In "Sues Salatschüssel" ereignete sich die folgenschwere Tat. Foto: Lück

Schlägerei in "Sues Salatschüssel": Angeklagter fährt weiterhin betrunken Auto und ist aggressiv.

Horb/Rottweil - Fast drei Jahre nach der Tat in "Sues Salatschüssel" bestätigte nun die 11. Kleine Strafkammer am Landgericht Rottweil das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Horb. Der in einem Horber Teilort lebende Angeklagte wurde im Februar 2018 vom Amtsgericht Horb zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten Strafhaft verurteilt.

Vorausgegangen war eine mit unglaublicher Brutalität begangene Tat. Opfer war ein heute 69-Jähriger, der damals zur Tatzeit allein in dem Imbiss gearbeitet hatte. Ohne Grund schlug ihn der Täter zusammen und fügte im schwerste Gesichtsverletzungen zu. "Aus einem fitten Opa wurde ein Pflegefall", so formulierte es Richter Thomas Geiger später in seiner Urteilsbegründung.

In dieser Berufungsverhandlung wurde der gesamte Tathergang aufs Neue geschildert und bewertet. Hier eine grobe Zusammenfassung: An dem verhängnisvollen 23. Juni 2016 hatte der Angeklagte zunächst eine weitere Person – einen Mann, der ein Verhältnis mit der Frau des Angeklagten hatte – zur Rede stellen wollen. Zuvor hatte der Angeklagte aus Verärgerung über den Fehltritt seiner Frau dem Widersacher Bauschaum in den Auspuff gespritzt und dadurch dessen Auto beschädigt.

Diese Tat geschah im Alkoholrausch, und bei der Rückfahrt wurde er wegen seiner unsicheren Fahrweise von der Polizei angehalten. 1,8 Promille ergab die Blutprobe, und er war seinen Führerschein los. Mit einer 0,7-Liter-Flasche Wodka und in aggressiver Stimmung machte er sich auf den Weg ins Horber Industriegebiet Heiligenfeld.

Er traf aber seinen Widersacher nicht an. Nachdem er den Wodka leer getrunken hatte, landetet er irgendwie in dem Imbisslokal "Sues Salatschüssel", wo es zum Übergriff auf den heute 69-Jährigen kam.

Aus fittem Opa wurde Pflegefall

Er habe bis heute keine Erinnerung daran, warum er den Mann damals so schwer verletzt habe, dass die Staatsanwaltschaft zuerst sogar von versuchtem Totschlag sprach, gab er auch bei diesem Verfahren an. Mit "Blackout, Filmriss" umschrieb der Verteidiger den damaligen Zustand seines Mandanten.

Für den Geschädigten bedeutete dieser Ausraster, dass er zehn Tage im künstlichen Koma lag, die meisten seiner Zähne verlor, er auf einem Augen nicht mehr gut sieht und sein Nervensystem so beschädigt ist, dass er sich für den Rest seines Lebens weder selbst versorgen, geschweige denn Auto fahren kann. Wie es Richter Geiger so treffend zusammenfasste: Aus dem fitten Opa wurde ein Pflegefall.

Der Tatvorwurf war klar, der Angeklagte wirkte mehr oder weniger, als ob er die Tat zugab. Nach dem Grund der Berufung gefragt, gab der Verteidiger der Täters an, man möchte eine Strafe auf Bewährung erreichen, da sonst die Existenz seines Mandanten auf dem Spiel stehe. Der heute 31-jährige Täter hat durch seinen Hausbau erhebliche Schulden, zwei Kinder und eine Frau. Er selbst gab an, rund 1900 Euro netto zu verdienen, dazu komme das Kindergeld, und seine Frau verdiene seit letztem Monat auf 450-Euro-Basis etwas dazu. Jedoch müsse er für die monatlichen Raten für das Haus 1250 Euro an die Bank überweisen. Allein aus dieser prekären finanziellen Situation heraus sei es ihm beim besten Willen nicht möglich, irgendwelche Zahlungen an den Geschädigten zu leisten, versuchte er Pluspunkte bei der Kammer zu sammeln.

Aus Vorfall vor drei Jahren nichts gelernt?

Die Vertreterin der Nebenklage warf ihm nämlich vor, dass er seine Strafe aus der Trunkenheitsfahrt, ebenso wie die Kosten für einen Täter-Opfer-Ausgleich, der sich aus einer weiteren Körperverletzung ergab, sowie die Aufwendungen für die MPU – den "Idioten-Test" – trotz dieser Finanzmisere zahlen konnte. "Alle meine Ersparnissen sind dabei draufgegangen – denn ich brauche meinen Führerschein beruflich", erklärte der Beschuldigte daraufhin.

Und das war Wasser auf die Mühle der Staatsanwaltschaft. Die Anklagevertreterin warf dem Täter vor, dass er aus dem Vorfall vor drei Jahren überhaupt nichts gelernt habe. "Anstatt sich abstinent um Schadenswiedergutmachung – und sei es auch nur mit einer Geste – zu kümmern, trinken Sie weiter." Die Einlassungen des Angeklagten, er habe 2016 nur aus Frust in einem Zeitfenster von vier bis fünf Monaten übermäßig getrunken" zerpflückte die Staatsanwältin locker. "Erst am 24. April 2019 sind Sie mit 2,4 Promille am Steuer ihres Wagens erwischt worden."

Wie sich herausstellte, war der Horber wieder auf dem Weg zu seinem Widersacher und hatte sich vorher Mut angetrunken. "Auch am 19. Juli 2018 hatten Sie in angetrunkenem Zustand Krach mit ihrem Nachbarn", ergänzte die Anklagevertreterin. Als sich auch noch der Gutachter in die Debatte um die offensichtliche Alkoholproblematik des Angeklagten einmischte, gab dieser zu, dass er sich derzeit in der stationären Psychiatrie des Freudenstädter Krankenhauses befindet. Er gab auch zu, dass er Problemtrinker sei und seine depressiven Phasen mit Medikamenten bekämpfe. Davor hatte er noch versucht, die Vorgänge zu verniedlichen; sie seien Handlungen aus dem Affekt gewesen.

Opfer zur falschen Zeit am falschen Ort

Richter Geiger und seine beiden Schöffinnen nahmen sich aber nicht nur sehr viel Zeit für den Täter, sondern auch für das Opfer. Gerhard H. schilderte sein Martyrium seit jener Zeit. Seine Klink- und Kuraufenthalte, seine Schmerzen, seine Einschränkungen und den Verlust an Lebensqualität. Er verstand nicht, warum es gerade ihn so hart traf. "Sie waren zur falschen Zeit am falschen Platz", so ein Erklärungsversuch des Richters.

Nach Würdigung aller Tatsachen und Beweise, nach dem Vortrag des Gutachters, der dem Angeklagten eine verminderte Schuldfähigkeit attestierte, den Plädoyers des Verteidigers, der zugab, dass die Tat unfassbar sei und einen betroffen mache, jedoch eine Strafzumessung von einem Jahr zur Bewährung für straf- und tatangemessen hielt; der Staatsanwältin, die nach allem Für und Wider schon aus Gründen der Verteidigung der Rechtsordnung das vorinstanzliche Urteil für richtig hielt, und den Ergänzungen der Nebenklagevertreterin, hatte der Angeklagte das letzte Wort. Er entschuldigte sich nochmals beim Opfer und versprach, den Schaden so gut wie möglich wieder gutzumachen. Ein Ansinnen, das Richter Geiger schon zuvor auf die Palme gebracht hatte. "Wie wollen Sie dieses Versprechen einlösen? Sie stehen vor einem finanziellen Fiasko. Die gesamten Versicherungen werden nun alle Kosten von Ihnen zurückverlangen – da werden Sie ihr Lebtag nicht mehr froh", machte er deutlich.

Letztendlich bestätigte die Kammer das Urteil des Amtsgerichts Horb. Der Täter muss für zwei Jahre und drei Monate in Strafhaft. Hört sich im ersten Moment viel an, ist es aber nicht. Vier Monate davon gelten wegen der langen Verfahrensdauer bereits als verbüßt, und bei der Anwendung der Zweidrittel-Regelung bleiben gerade mal gut 15 Monate Strafhaft übrig. "Und wenn Sie es rechtzeitig beantragen, kommen Sie vielleicht direkt in den offenen Vollzug und könnten so ihre Arbeitsstelle halten", machte Thomas Geiger dem Verurteilten Mut.

"Eine gute Lösung gab es hier nicht. Weder für die Familie des Geschädigten, noch für die Familie des Täters", betonte Geiger in seiner Urteilsbegründung.

Und der Mann, der zur falschen Zeit am falschen Platz war, wird weiterhin für die Zuzahlungen seiner Heilbehandlungen, für Brille und Zähne, für Kuren, Bus- und Taxikosten zahlen. Bislang sind rund 23.000 Euro nur dafür aufgelaufen, die das Opfer aus eigener Tasche, nur von seiner Rente, bezahlen muss. Und daran wird sich nichts ändern.