Das Thema Windkraft setzt die Gemeinderäte wortwörtlich unter Strom – doch jetzt dürfte die Leitung tot sein. Foto: Hopp

OB Rosenbergers Stimme in letzter Minute das Zünglein an der Waage. Damit kippt der Windpark Großer Hau endgültig. Mit Kommentar

Horb - Das überraschende Ende einer Sitzung: Nach viereinhalbstündiger Diskussion empfahl OB Peter Rosenberger: "Nachdem es deutlich ist, dass die Mehrheit der Gemeinderäte nicht bereit ist, den Großen Hau weiter zu planen, empfehle ich, die Klage gegen das RP für den Flächennutzungsplan abzulehnen."

Dann folgt eine brenzlige Abstimmung: 11 zu 11 Stimmen, obwohl 23 Gemeinderäte da waren. Das brachte OB Peter Rosenberger endgültig zum Umstimmen, wie er gestern dem Schwarzwälder Boten erzählt: "Für eine Klage gegen die Rechtaufsichtsbehörde sollte es einen deutlichen Rückhalt aus dem Gemeinderat geben. Außerdem hatte die Diskussion deutlich gemacht, dass die meisten eine Realisierung im Großen Hau nicht mehr anstreben. So muss man bereit sein, auch die Konsequenz zu ziehen und zu sagen: Man kann nicht mit einer Brechstange gegen den Gemeinderat und die Bevölkerung agieren. Letztlich ist mir der Frieden in der Stadt das wichtigere Gut."

Um 22.31 Uhr dann die korrekte Abstimmung: OB Peter Rosenberger hebt die Hand bei dem Vorschlag, die Klage abzuweisen. Die entscheidende 12. Stimme. Damit ist der von ihm und dem Rathaus so vehement vorangetriebene Windpark auf dem Großen Hau endgültig tot. Und das Publikum, welches hauptsächlich aus der BI Waldjuwel stammt, applaudiert.

Knapp vier Stunden lang hatten Rosenberger, Rechtsanwalt Staudacher, Stadtplaner Peter Klein und Joachim Patig fast durchgängig für eine Klage plädiert.

Rosenberger erinnerte an die Vorgschichte aus seiner Sicht: "Wir haben dem RP alles geliefert und wurden im guten Glauben gelassen, alles ist okay, und dann heißt es ätsch-bätsch." Später sagte er: "Glaubt man dem Bescheid, zählen die Richtlinien, die vorher galten, nicht. Das kann eigentlich nich sein."

Rosenberger sagt aber auch: "Wir wissen wohl, dass es eine kommunalpolitische Dimension und eine emotionale bei dem Thema gibt. Es geht nicht nur darum, Recht zu bekommen."

Joachim Patig, Fachbereichtsleiter Zentraler Steuerungsdienst: "Eine Klage macht nur Sinn, wenn der Gemeinderat auch in Zukunft einen Flächennutzungsplan für Windkraft aufstellen will. Wenn nicht geklagt wird, kann jeder einzelne Investor dort sein Windrad bauen, wo es ihm passt, wenn er die Auflagen erfüllt." Der Gemeinderat hätte damit keine Steuerungsmöglichkeit mehr.

Stadtplaner Peter Klein unterstrich noch einmal: "Der Windpark Großer Hau wurde wegen eines angeblichen Rotmilan-Dichtezentrums versagt. Fachlich können wir diese Ablehnung nicht akzeptieren. Auch die Ablehnung wegen des Landschaftsschutzgebietes ist nicht nachvollziehbar. Die von uns eingebrachte Zonierung war mit dem Regierungspräsidium vereinbart." Er spricht sich für den Klageweg aus, weil er ohne den Großen Hau nicht genügend Restfläche für Windkraft sieht, die einen neuen Flächennutzungsplan rechtfertigen würden.

Auch Rechtsanwalt Andreas Staudacher legte sich für die Klage ins Zeug: "In zehn Jahren steht die Windkraft nicht da, wo der Gemeinderat es will, sondern dort, wo es der Investor will. Dazu kommt: Die Fläche für den geplanten Windpark Großer Hau gehört der Stadt. Die Gemeinderäte können also unabhängig von einer Klage entscheiden, ob sie dort bei einem neuen Flächennutzungsplan wirklich Windkraft haben wollen."

CDU-Fraktionschef Gerhard Munding: "Das stimmt so nicht. Wenn die Stadt die Beschränkungen aufhebt, hat der Einzelne keine Narrenfreiheit. Sie können hier nicht so tun, als ob ein Einzel-Investor überall bauen kann."

SPD-Gemeinderat Dieter Rominger-Seyrich: "Die Stadt hat den Gutachter des Nabu – Jochen Walz – nicht ernst genommen. Das Regierungspräsidium sieht das enger. Unsere Entscheidung kann nicht heißen, dass wir einfach so weitermachen." Er argumentierte gegen eine Klage: "Horb ist durch den Großen Hau ziemlich gespalten. Um die klimaneutrale Kommune unter der Beteiligung der Bürger voranzubringen, können wir uns diese Spaltung aber nicht leisten."

CDU-Fraktionsvize Bronner: "Ich habe die Befürchtung, dass das RP vielleicht einige Fehler gemacht haben könnte. Aber die Aussagen der oberen Naturschutzbehörde zum Roten Milan und zum Landschaftsschutzgebiet sind so gravierend, dass das Verwaltungsgericht bei einer Klage daran nicht vorbeigehen kann."

FDP-Gemeinderat Daniel Wochner nahm den Faden von Bronner auf: "Ich frage mich, ob das Bundes-Naturschutzgesetz nicht klare Vorgaben gibt und ob die Kommune so etwas alleine abwägen darf. Sicherlich wollen wir auch einen Flächennutzungsplan, aber nur ohne Großen Hau."

Rechtsanwalt Staudachers Hauptargument für die Klage: "Sie als Gemeinderäte sollten klagen, um das Kochrezept für einen korrekten Flächennutzungsplan zu erfahren."

Doch die Gemeinderäte blieben skeptisch. Zum Beispiel Fridolin Weckerle (CDU): "Ich sehe in der Ablehnung des RPs schon Unterstellungen, dass die Stadt nicht sauber geschafft hat. Ohne Klage wird das nicht zu klären sein. Aber: Wenn wir dies tun, würde uns der soziale Unfrieden mehr an Schaden bringen als wir an Nutzen mit einem abgespeckten Windpark erhalten."

Auch Wochner (FDP) betont: "Taktisch wäre eine Klage vielleicht korrekt. Sie enthebt uns aber nicht des politischen Problems. Die Bevölkerung denkt, der Große Hau ist tot. Bei einer Klage würde der Eindruck entstehen, dass der Gemeinderat versucht, ihn so wieder zum Leben zu bringen." Auf Antrag der FD/FW die Sitzung unterbrochen wird. Um 22.20 Uhr verkündet Gemeinderat Wochner, dass die FD/FW-Fraktion "mehrheitlich gegen eine Klage" stimmen wird.

Damit, so sagen Gemeinderäte, wurde das Signal gesendet, dass die Mehrheit für die Klage nicht mehr zustande kommt.

Der Gemeinderat Empfingen, der mit vier Stimmen im entscheidenden Gremium der Verwaltungsgemeinschaft vertreten ist, hat sich gestern klar mehrheitlich für die Klage ausgesprochen. Der Gemeinderat Eutingen trifft am Montag eine Entscheidung. Da die absolute Mehrheit im Ausschuss bei den Horber Abgesandten liegt, ist die Entscheidung gefallen.

Seite 2: Kommentar - Zu spontan

Von Florian Ganswind

Das Schlusskapitel zum Windpark Großer Hau ist ein Beispiel für seltene "Spontanpolitik". OB Peter Rosenberger hat mit seiner plötzlichen Wende gegen die Windpark-Klage bewiesen, dass er ein pragmatischer Politiker ist. Seine Gegner werden ihm vorwerfen, dass er rückgratlos ist. Folgendes Bild bot sich zum Schluss: Wer Ja zur Klage sagt, der muss auch Ja zum Großen Hau sagen. Der Gemeinderat hat jedoch in großen Teilen den Windpark beerdigt. Ohne breite Mehrheit im Gremium für eine Klage wäre die Verwaltung alleine in Position gegen die Rexinger und gegen das Land gegangen. Ein langwieriger Gerichtsprozess hätte weiter für Unfrieden in der Stadt gesorgt. Der OB hat diese Situation erkannt – zu spät? Nach einer wochenlangen Debatte und einer stundenlangen Ratssitzung kommt seine Entscheidung doch etwas zu spontan.