Hau und Holzwiese: Landtagsabgeordneter Dürr fordert Bürgerabstimmung.
Horb-Ahldorf - Die AfD gilt gemeinhin als schrill. Beim Termin des Landtagsabgeordneten Klaus Dürr (60) mit der Ahldorfer Bürgerinitiative Hau und Holzwiese zeigte sie sich überwiegend in der Rolle des Zuhörers. Ihr Vorschlag: Lasst über das geplante Gewerbegebiet abstimmen.
Es waren schon jede Menge Politiker bei der BI "Hau und Holzwiese". Chris Kühn, baupolitischer Sprecher der Bundes-Grünen. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Saskia Esken. Aus dem Land: Thomas Hentschel (Grüne) und Timm Kern (FDP). Auch mit ranghohen CDU-Politikern hat sich die BI schon ausgetauscht.
Am Freitag kam mit dem Landtagsabgeordneten Klaus Dürr und seinem Vorgänger Heinrich Kuhn gleich zwei prominente Vertreter der AfD. Auch mit dabei: Roland Tischbein, AfD-Landtagskandidat 2016.
Austausch mit Politikern von allen Parteien
BI-Sprecherin Christina Nuss stellte klar: "Wir tauschen uns gern mit allen Politikern über Inhalte aus – nicht über Parteipolitik."
Dürr sagte: "Wir haben uns beim Rundgang einen Eindruck verschafft und gesehen, was die Bürgerinitiative verteidigt. Was wir gesehen haben, ist eine Kulturlandschaft, zu der diese Wälder und die kleinflächige Landwirtschaft gehört. Ich komme aus Calw und ich bin der Meinung, dass wir diese Kulturlandschaft erhalten müssen – für uns und für unsere Nachfahren."
Der weitere Eindruck des Landtagsabgeordneten, der für Kuhn nachgerückt ist: "Wir fordern politisch mehr Bürgerbeteiligung. Die Quoren müssen runter. Hier in Ahldorf haben wir lauter Menschen getroffen, die sehr gut informiert sind."
Für ihn stellt sich die Frage, ob es überhaupt einen weiteren Bedarf für ein neues Gewerbegebiet gibt. Dürr weiter: "Mein Ratschlag an die Horber Stadtspitze wäre: Ahldorf ist das eine, Gesamt-Horb das andere. Wenn man pragmatisch überlegt, wäre es vielleicht das Klügste, zunächst die Bürger zu befragen, um ein Stimmungsbild einzuholen. Ein möglicher Termin wäre die nächste Kommunalwahl Ende Mai 2019."
Der Landtagsabgeordnete will wissen, ob Horb schon eine Zukunftsvision hat. Dürr: "Weiß Horb, was es 2050 sein will? Ist es dann eine Industriestadt oder eine Wohnstadt? Vielleicht geht der Trend dahin, dass die Menschen in Zukunft in der Stadt arbeiten und in Horb wohnen, weil es dort schön ist. Wenn diese Frage durch die Stadtspitze und die Gremien nicht geklärt ist, dann wäre die Ausweisung des Gewerbegebiets in Ahldorf nur ein Durchsetzen. Diese Frage sollte Horb beantworten."
Zukunftsvision für Horb
Dazu gibt es aus seiner Sicht in der Abwägung, die der Ältestenrat wahrscheinlich parallel diskutiert hatte, auch Klimaschutz-Aspekte. Dürr sagte: "In unserer Partei bestreiten wir den Klimawandel nicht. Wenn, sind es nur Einzelne. Da ist natürlich auch die Schutzfunktion des Waldes, der Böden zu beachten. Das Grundwasser wird zu einer Ressource, die angesichts des Klimawandels immer wichtiger wird."
ULH-Fraktionschef Hermann Walz: "Mir sind keine Visionen der Stadt für das Jahr 2050 bekannt. Außer die der klimaneutralen Kommune. Der Wald in Ahldorf filtert mehr CO2, als die klimaneutrale Kommune in Horb jemals einsparen kann!"
Heinrich Kuhn, ehemaliger Alterspräsident des Baden-Württembergischen Landtags: "Man sollte sich wirklich fragen: Will Horb auf den Zug springen, den alle fahren? Ist das wirklich die Zukunft der Stadt? Ich wage zu bezweifeln, dass Industrie die Zukunft von Horb ist. Ich sehe da eher Tourismus, Kultur, Wohnen."
BI-Sprecherin Christina Nuss: "Es wäre wirklich schön, für Horb eine Vision zu haben. Wir sehen hier in Horb die Zukunft im Wohnen in der herrlichen Landschaft. Unsere Erfahrung ist, dass OB Peter Rosenberger bei Visionen nicht zugänglich ist. Der Masterplan 2050 ist ein Sammelsurium von guten Ideen, aber keine Strategie. Wir haben mehrmals angeboten, über solch eine Zukunftsvision zu sprechen. Doch die Stadt springt da nicht auf."
Stimmungsbild abrufen
ULH-Fraktionschef Walz meinte: "Horb ist nun mal bisher mehr Wohnstadt. Nicht umsonst haben wir hier eine super Kinderbetreuung und einen sehr guten Schulstandort aufgebaut." Dürr ergänzte: "Insofern kann Wohnen ein wichtiger Faktor sein – denn wo mehr Menschen sind, kommt die Infrastruktur."
Für BI-Sprecherin Nuss ein wichtiger Punkt: "Ich glaube nicht, dass sich durch ein Gewerbegebiet hier Ärzte in jedem der 16 Teilorte ansiedeln. Horb wird anziehend wirken, weil Menschen hier gut wohnen können und nicht, weil Ahldorf ein paar neue Fabrik- oder Logistikhallen hat."
Kuhn betonte: "Versuchen Sie, dass die Gemeinde oder die Bürgerinitiative ein umfassendes Stimmungsbild abruft." Dürr empfahl, andere "weiche Faktoren" in die Diskussion mit einbringen. Wie Naherholung, Wohnen, Klimaschutz, Erholungswert.
BI-Sprecherin Nuss sagte: "Den Mut, die Wahlberechtigten zu fragen, haben wir auf jeden Fall. Das ist besser als sich nicht zu trauen. Ein klares Votum ist besser als jahrelang zu spekulieren."
Roland Tischbein meinte: "Ich kann mir gut vorstellen, dass die stadtteilübergreifende Solidarität in Horb größer ist als erwartet." ULH-Fraktionschef Walz: "Wir in Talheim bekommen das jetzt zu spüren: Der ehemalige Steinbruch, das Absetzgelände in Haiterbach, welches der Bund unbedingt will. Und der neue Steinbruch, der irgendwann in Betrieb gehen soll. Wir sind schon von drei Seiten eingekreist."
Nach gut anderthalb Stunden ist der Austausch im "Kneiple" in Ahldorf vorbei. Heinrich Kuhn zieht die Bilanz: "Landschaftlich sehr schön, sehr menschlich, sehr bereichernd." Und der "Ahldorfer Aufstand" hat wieder neue Impulse für den weiteren Kampf bekommen.