Die Richter und Schöffen der ersten Schwurgerichtskammer am Landgericht Rottweil betreten den Saal. Foto: Müssigmann

Arzt fordert die Unterbringung des mutmaßlichen Täters in Psychiatrie. Verminderte Schuldfähigkeit attestiert.

Horb/Rottweil - Im Prozess um die tödlichen Messerstiche an einem Döner-Stand in einem Horber Supermarkt hat der psychiatrische Gutachter empfohlen, den Angeklagten in die Psychiatrie einzuweisen. Der Mann sei weiterhin "brandgefährlich".

Bei der Verhandlung wegen Totschlags gegen einen 31-Jährigen, der im Juli 2017 bei einem Streit im Eingangsbereich eines Supermarktes auf dem Hohenberg einen 33-jährigen Familienvater mit vier Messerstichen tödlich verletzt haben soll, kam am Freitag der psychiatrische Gutachter zu Wort.

Angeklagter leidet unter paranoider Schizophrenie

Er hatte sich schon vor dem Prozess am Rottweiler Landgericht mit dem Angeklagten mehrmals unterhalten. Sein Fazit: Der 31-Jährige leide seit Jahren unter paranoider Schizophrenie. Der Angeklagte sei von Größen- und Verfolgungswahn besessen, behaupte als Kämpfer im Kosovo-Krieg Menschen getötet zu haben, in Amerika ein Vermögen erwirtschaftet zu haben, weswegen ihn die USA jetzt töten wollten. "Diese Ereignisse gab es nicht", ist sich der Psychologe sicher.

Der Angeklagte, der die Verhandlung apathisch verfolgte, war schon vor der angeklagten Tat mehrfach stationär in psychiatrischer Behandlung. Dabei habe er unter anderem seinen Vater bei einem Besuch völlig unvermittelt angegriffen und geschlagen. Ein anders Mal habe er das Raucherzimmer der Einrichtung demoliert. Behandlungen habe der Mann, den der Gutachter als intelligenten Menschen einstuft, als kränkend empfunden, Medikamente, die gegen seine psychische Krankheit helfen sollten, nicht eingenommen.

Streit endete mit tödlichen Messerstichen

Genau das war auch vor dem eskalierten Streit im Juli 2017 der Fall. Der Angeklagte hatte seit Wochen keine Medikamente genommen, war extrem lärmempfindlich. Dann kam es zum Streit mit dem aus Nagold stammenden Mann, der zunächst verbal, dann mit Fäusten geführt wurde und mit den vier tödlichen Messerstichen endete.

Ganz ruhig habe der mutmaßliche Messerstecher nach der Tat den Dönerstand aufgeräumt und auf das Eintreffen der Polizei gewartet. Wer so rational reagiere, sei kein Opfer eines plötzlichen aggressiven, unkontrollierten Schubes. Der Gutachter sah keinen "Verlust des Realitätsbewusstseins". Der Angeklagte habe stets geltend gemacht, in dem Kampf in Todesangst gewesen zu sein und sich deshalb nur selbst verteidigt zu haben. Doch: "Er war durchaus in der Lage zu erkennen, dass er einen nicht mit einer tödlichen Waffe verletzen darf."

Verminderte Schuldfähigkeit attestiert

Dennoch ist sich der Gutachter sicher, dass die schizophrene Erkrankung des Mannes, der mittlerweile im Zentrum für Psychiatrie Reichenau untergebracht ist, eine Rolle bei der Tat gespielt hat. Deswegen attestierte er ihm eine verminderte Schuldfähigkeit, wenn auch keine völlige Schuldunfähigkeit – ein Unterschied, der beim Urteil entscheidend einfließen kann. Gleichwohl forderte der Gutachter, den Angeklagten weiterhin in einer psychiatrischen Einrichtung unterzubringen. Denn: "Er hat einen Bereich überschritten, den er hätte nicht überschreiten dürfen. Unbehandelt ist er brandgefährlich."

Die Verhandlung am Rottweiler Landgericht wird am Donnerstag, 15. März, um 9 Uhr mit den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung fortgesetzt. Die Urteilsverkündigung findet dann am Montag, 19. März, um 14 Uhr statt.