In der Pflegestelle des Kleintiervereins bekommen die Kaninchen regelmäßig frisches Grün zum knabbern und nagen. Foto: Schülke

Tierschutzverein ist Auffangstation für Kaninchen und Meerschweinchen. Besitzer unterschätzen Aufwand.

Horb - Knuddelige, anspruchslose, günstig zu haltende Spieltiere: Bis heute hält sich das Kleintier-Klischee, und auch in Horb kommt es immer wieder vor, dass Tierfreunde zu wenig über Kaninchen, Meerschweinchen und andere Kleintiere wissen. Die Helfer vom Tierschutzverein können ein Lied davon singen.

Samstagmorgen an der Pflegestelle in einem Horber Ortsteil am Waldrand. Beatrice Buchmann, Vorsitzende des Tierschutzvereins Horb (TSV), und Jaqueline Dießner, Tierschutzberaterin beim TSV, zeigen ihre Pflegetiere, die neugierig schnuppernd in dem geräumigen, gut geschützten Gehege herumhoppeln. Mit Wonne knabbern die grauen Kaninchen an frischen Haselnusszweigen, laufen durchs Gehege, springen, machen Männchen. Dießner: "Das macht ihnen viel mehr Freude, als in einem oft zu kleinen Käfig vor sich hin zu vegetieren." So wie viele Kaninchen, die als Streicheltiere für Kinder gekauft wurden. Irgendwann lässt das Interesse nach, das Tier wird zur Belastung – und landet bei Tierschützern.

Schützlinge brauchen täglich Auslauf

Die Frauen und Männer vom Horber TSV helfen gerne, obwohl es nicht einfach ist. Der Verein hat kein Tierheim und muss geeignete Pflegestellen erst einmal bereit stellen – auch für Kleintiere. Entgegen der landläufigen Meinung reichen ein paar Holzverschläge nicht. Kaninchen und Meerschweinchen brauchen einen geräumigen Stall und sollten täglich Auslauf bekommen.

Insgesamt elf Kaninchen und vier Meerschweinchen warten derzeit auf ihre Vermittlung. Zwei der Meerschweinchen-Böckchen wurden erst kürzlich kastriert und müssen noch etwas warten bis sie vermittelt werden können.

Kastration? Da denkt man doch eher an wild lebende Katzen, für die sich die Horber Tierschützer immer wieder einsetzen. Der Eingriff, der unerwünschten Nachwuchs vermeidet, ist aber auch bei kleinen Tieren angesagt. "Bei Kaninchen kostet er sogar noch mehr als bei Katzen", berichtet Dießner. Überhaupt: Ein krankes Kaninchen kann Tierarztkosten in vierstelliger Höhe verursachen, sagt Buchmann. Und: Kaninchen können durchaus mal zwölf Jahre alt werden! Das Futter ist auch nicht so billig, wie manch einer glaubt. Die Tiere sind zwar Veganer, aber das Heu und vor allem im Winter abwechslungsreiches Gemüse haben ihren Preis.

Hohe Kosten

Auch auf die Tierschützer kommen hohe Kosten zu, falls sich die Zahl der Kleintier-Pflegefälle erhöht. Dieser Trend zeichnet sich derzeit ab. Wurden im vergangenen Jahr neun Kleintiere betreut, sind es in diesem Jahr bereits 15. Die Unterbringung ist nicht nur wie bereits erwähnt eine Platzfrage. "Kaninchen und Meerschweinchen sollten nicht als Partner gehalten werden, denn sie vertragen sich nicht", sagt Beatrice Buchmann und bringt damit eine weitere Tierhalter-Unsitte ans Licht: das Streichelzoo-ähnliche gemischte Gehege. "Dabei ist längst bekannt, dass beide Tierarten Stress empfinden, wenn sie gemeinsam gehalten werden." Also muss der TSV Horb auch bei der Pflege die Kaninchen und die Schweinchen auseinanderhalten. Es ist nicht einmal möglich, alle Meerschweinchen zusammen unterzubringen. "Zwei nicht kastrierte Böckchen, die schon jahrelang harmonische zusammenleben, können plötzlich in arge Konkurrenzkämpfe ausbrechen, wenn sie Kontakt mit einem Weibchen haben", so Buchmann.

In der derzeitigen Pflegestelle gibt es deshalb zwei getrennte Unterbringungen für Meerschweinchen. In einem Käfig lebt das Pärchen "Cindy und Bert" und in dem anderen die zwei frisch kastrierten Böckchen "Max und Moritz".

Zu Kämpfen kann es auch unter nicht kastrierten Kaninchen kommen. Der Umgang mit Pflegetieren ist also alles andere als einfach. Buchmann erläutert: "Einige Tiere wurden einzeln gehalten, bevor sie zu uns kamen. Das heißt, sie sind nicht gleich gruppentauglich, weil sie es nie von Artgenossen gelernt haben. Wir sind schon drei Stunden vor den Käfigen und Gehegen gesessen und haben nur beobachtet, bis wir wussten, wer zu wem passt."

Tatsächlich ist es eine Art tierische Partnervermittlung, die der TSV Horb hier aus reiner Tierliebe leistet. Auch der neue Halter muss aufpassen. Falls er bereits Kaninchen oder Meerschweinchen hat, kommt mit einem adoptierten Tier quasi die "Integrationsfrage".

Vorträge zur Tierhaltung

Auch in eine Familie muss sich ein Tier erst einmal gut einfügen. Zusammen mit dem Familienzentrum wollen die Horber Tierschützer zwei Vorträge zu den Themen "Welches Tier für (welche) Kinder" und "Der Hund, mein bester Freund" anbieten. Bei dieser Frage tauchen nämlich weitere Missverständnisse auf. Weder Kaninchen noch Meerschweinchen sind "Knuddeltiere", beide sind für Kinder nur beschränkt geeignet. Buchmann nennt ein Beispiel: "Wenn ein Meerschweinchen auf den Arm genommen und gestreichelt wird und sich dabei ruhig verhält und vielleicht sogar Töne von sich gibt, heißt das noch lange nicht, dass das Tier die Situation genießt." Ganz im Gegenteil, der kleine Nager steht in solchen Momenten unter Stress und signalisiert dem Halter, dass er aufhören soll. Besonders bei Kaninchen ist das "Knuddeln" aber heute noch gang und gäbe: "Kaninhopps", bei denen die Tiere an einer Leine über Hindernisse geführt werden, sowie Streichelaktionen an Vereins- oder Stadtfesten sind in der Region alltäglich. "Ich habe schon Aktionen gesehen, da durften die Kinder praktisch alles mit den Kaninchen machen. Es sollte mindestens eine Aufsichtsperson da sein, und die Tiere sollten nur beobachtet und den Kindern erklärt werden", so Buchmann.

Kein Wunder, dass einige private Kaninchenhalter an Grenzen stoßen. "Wenn es Probleme gibt, helfen wir weiter. Wir finden immer eine Lösung", sagt Buchmann, die sich über die gute Zusammenarbeit mit benachbarten Tierschutzvereinen Böblingen, Reutlingen und Pforzheim freut. Diese hatten in einem vergangenen Fall geholfen kurzfristig über 20 Kaninchen unterzubringen.

Der TSV Horb bietet die Möglichkeit, mehr über Kleintiere zu erfahren, zum Beispiel bei den Stammtischen im Gasthaus Schiff, die jeden ersten Montag im Monat ab 20 Uhr stattfinden. Auch Patenschaften sind möglich, wenn auch nicht für einzelne Tiere.

Weitere Informationen: www.tierschutzbund.de (der Tierschutzbund bietet Broschüren mit detaillierten Hinweisen an)