Nur wenige Tage nach der Verurteilung klaute der Mann im offenbar sturzbetrunkenen Zustand eine Sonnenbrille im Kaufland am Horber Bahnhof. (Symbolfoto) Foto: dpa

60-Jähriger der Horber Bahnhofsszene gerät zum x-ten Mal in Konflikt mit Gesetz.

Horb - Ein weiterer Eintrag ins ellenlange Vorstrafenregister: Ein 60-Jähriger Horber – Teil der berüchtigten Bahnhofsszene – wurde am Dienstag wegen Diebstahl und Hausfriedensbruch zu zwei Monaten Haft verurteilt. Die Verhandlung nahm groteske Züge an.

Mit dem Kleinbus der JVA Rottweil wurde der Horber, der im Dezember seinen 61. Geburtstag feiert, zum Amtsgericht seiner Heimatstadt gefahren. Zwei Justizvollzugsbeamte begleiteten ihn zur Anklagebank, auf der er schon so oft saß – zuletzt im Sommer diesen Jahres. Damals verurteilte ihn Richter Albrecht Trick zu sechs Monaten Haft, die er derzeit in Rottweil absitzt. Zwei weitere Monate kommen nun hinzu.

Mit Leopardenmuster

Pikant: Nur wenige Tage nach der Verurteilung klaute der Mann, der seit den 70er-Jahren konstant mit dem Gesetz in Konflikt gerät, am 1. August im offenbar sturzbetrunkenen Zustand eine Sonnenbrille im Kaufland am Horber Bahnhof. "Mit Leopardenmuster, im Wert von 15,99 Euro", vermerkte die Staatsanwältin beim Verlesen der Anklageschrift. Gut zwei Wochen später betrat er auf der anderen Seite des Bahnhofsplatzes trotz Hausverbot den Rewe-Markt, ehe er nur eine weitere Woche später auch im Kaufland gesehen wurde, in dem er aufgrund des Diebstahls der Sonnenbrille ebenfalls Hausverbot hatte. Zwei Tage später trat er dann die Haft in der JVA Rottweil an.

Vor dem Amtsgericht verteidigte sich der 60-Jährige gestern selbst. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft räumte er mehr oder weniger ein. "Wird schon so stimmen", sagte der Mann ohne große Anteilnahme, auch wenn er kurz darauf betonte: "Von einer Sonnenbrille weiß ich nichts. Ich habe Alkohol geklaut. Warum sollte ich auch eine Sonnenbrille klauen? So einen Scheißdreck ziehe ich doch gar nicht auf." Laut Zeugenaussagen soll der Mann allerdings während des Anrufs eines Mitarbeiters bei der Polizei ins Telefon gebrüllt haben: "Ich habe die Sonnenbrille geklaut, ihr Arschlöcher."

Haft beeindruckt nicht

Die Uneinsichtigkeit und die lange Vorstrafenliste des Angeklagten war laut Trick der Grund dafür, warum der Fall trotz des geringen Schadens überhaupt verhandelt wurde. "Deswegen machen wir den Auftrieb und bringen Sie für viel Geld hierher", sagte der Richter zu dem Angeklagten, auch wenn er einräumen musste: "Die Haft scheint Sie nicht sonderlich zu beeindrucken."

Bereits im Alter von 15 Jahren geriet der Beschuldigte zum ersten Mal mit dem Gesetz in Konflikt. In den folgenden 45 Jahren kamen mehr als 20 Einträge in das Bundeszentralregister hinzu – wegen Diebstahl, Körperverletzung, Fahren ohne Führerschein, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Sachbeschädigung, Betrug, Hausfriedensbruch und Schwarzfahren. Mehrfach saß der Mann bereits im Gefängnis. In den 90er-Jahren ging er zuletzt einer geregelten Arbeit nach, damals verlegte er Kabel im Auftrag der Telekom. Anschließend hielt er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Zuletzt hatte er keinen festen Wohnsitz mehr und lebte in der Garage einer Bekannten, die ebenfalls Teil der Horber Bahnhofsszene ist.

Morddrohung vor Gericht

Keinen Hehl machte der 60-Jährige daraus, sich im Gefängnis nicht unbedingt unwohl zu fühlen. An Weihnachten würde er zwei Drittel seiner ursprünglichen Haftstrafe abgesessen haben. Dennoch schlägt er das Angebot aus, die JVA zu verlassen. "Ich sitze die volle Strafe ab", sagte der Mann im Gerichtssaal trotzig und fügte hinzu: "Was soll ich draußen? Ich bin bald 61 und habe keinen festen Wohnsitz. Mich stellt auch niemand mehr ein. Das kann ich mir abschminken. Wahrscheinlich muss ich erst einen umlegen."

Gerade bei dem letzten Satz verstand Trick keinen Spaß, zumal der Beschuldigte im Verlauf der Verhandlung ein weiteres Mal androhte, jemanden umzubringen. "Drohen Sie so ein Zeug nicht an", mahnte der Richter und fragte: "Wie soll es mit Ihnen weitergehen, wenn Sie wieder draußen sind?"

Staatsanwältin ist sprachlos

Zunächst sprachlos war die Staatsanwältin kurz vor ihrem Plädoyer. Schließlich forderte sie vier Monate Haft. "Ich sehe überhaupt keine Einsicht. Sie sind unbelehrbar", wandte sie sich an den Angeklagten und bedauerte: "Ich habe nicht den Eindruck, dass Sie Interesse an einem straffreien Leben haben. Ich sehe nichts Positives – außer dass die Schäden in diesem Fall gering sind."

Richter Trick folgte dieser Einschätzung, setzte jedoch die Haftstrafe geringer an. Berücksichtigt habe er dabei, dass der Beschuldigte beim Hausfriedensbruch nur auf der Toilette gewesen sei beziehungsweise Flaschen am Pfandautomaten zurückgeben wollte. Zudem sei er in der JVA "ein ruhiger Zeitgenosse". Zur Bewährung könne die Strafe jedoch auf keinen Fall ausgesetzt werden. Zum Verhalten des Mannes im Gerichtssaal sagte Trick: "Sie spucken hier immer große Töne, weil Sie eine dissoziale Persönlichkeitsstörung haben. Sie können halt nicht über Ihren Schatten springen."