An einem Wegesrand im Ruhewald liegt ein verwitterter Gelenkknochen, über dessen Herkunft gerätselt werden darf. Fotos: Schülke Foto: Schwarzwälder Bote

Konflikt: Ist es ein menschlicher Hüftgelenk-Kopf, der am Wegesrand liegt? / Amtlicherseits wurde er noch nicht gefunden

Der Ruhewald kommt nicht zur Ruhe. Nach Beschwerden von Grabpächtern über Manipulationen an den Gräbern gibt es jetzt neuen Ärger. Ein Besucher berichtet von einem makabren Fund am Rand eines Waldwegs: ein möglicherweise menschlicher Knochen.

Horb-Nordstetten. Ein geschmackloser Scherz oder Spur eines Verbrechens? Das fragte sich Anfang dieser Woche ein Grabpächter, als er realisierte, was da im Ruhewald auf dem Boden lag: Ein Gegenstand, der wie ein menschlicher Hüftgelenks-Kopf aussieht, der auf dem Rest des Beinknochens sitzt.

Der Grabpächter tastete den Gegenstand nicht an, fotografierte ihn nur. Der Mann hörte sich um und bekam tatsächlich einen Hinweis: "Im Ruhewald wird der Aushub von abgelaufenen Gräbern abgelagert, und zwar von Friedhöfen aus dem ganzen Stadtgebiet."

Die Stadtverwaltung bestätigte das auf Anfrage unserer Zeitung, schränkte aber ein: "Nur vorher kontrollierter und unbelasteter Bodenaushub wird abgelagert, wie dies über (...) die geltende Satzung geregelt ist."

In der aktuellen Fassung der Friedhofssatzung für den Ruhewald steht allerdings nirgendwo, dass im Ruhewald der Aushub von Friedhofsgräbern deponiert werden darf. Im Gegenteil heißt es im Paragraf 5: "Es ist nicht gestattet, Abraum oder Abfälle aller Art außerhalb der hierfür vorgesehenen Plätze abzulegen." Im Paragraf 11 wird das noch deutlicher: "Im Wald und auf dem Waldboden dürfen keine künstlichen Veränderungen vorgenommen werden." Gemeint sind damit vor allem Grabschmuck-Gegenstände, die inzwischen verboten sind. Erst vor wenigen Wochen hatte die Stadtverwaltung Passagen zur Grabgestaltung in einem online abrufbaren Info-Dokument ausgetauscht, ohne diese Veränderung kenntlich zu machen.

Hintergrund war der Streit um den Grabschmuck im Ruhewald, den die Stadtverwaltung erst gestattet, dann aber untersagt hat. Darüber ärgerten sich einzelne Grabpächter, die sich auf Schriftverkehr beriefen, in dem Grabschmuck erlaubt war (wir berichteten).

Jetzt der neue Ärger im Ruhewald: Duldet es die Stadt, dass Abraum von Gräben in den Wald geschüttet wird – möglicherweise noch mit Skelettresten –, während der gewöhnliche Grabpächter strikt gemaßregelt wird?

Für die privaten Vertragspartner, also die Grabpächter, sind in der Satzung des Ruhewalds klare Regeln festgehalten. In Paragraf 4 heißt es zum Beispiel: "Der Ruhewald ist ein naturnaher Laubmischwald und keine Parkanlage. Er ist zwar mit begehbaren Wegen erschlossen, aber abseits der Wege liegt eine naturnahe Beschaffenheit von Gelände und Bewuchs vor."

In Wirklichkeit sieht der Wald derzeit an einigen Stellen alles andere als naturnah aus. Wegränder sind mit Erde aufgefüllt, und auch an einigen Stellen im Wald wurde Erdreich aufgeschüttet.

Laut Auskunft der Stadtverwaltung handelt es sich dabei um Arbeiten, die mit dem Forst abgesprochen sind. Aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht seien Befestigungen der Böschungen entlang der Wege unumgänglich gewesen. Auch im Wald selbst, so berichtet die Stadt weiter, mussten Bodenabschnitte mit Löchern eingeebnet werden, um die Sicherheit der Besucher zu gewährleisten. Und nur zwei Mal sei zu diesem Zweck Erde aus abgelaufenen Gräbern zur Aufschüttung verwendet worden, weil diese bei den Arbeiten an den Gräbern ohnehin angefallen sei.

Dass Knochen in dieser Erde vorhanden sein könnten, ist laut Bestatterin Julia Friedrichson ausgeschlossen. Bei der Aushebung eines abgelaufenen Grabes werde lediglich die obere Schicht, also rund ein Meter, der Erde wiederverwendet. Der Rest der Graberde aus den tieferen Schichten (ein Grab ist zwischen zwei und zwei Meter vierzig tief), kommt wieder an Ort und Stelle zurück ins Grab, schildert Friedrichson.

In dieser Erde können aber durchaus Knochenreste enthalten sein. Das "Knochenfund-Problem" sei indes nicht neu: "Wir werden oft von Menschen angerufen, die uns über Knochenfunde auf Friedhöfen berichten", sagt Friedrichson, "doch bisher hat es sich in allen Fällen als etwas anderes herausgestellt."

Was hat es also mit dem augenscheinlichen Knochenfund in Nordstetten auf sich? Ist er inzwischen wenigstens entfernt worden? Eine Nachfrage bei der Person, die den Fund gemeldet hat, ergab gestern Morgen: "Gehen Sie hin und schauen Sie nach. Der Knochen liegt immer noch da. Ich rühre ihn nicht an."

Bei der Überprüfung vor Ort konnte unsere Redaktion den Gegenstand gestern Nachmittag tatsächlich ausfindig machen. Rein äußerlich kann kaum ein Zweifel bestehen: Es handelt sich um einen verwitterten Knochen.

Von der Polizei hat sich bisher noch niemand für den Knochen interessiert – oder die Polizisten haben ihn schlichtweg bisher nicht gefunden. Vom Präsidium Tuttlingen hieß es jedenfalls: "Bei der Polizei ist keine diesbezügliche Meldung eingegangen."

Auch die Stadtverwaltung sucht entweder nicht genau nach dem Knochen oder hat ihn ebenfalls noch nicht gefunden: "Ein Knochenfund, wie Sie ihn schildern, wurde weder bei der Stadtverwaltung noch bei der Polizei bisher angezeigt. Des Weiteren wurde bei einer Überprüfung vor Ort heute auch kein Knochen gefunden, weshalb die angeblichen Schilderungen eines Unbekannten von uns in keiner Weise überprüft werden können", hieß es bereits Anfang der Woche in einer Antwort auf eine Anfrage unserer Zeitung.

Jetzt ist der Fund zumindest fotografisch festgehalten und mit Fundort, Zeit und Koordinaten GPS-dokumentiert. Ob sich auch die Behörden dafür interessieren oder jetzt genauer suchen, bleibt abzuwarten. Vielleicht findet auch ein Tier den Knochen und trägt ihn an einen anderen Ort...