In einer am Karfreitag erneut ausgestrahlten Fernsehdokumentation über das Zeitalter der Reformation im Südwesten, die vom SWR im Lutherjahr 2017 produziert worden ist, findet Sebastian Lotzer von Horb mit Blick auf die Zwölf Artikel keinerlei Erwähnung.Foto: wikipedia Foto: Schwarzwälder Bote

Geschichte: Die Wiederholung einer Fernsehsendung des SWR sorgt nicht nur in Horb für Verwunderung

Nachdem Joachim Lipp am Karfreitagmorgen in der Mediathek des SWR Fernsehen die 90-minütige Sendung "Das Zeitalter der Reformation im Südwesten" angeschaut hatte, war er ziemlich erstaunt, dass sich unter den vorgestellten Personen nicht auch Sebastian Lotzer von Horb befunden hat.

Horb. Horbs verlorener Sohn fand wieder einmal, als im Film der Bauernkrieg thematisiert wurde, keinerlei Erwähnung.

Die Programminformation des SWR titelte über diese Dokumentation: "Als Martin Luther im Oktober 1517 seine 95 Thesen gegen den Ablassmissbrauch veröffentlicht, ahnt er nicht, dass dies die Welt verändern würde. Am Ende wird nichts mehr sein, wie es war. Im Zeitalter der Reformation und der Renaissance verändert sich alles: die Religion, die Wissenschaft, die Kunst und der Alltag der Menschen."

Der ehemalige Förster Walter Trefz, der auf den Höhen des Kniebis zu der Erkenntnis gekommen ist, dass die Freudenstädter über eine nur wenig bemerkenswerte Geschichte verfügen und die Horber nur wenig mit ihrer bemerkenswerteren Geschichte anfangen, machte Lipp gleich nach Sendungsschluss auf die filmische Dokumentation aufmerksam und wunderte sich gleichfalls darüber, dass in der sonst sehr interessant gemachten Fernsehsendung Sebastian Lotzer unter den vorgestellten Männern aus dem Südwesten keinerlei Würdigung erfahren hat.

Auf einer Karte von 1507 nimmt Horb eine hohe Stellung ein

Es war die Rede von dem aus der Nähe von Freiburg stammenden Martin Waldseemüller, der 1507 die erste Weltkarte erstellt hat. Mit der "Tabula Moderna Germanie" schuf Waldseemüller sechs Jahre später eine sehr detaillierte, frühe Holzschnittkarte von Deutschland. Dieser Karte konnte man bereits vor mehr als 500 Jahren entnehmen, dass Horb nicht im Schwarzwald liegt. Für die damalige Bedeutung von Horb spricht der Umstand, dass man auf dieser Karte entlang des Neckars nur die freie Reichsstadt Rottweil, die noch junge Universitätsstadt Tübingen, die freie Reichsstadt Esslingen, Cannstatt, die freie Reichsstadt Heilbronn, die einstige Kaiserpfalz Wimpfen sowie die pfälzischen Residenzen Mosbach und Heidelberg findet.

Aufgrund von Waldmüllers Kartenwerk, auf der die Landmassen im Westen mit dem Namen "America" bezeichnet wurden, machte sich der in der Nähe von Ulm geborene schwäbische Konquistador Ambrosius Ehinger 1531 im Auftrag der Augsburger Patrizierfamilie Welser in Venezuela auf die Suche nach dem sagenhaften Eldorado.

Ebenso war in der Sendung die Rede von dem aus Bretten stammenden Philipp Melanchton, der neben Martin Luther der wichtigste kirchenpolitische Akteur und theologische Autor der Wittenberger Reformation war. Auch der in Weil der Stadt geborene Johannes Brenz wurde filmisch vorgestellt, der als Reformator der Reichsstadt Schwäbisch Hall zum Reformator des Herzogtums Württemberg werden sollte.

Bei der Thematisierung des Bauernkriegs wurde die Bronzestatue des Huldrich Schmid gezeigt, dessen Denkmal sich mitten im Dorfkern von Sulmingen findet. Der Hauptmann des Baltringer Haufens war bei seiner Suche im evangelischen Memmingen nach Beratern für die Anliegen der Bauern auf Sebastian Lotzer von Horb aufmerksam geworden. Als Feldschreiber des Baltringer Haufens beteiligte sich Lotzer im März 1525 federführend an der Abfassung der Zwölf Artikel sowie der Bundesordnung der Christlichen Vereinigung.

In besagter Fernsehsendung bekommt man mit Blick in die einstige Zunftstube der Memminger Kramerzunft aber Folgendes zu hören: "… und das ist das erstaunliche Ergebnis: Eine Schrift mit zwölf Artikeln …maßgeblich daran beteiligt der Schmied von Sulmingen und Wendel Hipler aus Heilbronn, ein Schriftkundiger, den die Bauern zu ihrem Anwalt gemacht hatten." Da blieb Lipp förmlich die Spucke weg. Man darf sogar daran zweifeln, dass sich die beiden, wie im Film, jemals zu Lebzeiten getroffen haben.

Lipps Recherche ergab, dass die Erstausstrahlung dieser Dokumentation als 45-minütiger Zweiteiler im Herbst des Lutherjahres 2017 erfolgte. Es handelt sich um eine Produktion des Südwestrundfunks, die Peter Prestel, Absolvent der Hochschule für Fernsehen und Film in München, als Autor, Regisseur und Produzent für die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt realisiert hat.

Grafschaft Hohenberg als literarisches Zentrum der Reformation?

Der Sitz der Peter Prestel Filmproduktion GmbH & Co. KG, die schon rund 200 Filmbeiträge mit einem thematischen Schwerpunkt in den Bereichen Wissenschaft, Kultur, Geschichte und Archäologie geschaffen hat, findet sich im bayerischen Eichstätt, wo Sebastian Lotzer sehr wahrscheinlich zu den völlig unbekannten Lokalgrößen zählt. Auch bekam der aus Kiel stammende Fernsehmoderator Dennis Wilms von dem aus Niederbayern stammenden Historiker Rudolf Schlögl, der an der Universität Konstanz eine Professur für Frühe Neuzeit innehat, zum Thema Bauernkrieg offenbar keinen Hinweis auf Sebastian Lotzer.

Jedenfalls zählt Sebastian Lotzer von Horb beim SWR, der gerade mit Blick auf das 500-jährige Jubiläum von Luthers Auftritt beim Wormser Reichstag nochmals Sendungen aus dem Lutherjahr 2017 ins Programm nimmt, immer noch zu den großen Unbekannten der Reformationszeit. Dabei erscheint die schwäbisch-österreichische Grafschaft Hohenberg mit den Städten Rottenburg und Horb geradezu als Gravitationszentrum der literarischen Reformation in Schwaben.

Auch dazu hat Sebastian Lotzer mit seinen ersten beiden Handwerkerflugschriften ein gerüttelt Maß beigetragen. Über diesen bedauernswerten Umstand sollte man sich in den Chefetagen der Stadt Horb sowie im Landratsamt Freudenstadt vielleicht doch einmal Gedanken machen.