Der Rotmilan kommt den Hochrechnungen der LUBW zufolge in der hiesigen Region überdurchschnittlich häufig vor: Der Region um den großen Hau beheimatet demnach die viertgrößte erfasste Rotmilanpopulation in Baden-Württemberg. Foto: Willnow

Referatsleiter begründet Entscheidung gegen Windpark mit überdurchschnittlicher Rotmilan-Dichte im Großen Hau.

Horb - Warum hat sich die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) gegen den Windpark Großer Hau in Rexingen ausgesprochen? Jürgen Marx, Referatsleiter Artenschutz bei der LUBW, benennt erstmals konkrete Probleme – doch es gibt weiter Ungereimtheiten.

Oberbürgermeister Peter Rosenberger und Stadtplaner Peter Klein hatten die Entscheidung des Regierungspräsidiums als nicht transparent kritisiert. Rosenberger sagt: "Für uns ist das Regierungspräsidium der Ansprechpartner. Und das RP sagt uns: ›Wir dürfen aufgrund des laufenden Petitionsverfahrens keine Auskunft geben.‹" Unserer Zeitung gegenüber gibt sich LUBW-Referatsleiter Jürgen Marx offen und sagt in aller Deutlichkeit, wie die Landesanstalt zu ihrer Empfehlung kam, den Windpark im Großen Hau abzulehnen.

In der bisherigen Diskussion erklärte die Stadtverwaltung Horb stets, dass das Horber NABU-Gutachten kein richtiges Gutachten sei, da Gutachter Walz nicht nach LUBW-Empfehlungen begutachtet habe. Marx bestätigt dies zwar, stellt dem städtischen Gutachter aber das gleiche Zeugnis aus. "Auch das von der Stadt in Auftrag gegebene Gutachten ist nach unseren Empfehlungen nicht ausreichend."

Der städtische Gutachter vom Büro für Faunistik und Landschaftsökologie (BFL) hat seine Untersuchungs-Grundlagen selbst als besonders streng beschrieben: Er habe Anordnungen der Staatlichen Vorgelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland herangezogen. Weiter heißt es: "Die Vorgaben entsprechen weitestgehend auch den vom LUBW nach Beginn der Untersuchungen herausgegebenen Hinweisen zum Untersuchungsumfang bzw. gehen bezüglich des Untersuchungsradius und der Berücksichtigung des Vogelszuges über die Anforderungen des LUBW hinaus." War der städtische Gutachter mit dieser Einschätzung seiner Arbeit auf dem Holzweg?

Die Kritik der LUBW im Einzelnen:

Zu kurze Beobachtungszeit: Das Stadt-Gutachten habe den Nachteil, dass es nicht die Spätbrutzeit umfasse, sagt Marx. "Wir empfehlen, dass auch im Juli und August begutachtet wird, doch dies ist im städtischen Gutachten nicht der Fall." So seien die Brutzeiten der Baumfalken und Wespenbussarde nicht erfasst worden. Tatsächlich offenbart ein Blick ins städtische Gutachten: Die Brutbeobachtung endet am 25. Juni.

Das NABU-Gutachten fängt dagegen zu spät an, laut Marx im Juni und Juli. "Hier fehlen die Monate März bis Mai", so Marx. Deswegen habe die LUBW dem Regierungspräsidium empfohlen, beide Gutachten zusammenzulegen.

Zu wenige Vor-Ort-Termine: Beide Gutachten haben nach LUBW-Aussage auch Schwächen hinsichtlich der Beobachtungsintensität. Marx erklärt: "Wir empfehlen im Beobachtungszeitraum 18 Begehungen je drei Stunden." Das Stadt-Gutachten berichte aber nur von acht Terminen, sagt Marx. Allerdings: Der BFL-Gutachter schreibt zu seiner Methodik, dass 2012 elf Begehungen bzw. Brutvogel-Kontrollen stattgefunden hätten. Die Raumnutzungsanalyse zum Rotmilan sei an insgesamt 16 Terminen durchgeführt worden. Hier gibt es also anscheinend eine unterschiedliche Zählung der Vor-Ort-Termine. Marx kritisiert außerdem: "Über die Dauer der jeweiligen Besichtigungen wird keine Auskunft gegeben."

Das war noch nicht alles, die LUBW hat noch ein weiteres Manko des Stadt-Gutachtens erkannt: "Das städtische Gutachten gibt keine Auskunft über die jeweilige Wettersituation. Die Thermik ist ein wichtiges Kriterium für das Flugverhalten", so Marx.

Hohe Rotmilan-Dichte im Großen Hau: Das entscheidende K.o.-Kriterium für die LUBW ist jedoch ein anderes: Der Große Hau liegt laut Marx bei der Rotmilan-Dichte in Baden-Württemberg auf Platz vier der bisher erfassten Flächen. Als Vergleich dienen 140 Beobachtungsflächen im Land, auf denen die Häufigkeit des Milans bereits erfasst wurde.

Die Kartierung der Rot- und Schwarzmilanbestände habe die Ornithologische Gesellschaft Baden-Württemberg im Auftrag der LUBW im Jahr 2012 durchgeführt. Das Gebiet in Rexingen ist jedoch nicht kartiert. Doch die LUBW hat die Informationen aus den beiden Gutachten von Stadt und NABU verwendet und zu den bereits untersuchten Gebieten ins Verhältnis gesetzt: Horb landete dabei auf besagtem vierten Platz von dann 141 Flächen. Die LUBW könne daher nicht bestätigen, dass es sich nur um ein durchschnittliches Rotmilanaufkommen handelt.

Die Stadt und ihre Sichtweise zum eigenen Gutachten: Die Stadt weiß von all der konkreten Kritik offenbar noch nichts. "Mich verwundert, dass die LUBW dem Schwarzwälder Boten Auskunft gegeben hat", sagt Rosenberger im Gespräch mit unserer Zeitung gestern Abend. Mit einem Schreiben vom Freitag habe die Stadt die Stellungnahme der LUBW schriftlich angefordert, sagt Klein. Bislang habe man aber noch keine Auskunft erhalten. Angesichts der Auskunftsfreudigkeit von Referatsleiter Marx ist das rätselhaft.

Konfrontiert mit dem Vorwurf, dass grundlegende Anforderungen im Gutachten nicht eingehalten seien, reagiert Klein ungläubig. Das Stadt-Gutachten sei vorab vom Landratsamt, der unteren Naturschutzbehörde, gutgeheißen worden. "Es würde mich sehr wundern, wenn plötzlich formale Dinge daran nicht mehr stimmen sollten."

Die neuen Richtlinien der LUBW wurden im Mai 2012 herausgegeben, als der städtische Gutachter schon längst beauftragt war. "Aber wir haben im Nachhinein gesagt, der Gutachter solle nach den neuen Kriterien weiterarbeiten." Das sei so auch geschehen, sagt Klein.

Die neuen Vorgaben des Windenergieerlasses haben laut einem Windkraft-Experten (siehe unten) deutlich längere Beobachtungszeiten vorgegeben, was bei anderen Windkraftgutachten in dieser Zeit deutlich höhere Kosten verursacht hat. Das Auftragsvolumen des Stadtgutachtens hat sich indes laut Klein aber nicht verändert.

Er sagt zur Erklärung: "Die neuen LUBW-Vorgaben haben sich auf das Standardwerk für Ornithologen berufen. Von diesem Werk war unser Gutachter ohnehin als Grundlage ausgegangen."

Klein verspricht, die Stadt wolle die Ablehnung des RP auch inhaltlich aufarbeiten: "Wir wollen genau wissen, in welchen Punkten das Gutachten unzureichend sein soll." Auch der Gutachter habe ein großes Interesse daran: "Der hat ja einen Ruf zu verlieren", sagt Klein.

Heute will die Stadt nun selbst beim LUBW-Referatsleiter Marx anrufen, sagt OB Rosenberger. Er ist gespannt, ob er ebenfalls eine Auskunft erhält.