Wirtschaft: Serie: Wohin steuert die Logistik? / Standortsuche für Betriebe wird immer schwieriger

Der Flächenverbrauch löst Diskussionen aus. Schon seit Langem ein Schreckgespenst sind die Logistikbetriebe. Sie gelten als "Flächenfresser", und Ansiedlungen wie der Logistikpark im Heiligenfeld mit 33 600 Quadratmeter Nutzfläche sind eher die Seltenheit. Welche Strategien hat die Branche?

Ho r b. Logistikbetriebe haben bei der Suche nach Bauplätzen schlechte Karten. Sie gelten als Verkehrs-Bringer und werden gerne auch als besonders schlimme "Flächenfresser" dargestellt.

Kritische Worte fallen bei Diskussionen in Ortschafts- und Gemeinderäten, wenn es um solche Ansiedlungswünsche geht – siehe Gewerbegebiet Ahldorf. Dass im Horber Heiligenfeld ein Logistikzentrum mit 33 600 Quadratmetern Nutzfläche und in der Nähe ein Container-Terminal für die Bahn entstehen, gilt eher als Ausnahme. Denn landesweit werden die Flächen knapp.

In der Logistik-Branche setzt man sich jedenfalls bundesweit intensiv damit auseinander. Laut der Initiative Logistikimmobilien (Logix) wurden in Deutschland von 2009 bis 2017 knapp 30 Millionen Quadratmeter an neuen Logistikimmobilienflächen errichtet. Die Logistikbeschäftigung nahm im gleichen Zeitraum um 525 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte zu, was einem Wachstum von 24 Prozent entspricht.

Doch das Wachstum gerät ins Stocken. Denn besonders im Umfeld der Ballungsräume – Horb zählt hier übrigens nicht mehr zum Stuttgarter "Speckgürtel", der im Radius von acht bis 24 Kilometern gespannt ist, sondern zum Außenbereich – wird es für die Logistiker immer schwieriger, an Flächen zu kommen. Im Auftrag von Logix hat die Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services SCS eine Studie zur wirtschaftlichen Bedeutung der Logistikimmobilien ausgearbeitet. Darin wird auch eine Situation angesprochen, die auf Horb und Umgebung zutreffen dürfte. Das Ergebnis in Kürze: Der Raum Horb ist für die Logistiker attraktiv. Attraktiver jedenfalls als Standorte weiter südlich an der Autobahn.

So schreiben die Autoren Uwe Veres-Homm, Fraunhofer SCS, und Alexander Nehm, Logivest Concept GmbH, über einen Interessenkonflikt: "Für die Unternehmen entsteht vor allem in der Nähe von Ballungsräumen eine gegenläufige Abhängigkeit: Je näher ein Standort am Zentrum des zu beliefernden Ballungsraumes liegt, desto kürzer sind die Transportwege und desto besser ist meist auch die Mitarbeiterverfügbarkeit. Gleichzeitig sind Flächen, die den Ansprüchen an ein modernes Logistikzentrum genügen, nicht oder kaum noch zu bekommen. Sie werden zwar quantitativ mehr, je weiter der Standort sich vom Zentrum der Region entfernt, dafür sind dann wiederum die Wege weiter und das Arbeitskräftepotenzial ist kleiner. Dieses ›Ausweichen‹ in umliegende Regionen wirkt häufig zufallsgetrieben und aus Sicht einer ganzheitlichen regionalen Entwicklungsplanung wenig strukturiert."

Eine Folge davon sei die "Zersiedlung" – die mehr ist als nur ein Schreckgespenst. Zersiedlung heißt, dass immer mehr Bauwerke außerhalb geschlossener Ortschaften entstehen. Die Landschaft weicht also mehr und mehr einer zentrumsnahen "Agglommeration".

Wenig Potenzial

Stuttgart zählt zu den logistisch en Problemregionen, deren Umfeld von Zersiedlung bedroht ist. Das führt in den Kommunen zu einer Abwehr-Politik, gerade wenn es um Logistik geht. Dazu heißt es in der Untersuchung: "Eine akute Knappheit (...) ist ausschließlich in Regionen Süddeutschlands zu beobachten. In den Regionen Donau, München, Nürnberg, Rhein-Neckar, Stuttgart und Schwaben sind bereits heute massive Probleme sowohl bei der Flächenverfügbarkeit als auch bei der Gewinnung von Arbeitskräften zu beobachten."

Die Lage habe sich auch durch den wachsenden E-Commerce und die damit verbundenen zusätzlichen Leistungs- und Serviceversprechen an die Konsumenten noch zusätzlich verschärft.

Flächensuche

Allein schon die Suche nach potenziellen Flächen wird schwierig, denn das Problem, so heißt es in der Studie, "ist nicht durch das Zählen von verfügbaren oder gar von aktuell vermarkteten Grundstücken der Städte und Kommunen lösbar. Zu heterogen sind die Datenpflege und das Wissen der regional Verantwortlichen um die eigenen Bestände." In den 16 Bundesländern gebe es beispielsweise 16 unterschiedliche Vermarktungsportale und unterschiedliche Betreiber in unterschiedlicher Qualität. Etliche Flächen seien in privater Hand und somit kaum identifizierbar. In Daten veröffentlichte Grundstücke seien nicht immer verfügbar, und fast täglich würden Flächen veräußert oder bebaut.

Thema Arbeitsplätze

Neben den Flächen sind in manchen Regionen auch die Arbeitskräfte knapp. Doch gerade sie sind ein wichtiges Kriterium für den Bau von Logistikimmobilien. Veres-Homm und Nehm schreiben dazu: "Die kurzfristige Akquise von mehreren Hundert oder auch nur Dutzenden von neuen Lagermitarbeitern, wie sie in größeren Logistikzentren benötigt werden, wird angesichts der guten Konjunktur, der niedrigen Arbeitslosigkeit und des zunehmenden Durchschnittsalters auf dem Arbeitsmarkt zu einer großen Herausforderung." Der Raum Stuttgart liegt bei der Studie im Mittelfeld. Das heißt: Fachkräfte für den Lagerbereich findet man nur mit erhöhtem Aufwand. Horb und die Region südlich liegt sogar im roten Bereich, hier ist der Aufwand hoch.

Fazit

Die Studie kommt unter anderem zum Ergebnis, dass einer Logistik-Ansiedlung eine sorgfältige Abstimmung vorausgehen muss. Die Autoren schreiben: "In der Realität fehlt es trotz des erheblichen Mangels an notwendigen Flächen und trotz der teilweise offensichtlichen Folgen für die lokale Wirtschaftsentwicklung ein ausgewogenes Zusammenspiel zwischen Wirtschaftsförderung und Planungsorganen."

Nach wie vor aktuell ist in der Branche die in den 70er-Jahren entstandene Idee der Güterverkehrszentren (GVZ). Ein gebündelter Logistik-Standort soll die Straße entlasten und den Bahnverkehr stärken, die Kooperation von Unternehmen verbessern und "Verkehrsinfarkte".

Hausaufgaben für die Logistikbranche gäbe es allerdings auch. Öffentlichkeitsarbeit gehöre dazu – nicht erst im Vorfeld von Bauvorhaben. Außerdem räumen die Autoren ein: "Das Thema Logistik spielt bislang in der Schulbildung kaum eine Rolle, dementsprechend gering ist der Wissensstand der Schulabsolventen zu diesem Arbeitsfeld."

Und: "Neben Auszubildenden und arbeitssuchenden Fachkräften können auch (Langzeit-)Arbeitslose, Studenten oder Teilzeit- und Saisonkräfte als dringend benötigte Logistikarbeitskräfte ausgebildet werden."

Für Kommunen in Autobahnnähe ergibt sich unterm Strich also eine Chance, mit Logistik-Ansiedlungen die lokale Wirtschaft in einem Maß zu fördern, wie es im nahen Ballungsraum gar nicht mehr möglich ist – allerding müssen auch mehr Bürgerinnen und Bürger auf den "Logist ik-Sattelzug" aufspringen.