Der dritte Artikel fordert die Abschaffung der Leibeigenschaft. Die Freiheit und menschliche Würde ist das erste und elementare Menschenrecht und wird von Sebastian Lotzer gleich dreifach begründet. Foto: Kultur- und Museumsverein Foto: Schwarzwälder Bote

Geschichte: Die Zwölf Artikel des Sebastian Lotzer werden im Original und in der Übertragung vorgestellt

Horb. Das Projekt Zukunft, die Katholische Erwachsenenbildung Freudenstadt, die Kreisvolkshochschule Freudenstadt und der Kultur- und Museumsverein laden für Mittwoch, 23. Oktober, 19.30 Uhr, zur dritten gemeinschaftlichen Weckrufveranstaltung in den Theatersaal des Klosters, Marktplatz 28, die Horbs verlorenem Sohn Sebastian Lotzer gewidmet ist.

Peter Binder, Sprecher und Moderator aus dem SWR-Studio Tübingen, und Joachim Lipp stellen in Wort und Bild die Zwölf Artikel des Sebastian Lotzer von Horb sowohl im Original nach dem von Melchior Ramminger 1525 bewerkstelligten Erstdruck als auch in der neuhochdeutschen Übertragung von Heide Ruszat-Ewig vor.

Mit der dritten Weckrufveranstaltung soll weiter darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Wiege der Menschen- und Freiheitsrechte sozusagen in Horb lag. Bislang ist Sebastian Lotzer aber trotz der Bemühungen des Kultur- und Museumsvereins immer noch der verlorene Sohn der Stadt Horb geblieben. Mit Lotzer, der um 1490 das Licht der Welt in Horb erblickt hat, verfügt die Stadt allerdings über einen großen Sohn, der mit den Zwölf Artikeln ein Monument deutscher Freiheitsgeschichte geschaffen hat, das in sechs Jahren seinen 500. Geburtstag feiern kann.

Nachdem im Januar 1525 in Memmingen die Reformation unter maßgeblicher Beteiligung von Christoph Schappeler und Sebastian Lotzer eingeführt worden war, bildete diese freie Reichsstadt das erste evangelische Gemeinwesen im süddeutschen Raum. Im darauffolgenden Monat sammelten sich zwischen Donau, Bodensee und Iller die unterdrückten Bauern und begannen sich im Baltringer Haufen, im Allgäuer Haufen und im Seehaufen zu organisieren. In der frühen Neuzeit bezeichnete man mit Haufen eine schwach organisierte paramilitärische Truppe.

Sebastian Lotzer, der in die Familie des Memminger Kramers Weigelin eingeheiratet hatte, war mit den Beschwerden der Bauernschaft gut vertraut, denn er schrieb Ende Februar für die Bauern der zur Reichsstadt Memmingen gehörigen Dörfer zehn Beschwerdeartikel als Eingabe an den Stadtrat. Aus diesem Grunde wurde Huldrich Schmid von Sulmingen, der als Hauptmann des Baltringer Haufens im evangelischen Memmingen nach Beratern für die Sache der Bauern suchte, auf Lotzer aufmerksam.

Im März 1525 tagte zum ersten Male ein Bauernparlament in der Stube der Kramerzunft am Memminger Weinmarkt. Schon der Ort der Zusammenkunft verrät die ordnende Hand des seit wenigen Tagen amtierenden Feldschreibers Sebastian Lotzer. Während nach Meinung der Vertreter des Baltringer Haufens für die weiterhin friedlichen Verhandlungen mit der Obrigkeit das Wort Gottes als einziger Maßstab gelten sollte, pochten die Vertreter des Allgäuer Haufens und des Seehaufens in einer hitzigen Debatte auf die sofortige Anwendung von Gewalt. Ob diesem Vorhaben standen Schmid und Lotzer "hoch betrubt und mit wainenden ogen" in der Stube der Kramerzunft.

Die Vertreter des Baltringer Haufens setzten sich letztlich durch und es gelang die Einung der drei Bauernhaufen, die sich zur Christlichen Vereinigung zusammenschlossen und sich eine Bundes- und Landesordnung gaben, an deren Abfassung Sebastian Lotzer wiederum federführend beteiligt war. Nach internen Beratungen in den einzelnen Bauernhaufen erfolgte während des Memminger Bundestages die Annahme der von Sebastian Lotzer verfassten Zwölf Artikel, die am 21. März 1525 erstmals in Augsburg im Druck erschienen.

Bislang sind insgesamt 28 Druckauflagen der Zwölf Artikel bekannt, die sich in Windeseile über ganz Mitteleuropa verbreiteten. Sie dienten den aufständischen Bauern als Grundlage für ihre Forderungen, mit ihnen setzte sich Martin Luther in seiner „Ermahnung zum Frieden auf die Zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben“ auseinander und über sie diskutierten die Reichsstände noch 1526 auf dem Reichstag in Speyer.

Der im Evangelium begründete Freiheitsbegriff der Zwölf Artikel findet sich mehr als ein Vierteljahrtausend später in den Schlagworten der Französischen Revolution wieder: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Deshalb gelten die Zwölf Artikel als Meilenstein in der Geschichte der Menschen- und Freiheitsrechte und stellen einen herausragenden Bezugspunkt für die politische Traditionsbildung in der Bundesrepublik Deutschland dar. Zur Veranstaltung ist jedermann recht herzlich eingeladen, der Eintritt ist frei.