In Empfingen musste 1940 ein französischer Jagdbomber notlanden.Foto: ri Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg, Teil 1: Der Brief von Katharina Rebmann

Empfingen. Vor 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Die Empfingerin Katharina Rebmann beschreibt in einem Brief im November 1945, was die Menschen in Empfingen und Umgebung in den Kriegsjahren erlebten. Auszüge aus ihrem Brief in chronologischer Reihenfolge:

 

September 11943

Im September 1943 sahen auf dem Feld arbeitende Frauen und Kinder über den hinteren Fichtenwäldern zwei bis drei Fallschirme. Die beiden Frauen suchten mit ihrem Fuhrwerk Schutz im Wald. Die zwei Mädchen liefen schnell Heim auf das Bürgermeisteramt und meldeten ihre Beobachtungen. Soldaten von der Kaserne in Horb wurden alamiert. Wie die Aktion weiter verlief, ist mir nicht bekannt. Am gleichen Tag wurden beim Fischinger Weg Bomben abgeworfen und zwar außerhalb vom Feldkreuz, bei der jetzigen Kreuzung Berken-Fischingerweg, zwei Bomben auf der rechten Seite und drei links. Die Trichter wurden vom Arbeitsdienst eingeebnet. Siebenmal fielen auf der Gemarkung Empfingen mehrere Bomben.

September 1944

Seit September 1944 machte sich der Krieg in unserer Gegend sehr bemerkbar.Tag für Tag flogen schwere Bomberverbände zu jeder Tageszeit über uns weg. Wenn auch diese Verbände uns soweit in Ruhe ließen, so brachten die bekannten Jabos (Jagdbomber) genug Aufregung unter das Volk. Schon in aller Frühe um 5 Uhr, wenn ich morgens zur Bahn ging, flirrten sie in der Gegend herum. Die Uhr war auch um eine Stunde vorgestellt, wann war sie um zwei Stunden vorgestellt? Schon hatte man die Sorge, gelangt man noch bei Tagesanbruch an die Arbeitsstätte, denn bei Tage konnte ja kein Zug mehr fahren. Er war eine Beute der Jabos, die sich wie Habichte auf ihre Opfer herabstürzten.

Manchmal fuhr der Zug nur bis Sulz und zwar in den Tunnel, von dort aus sind wir dann nach Oberndorf gelaufen und bei Angriffen der Jabos schnell in den Wald oder Straßengraben. Auch auf freier Strecke von Sulz nach Oberndorf hat der Frühzug öfters angehalten, alles raus, manchmal fuhr er nach gewisser Zeit wieder weiter, oder man ist zu Fuß wie oben erwähnt nach Oberndorf gelaufen.

Die Fenster vom Zug waren größtenteils mit Brettern vernagelt. Gelangte man dann Tag für Tag mit einer zwei- bis dreistündigen Verspätung in Oberndorf an, so durften wir gleich wieder die Stollen aufsuchen. Entweder verbrachte man die Arbeitszeit von ungefähr 9 bis 6 Uhr im Stollen an einem Stück, oder man hatte das Vergnügen, zwölfmal in den Stollen zu springen pro Tag. Die zwei- bis dreistündige Verspätung zur Arbeit wurde korrekt vom Lohn abgezogen.

Herbst 1944

Man hörte bereits im Herbst 1944 während der Kartoffelernte den Kanonendonner von Straßburg her. Wir wunderten uns auch, warum die Jabos öfter die Hohenzollerische Landesbahn angriffen. Wir wussten ja nichts von dem Atomkeller unter der Schlosskirche. Am 28. September 1944 erfolgte wieder ein Fliegerangriff auf den Personenzug der Landesbahn abends um 18.30 Uhr auf der Strecke Hart-Stetten in der Nähe vom weißen Kreuz. Zehn Personen wurden dabei getötet oder sind ihren Verletzungen erlegen. Das Flugzeug hatte den von Hart kommenden Zug von hinten her kurz vor der Höhe angegriffen, mit Maschinengewehren beschossen, dadurch auch die vielen Bauchschüsse. Die Lokomotive wurde durch Beschuss beschädigt und kam durch Rohrbruch zum stehen.

November 1944

Von November 1944 an war in den unteren Schulsälen die Feldpost der deutschen Wehrmacht. Oft wurde der Unterricht durch Fliegeralarm unterbrochen. Bürgermeister Raible kam dann in die Klassenzimmer und gab Warnung. Nach der Einnahme von Empfingen waren französische Soldaten in allen Schulzimmern untergebracht. Im Laufe des Sommers wurden die oberen Schulzimmer frei, aber der Unterricht war infolge Lehrermangels sehr eingeschränkt. Oft waren vier Klassen in einem Raum, es wurden dann zusätzlich Bänke aufgestellt.

April 1945

Am Montag, 15. April 1945, warteten die Fahrgäste vergeblich auf den Frühzug. Am 16. April wurde Freudenstadt eingenommen und am 17. April wurde von den französischen Truppen mehrfach Feuer gelegt. Am nächtlichen Himmel sah man von hier den Feuerschein. Am 17. April fiel bereits Horb. Im deutschen Wehrmachtsbericht hörten die von Empfingen zur Wehrmacht eingezogenen Soldaten schwere Kämpfe um Horb. Tage vorher fuhren Rotes-Kreuz-Kolonnen von Freudenstadt durch Empfingen gegen Osten.

Am 19. April gingen die Leute noch Kartoffel stecken. Sie waren der Meinung, dass wenigstens die Saatkartoffel gerettet sind, wenn es zu größeren Kämpfen kommen sollte. Haushaltungsgegenstände und möglichst haltbare Lebensmittel, Speck, Dosen, Saftflaschen und auch Textilien wurden vergraben, sowie Schmuck, soweit vorhanden. Der Volkssturm, das waren wehrfähige Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren, wurde alarmiert. Sie mussten Tage vorher hauptsächlich bei Nacht entlang den Hauptstraßen und an Waldrändern Schützen-Laufgräben ausheben sowie im Bolzgraben und Isenburgertal Panzersperren errichten.

Wie viele Panzer bei der Einnahme von Empfingen eingesetzt waren, konnte nicht genau festgestellt werden, weil die Einwohner aus lauter Angst sich versteckten. Nachdem keine Schüsse gehört wurden, wagten sich einige Einwohner von Empfingen mit erhobenen Händen vor die Häuser. Die französischen Soldaten gingen durch alle Straßen, hatten die Maschinengewehre im Anschlag und fragten: Nix Soldat?

Die letzten Tage

Am 20. und 21. April waren alle Geschäfte geschlossen. Die Stromversorgung war unterbrochen und der Hochdruck hatte kein Wasser. Das ganze Wasser für Haushalt und Vieh und für die kampierenden französischen Soldaten musste mit Bottichen auf Wägelchen und mit Eimern geholt werden.

Die Dettenseer Straße hatte den Löwenbrunnen. Die Horber Straße musste das Wasser ganz am Kirchenbrunnen oder Rathausbrunnen holen. Man hat auch teilweise das Wasser in den niederliegenden Häuser geholt, aber man war nicht immer willkommen. Selbstverständlich hat man das ganze Regenwasser gesammelt, wenigstens für das Vieh und zum waschen. Die Bewohner von der Mühlheimer Straße holten das Wasser am Brunnen, beim jetzigen Telefonhäusle oder am Gloraloch.

Nach zehn Tagen wurde der Strom stundenweise eingeschaltet. Als Beleuchtung hatte man Kerzen und für den Stall ein Erdölepele. Es war anfangs gar nicht schlecht, kein Licht zu haben, denn beim kleinsten Kerzenschein klopften die französischen Soldaten an die Haustür und wollten irgendwas .

Bürgermeister Raible wurde noch im Mai durch die Militärregierung abgesetzt. Bis September 1945 war Alt-Bürgermeister Fidel Brendel im Amt. Gleichzeitig war 14 Tage lang ein fremder Herr (der mit der roten Krawatte) auf dem Bürgermeisteramt. Ausgangs September wurde Alfons Hipp ebenfalls von der Militärregierung als Bürgermeister eingesetzt.

Auch der alte Gemeinderat und Ortsbauernführer wurden des Amtes enthoben. Ein neuer Gemeinderat wurde auf Vorschlag auf das Amt berufen. Auch ein Kommunist war dabei. Eine Gemeinderatswahl folgte erst später.

Nach Kriegsende

Jeder Deutsche ab dem 14. Lebensjahr musste im Besitz einer Kennkarte mit Bild in französischer Sprache sein. Wer ohne diese von den Militärstreifen angetroffen wurde, musste 50 Reichsmark Strafe zahlen oder wurde zu Arrest verurteilt.

Die Arbeiten auf dem Bürgermeisteramt wurden von der Militärregierung sowie der Zivilverwaltung angeordnet. Gewisse Briefe beziehungsweise Genehmigungen waren in französischer Sprache. Jüngere Leute interessierten sich auch für die privaten Sprachkurse in französischer Sprache.

Die Post wurde erst am 28. Mai 1945 zugelassen und zwar in beschränkten Maßen. Es wurden nur Briefe an Behörden, an das Landrats- oder Bürgermeisteramt und Pfarrer befördert, und zwar durch Kuriere per Fuß, Anfang 1946 per Fahrrad.