Internet.

Doch das Idyll ist seit November 2018 gestört. "Das ist kein Ruhewald, das ist Psychoterror", sagte damals der Mühriger Sven Markus von Hacht im Gespräch mit unserer Zeitung. "Die Leute wollen Ruhe, aber dort oben finden sie keine." Von Hacht hat seinen Vater in dem Wald bestatten lassen.

Persönlicher Geschmack wird zur Streitfrage

Das Grab pflegt er gemeinsam mit seiner Mutter. Im November hatte es mit den "Änderungen" an den Gräbern begonnen. Schmuck aus Naturmaterial wurde entfernt, so zum Beispiel eine naturbelassene Holzscheibe mit einem Loch in der Mitte oder ein geschnitztes Herz, auf das jemand mit Filzstift einen Namen geschrieben hat.

Was sicher ist: Zumindest ein Teil der "Veränderungen" an den Grabgestaltungen hat die Stadt vornehmen lassen und dies auch eingeräumt – und laut Rathaus seien alle Betroffenen rechtzeitig vorher informiert worden.

Die Problematik: Nicht alles, was die Grabpächter als passenden Schmuck ansehen, passt auch zum Ruhewald-Konzept, das auf dezente Naturmaterialien setzt. Trotz der ausführlichen Material-Beschreibungen scheint es immer wieder "Grenzfälle" zu geben, bei denen persönlicher Geschmack zur Streitfrage wird: Ein Herz aus Holz, eine Baumscheibe mit einem Loch oder kleine Blumensträuße. Diese werden dann – so der Verdacht des Grabpächters – von Bediensteten der Stadt als unzulässig eingestuft und entfernt.

Stadt möchte Vorerst keine Stellung nehmen

Die Hoffnung, ein klärendes Gespräch zwischen Verwaltung und Grabpächter werde Klarheit bringen, hat sich aber bis heute nicht erfüllt. Im Gegenteil, die Unruhe rund um den Ruhewald lässt nicht nach. Laut von Hacht gibt es mittlerweile mehrere Grabpächter, die sich beschweren. Sowohl er selbst als auch die Stadtverwaltung haben Rechtsanwälte eingeschaltet. Die Stadt möchte deshalb zurzeit zu den Vorwürfen keine Stellung nehmen.

Mit immer neuen Schilderungen von Manipulationen am Grabschmuck meldete sich jedoch am Donnerstag erneut von Hacht zu Wort. Er ist nach eigenem Bekunden fast täglich im Ruhewald. Er begründet das mit der Angst vor Veränderungen. "Gerade vor Feiertagen, wie jetzt an Christi Himmelfahrt, wird an den Gräbern herumhantiert."

Die Befürchtung hat sich wohl bestätigt, denn noch am Feiertag schickte von Hacht die Bilder der neuesten Manipulation, die jedoch eher nach mutwilligem Vandalismus aussehen. Von dem vorher mit Rinde, kleinen Tannenzapfen, Moos, Farn und Efeu geschmückten Grab – wohlgemerkt alles Materialien, die laut Stadtverwaltung erlaubt sind – ist nur noch ein wirres Durcheinander übrig. Wo vorher in einem zentralen Kreis in einem Mooskissen die Köpfe von Blumen steckten, klafft ein dunkles Loch, als hätte jemand die Mitte des Schmucks einfach herausgerissen. "Als ich das gesehen habe, dachte ich mir: So jetzt reicht’s. Ich habe die Polizei geholt."

Ob für diese Art von Manipulationen die Bediensteten der Stadtverwaltung verantwortlich sind, ist indessen unklar. "Offenbar ist es jetzt so, dass ich hier als Unruhestifter dargestellt werden soll. Am Ende schiebt man mir vielleicht noch das Hantieren an den Gräbern in die Schuhe", befürchtet von Hacht.

Jetzt will er es noch einmal mit einem Gespräch versuchen, und zwar bei einer öffentlichen Sonderführung, die am Mittwoch, 5. Juni, ab 18 Uhr im Ruhewald stattfinden soll. Dort wollen von Hacht und andere Personen die Vertreter der Stadtverwaltung zu den Vorgängen befragen. Das sei für ihn die einzige Möglichkeit, denn einen gemeinsamen Gesprächstermin oder Telefonate lehne die Stadt ab. "Wer dort ein Grab gepachtet und ebenfalls Probleme hat, kann gerne auch mit dabei sein", so von Hacht.

Er hoffe auf nichts anderes als eine dauerhafte, verbindliche Klärung, damit er das Grab seines Vaters so gestalten kann, dass es nicht dauernd verändert wird – vorausgesetzt natürlich, es ist kein bislang Unbekannter, der für die Unruhe im Ruhewald verantwortlich ist.