Zunächst bleibt der Bahnsprecher am Freitagmittag zurückhaltend. Man ermittle in alle Richtungen und müsse nun zunächst die Ermittlungsergebnisse ausarbeiten. Doch am Nachmittag kristallisiert sich heraus: Ein Bahnmitarbeiter könnte den Zugunfall verursacht haben. Doch in welcher Funktion dieser Mitarbeiter tätig ist, wurde bisher noch nicht bekannt gegeben.
Anschlag auf Bahn wird nicht angenommen
"Es gibt einen Anfangsverdacht", erklärt Frank Grundke, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Rottweil, auf Anfrage unserer Zeitung. Der Vorwurf: Gefährdung des Bahnverkehrs gemäß § 315 a. Das liegt zum Beispiel vor, wenn der Zugführer alkoholisiert oder unter Drogen fährt. Oder wenn "der Führer eines solchen Fahrzeugs oder als sonst für die Sicherheit Verantwortlicher durch grob pflichtwidriges Verhalten gegen Rechtsvorschriften zur Sicherung" des Zugs verstößt.
Grundke bestätigt: Dieser Anfangsverdacht richte sich gegen einen Mitarbeiter der Bahn und nicht gegen eine "Person von außen". Das heißt: Ein externer Anschlag auf den Zug wird nicht angenommen. Und auch technisches Versagen, beispielsweise ein Materialfehler an der Weiche oder an einem Zug-Rad, ist bisher nicht im Fokus.
Wie gefährlich die Situation gewesen ist, macht Dieter Hutt, Pressesprecher der Bundespolizei in Offenburg, klar. "Wäre der Zug schneller gewesen, wäre es möglicherweise nicht so glimpflich ausgegangen. In anderen Fällen mit höherer Geschwindigkeit hat es Verletzte oder sogar Tote gegeben." An dieser Stelle würden andere Züge durchaus schneller fahren. Der IC 2382 fuhr dagegen recht langsam. Deshalb sei auch kein Waggon umgekippt. Hutt lobt die reibungslose Evakuierung der Fahrgäste. "Das Zusammenspiel am Einsatzort hat hervorragend funktioniert."
Waggons werden wieder aufgerichtet
Die Bergungsarbeiten dauerten den ganzen Tag über an. Zunächst war laut Notfallmanager der Deutschen Bahn überlegt worden, ob ein Kran zum Einsatz kommen müsste. "Da hätten wir aber secheinhalb Stunden warten müssen, bis der Kran bei uns eingetroffen wäre." Deshalb griff man auf einem Einsatzzug der Notfalltechnik zurück. "Mittels Hydraulik sollen die beiden Waggons wieder aufs Gleis gehoben werden", so der Bahnsprecher vor Ort. Danach müsse untersucht werden, ob das Gleisbett und die Oberleitung zu Schaden gekommen seien.
Bis zum Nachmittag konnten Züge auf dem noch freien Gleis in Horb an- und abfahren. Am Nachmittag meldete die Bundespolizei: "Im Zuge dieser Arbeiten wird voraussichtlich bis 20 Uhr der Strom auf der Oberleitung abgeschaltet. Für die davon betroffene Zugstrecke zwischen Eutingen im Gäu und Sulz am Neckar wurde seitens der DB ein Busnotverkehr eingerichtet."
Am späten Nachmittag hatte es das Notfall-Team geschafft. Der Zug konnte wieder aufs Gleis gebracht werden. Wie stark die Schäden sind und ob es noch zu weiteren Beeinträchtigungen des Zugverkehrs kommen würde, war bis Redaktionsschluss nicht mehr zu erfahren. Um 19 Uhr antwortete die Deutsche Bahn einem Reisenden auf Twitter: "Leider kommt es im Bahnhof Horb (Neckar) weiterhin zu Beeinträchtigungen. Es tut mir leid, dass Sie davon betroffen sind."
Bei Bahngästen herrschte zum Teil Verärgerung. "Wegen eines Unfalls gestern in #Horb stehen wir heute in Rottweil rum. Ihr hattet echt ausreichend Zeit, passende Busse zu organisieren! Was ’ne Dienstleistung ist, wisst ihr nicht", kritisierte eine Reisende auf Twitter. Der Schweizer Pfarrer und EVP-Politiker Lutz Fischer-Lamprecht schrieb ebenfalls auf Twitter: "Schienenersatzverkehr bis Sulz, Großraumtaxis, die nicht für alle reichen. Wer zahlt jetzt die Opernkarten in Zürich, die für die Katz sind?"
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