Jo achim Lipp und Heinrich Raible vom Horber Kultur- und Museumsverein übergeben an Agnes Maier, Kustodin des Berthold-Auerbach-Museums in Nordstetten, ein Porträt von Berthold Auerbach sowie ein Autograph des Nordstetter Schriftstellers, der einst fast eine Weltberühmtheit war. Foto: Kultur- und Museumsverein Foto: Schwarzwälder Bote

Geschichte: Kultur- und Museumsverein übergibt ein Autograph an das Berthold-Auerbach-Museum

Horb. Eine Art vorgezogenes Weihnachtsgeschenk erhielt Agnes Maier, Kustodin des Berthold-Auerbach-Museums im Nordstetter Schloss, aus den Händen der beiden Kultur- und Museumsvereinsvorsitzenden Joachim Lipp und Heinrich Raible. Die beiden übergaben ein Porträt des in Nordstetten geborenen Schriftstellers, das im "Jahrbuch der Ereignisse" 1857 veröffentlicht wurde, sowie einen eigenhändig geschriebenen vierseitigen Brief mit Unterschrift, den Berthold Auerbach am 15. März 1878 an seinen Freund Heinrich Hohenemser geschickt hat.

Über Auerbachs Nachkommen ist wenig bekannt

Wi e es sich für den wohl inter national bekanntesten deutschen Erzähler des 19. Jahrhunderts ziemte, verfügte Berthold Auerbach (1812 – 1882) über ein besonderes Briefpapier im Oktavformat, auf das seine Initialen "B.A." geprägt waren. Mit diesem Brief, der an seinen Freund Heinrich Hohenemser (1834 – 1894) gerichtet war, gab der Schriftsteller, der einst fast eine Weltberühmtheit war, eine empfehlende Stellensuche für seinen im Jahr 1855 geborenen Sohn Rudolph ab, der aus Auerbachs zweiter Ehe mit Nina Landesmann (1824 – 1900) stammte.

Der in Mannheim geborene Bankier Heinrich Hohenemser war als Aufsichtsratsmitglied der Internationalen Bankgesellschaft, des Vereins deutscher Ölfabriken und der Aktiengesellschaft für Holzgewinnung ein Sympathisant der Bewegung "Freiland", deren reformerische Idee "Überfluss und Muße für alle" in einem wettbewerblichen Gemeinwesen versprach. Hohenemser zählte 1871 in Frankfurt am Main zu den Gründungsmitgliedern der Deutschen Vereinsbank, deren Direktor beziehungsweise Aufsichtsratsmitglied er bis 1889 blieb.

Hohenemser war der Schwiegersohn von Julius Löwengard (1815 – 1877), den Berthold Auerbach in diesem Brief als "unvergeßlichen treuen Freund" bezeichnete. Löwengard gehörte zu den Mitbegründern der Feuerversicherungsgesellschaft Deutscher Phönix, die seit 1845 in Frankfurt am Main residierte. Er wurde im Jahr darauf Direktor dieser viertgrößten deutschen Versicherungsgesellschaft, die 1923 im Gefolge der Inflation von der 1890 gegründeten Allianz übernommen wurde. Ein Schild der Phönix-Versicherung findet sich auf einem der bekanntesten Bilder des Malers Carl Spitzweg (1808 – 1885), das er 1860 unter dem Titel "Der abgefangene Liebesbrief" geschaffen hat.

Berthold Auerbachs Sohn Rudolph hatte wohl eine höhere Schule besucht, denn er konnte seinen Militärdienst in der preußischen Armee im lothringischen Metz als einjährig Freiwilliger ableisten. Bei den einjährig Freiwilligen handelte es sich um Wehrpflichtige mit höherem Schulabschluss, die nach freiwilliger Meldung ihren Wehrdienst ableisteten. Der einjährig Freiwillige musste im Rahmen seiner Bewerbung die Erklärung seines Vormundes beifügen, wonach dieser für die nicht unerheblichen Kosten von Kleidung, Ausrüstung und Unterhalt selbst aufkam. Dafür betrug die Wehrdienstzeit lediglich ein Jahr, während ein normaler Wehrpflichtiger drei Jahre ableisten musste.

Der zweiundzwanzigjährige Rudolph Auerbach erhielt "unter Schutz und Fürsorge" des zwischenzeitlich verstorbenen Julius Löwengard nach einjährigem Militärdienst im April 1878 eine Anstellung bei Müller und Hermes, einer Berliner Filiale des Deutschen Phönix. Sein Vater schilderte ihn in diesem Brief als schriftgewandten, arbeitsfrohen Menschen von gutem Ansehen und gewandten Formen, der dank eines Aufenthaltes in Paris "meisterlich französisch" sprechen konnte.

Berthold Auerbach versuchte mit dem Schreiben, seinen Sohn ohne dessen Wissen zu protegieren. Er bat Hohenemser um die "Förderung" seines Sohnes und legte diesem als "Freundeserbe ans Herz", Rudolph auf eine entsprechende Stelle "bei der Generaldirection oder wo sonst" hinzuweisen. Auerbach scheint mit seinem Schreiben Erfolg gehabt zu haben, denn am Ende vermerkte der Adressat unter Auerbachs Unterschrift, dass er bereits drei Tage nach Erhalt des Briefs mit Karl Lämmerhirt, dem neuen Direktor des Deutschen Phönix, gesprochen hat.

Für Agnes Maier, Kustodin des Literaturmuseums, und Irene Vogel vom Auerbach-Literaturkreis ist das Autograph von großer Bedeutung, denn über die Nachkommenschaft des einst so berühmten Schriftstellers Berthold Auerbach weiß man nur sehr wenig. Lediglich das Schicksal von Sohn Eugen (1852 – 1922) und dessen Nachkommen, die heute in Bad Honnef leben, ist bekannt, während man von den Söhnen August und Rudolph sowie von der Tochter Ottilie eigentlich nicht mehr als ihr Geburtsdatum kennt.