Foto: Schwarzwälder Bote

Aufreger: Dreifach-Bußgeld, weil Kofferraum offen / Anwohner geht mit all seinen Knöllchen ins Rathaus – und bekommt Amnestie

Wen die Knöllchenschreiber auf dem Zettel haben, der wird richtig getriezt. – dieser Verdacht, gepaart mit Wut, kann einen überkommen, wenn man mehrmals hintereinander Verwarngelder berappen muss, sogar beim Ein- und Ausladen vor der eigenen Tür. Wie in einem Fall aus Horb.

H orb. Die Knöllchen liegen schon im Papierkorb. Für den Schwarzwälder Boten holt der Betroffene sie raus. Die Dokumente einer "Knöllchen-Hetzjagd" in Horb.

So verdoppelt sich gleich das Verwarngeld

Der Betroffene sagt: "Vor ungefähr zwei Jahren habe ich ein Knöllchen bekommen, weil mein Auto mehr als 20 Zentimeter vom Bordstein entfernt geparkt hat. Das war an der steilen Stelle vor der Mauer zur Stiftskirche. Da ruinierst du dir beim Rückwärts-Einparken ohnehin die Kupplung. Und dann sollst du auch ganz dicht am Bordstein parken?" Damals habe er sich zwar geärgert, aber bezahlt.

Doch im vergangenen Jahr wurde es richtig heftig. Der Betroffene: "Ich bin Geschäftsmann und engagiere mich für die Gesellschaft. Klar, dass man da immer mal kurz vor dem Geschäft was ein- oder ausladen muss. Teilweise hatte ich das Gefühl, dass die Mitarbeiter des Ordnungsamts mir regelrecht auflauern. Insgesamt sammelten sich so 20 bis 30 Knöllchen an."

Hier die Stationen der Knöllchen-Hetzjagd:   Einladen vor der eigenen Haustür: 20 Euro. Vom 2. Oktober 2017. Tatzeit: 14.28 Uhr bis 14.32 Uhr. Der Betroffene parkt direkt vor seinem Geschäft. Der Vorwurf: "Sie parkten in einem verkehrsberuhigten Bereich verbotswidrig außerhalb der zum Parken gekennzeichneten Flächen.“ Kostet laut Bußgeldkatalog 10 Euro Strafe. Doch das reicht dem Knöllchenschreiber offenbar noch nicht. Dazu gibt’s noch einen Verstoß: "Sie verliefen Ihr Kraftfahrzeug, ohne es gegen unbefugte Benutzung zu sichern (Fenster Fahrerseite offen)."

Schwupps: So verdoppelt sich gleich das Verwarngeld – auf 20 Euro!  Einladen vor der eigenen Haustür: 30 Euro. Tattag: 13. Oktober 2017. Wieder parkt der Betroffene vor seinem Geschäft. Diesmal von 14.40 bis 14.44 Uhr. Wieder wird der Tatbestand mit dem "verkehrsberuhigten Bereich" angezeigt. Und – offenbar noch schlimmer – "Sie verließen Ihr Kraftfahrzeug, ohne es gegen unbefugte Benutzung zu sichern (Kofferraum offen)."

Das Verwarngeld diesmal – 30 Euro! Vielleicht, weil die Öffnung des Kofferraums größer als die des Seitenfensters ist?

  Ausladen am Ziel: Mehrfachtäter – 20 Euro. 15 Minuten später ist der Betroffene am Ziel: In der Weingasse. Jetzt muss das Gepäckgut natürlich ausgeladen werden. Dumm nur, dass der Ordnungsamt-Mitarbeiter wieder vor Ort ist. Rumms, die nächste Knolle. Tatzeit: 15 bis 15.05 Uhr. Bemängelt diesmal: Die fehlende Parkscheibe bemängelt. Mit dem Zusatz: "Wegen beharrlichem Falschparken wird das Verwarngeld verdoppelt (Mehrfachtäter)." Statt 10 also 20 Euro!   Falschparken in der Weingasse – 10 Euro. Sechs Tage später wird der Sünder in der W eingasse hier wieder erwischt. Diesmal um 11.05 Uhr. Dafür gibt’s aber nur ein 10 Euro-Knöllchen.

Der Betroffene: "Ich finde das völlig absurd! Was ist mit den Paketfahrern, die ihre Päckchen ausladen müssen? Warum wird das Bußgeld erhöht, weil das Fenster oder der Kofferraum offen ist zum Einladen? Soll ich mir jetzt ein Cabrio kaufen, um kein Knöllchen mehr zu kriegen?"

Fakt ist: Im letzten Jahr hatten die Ordnungshüter der Stadt wohl nichts zu lachen. Durch die Vollsperrung der B 32 zwischen Horb und Nordstetten durfte man monatelang zwei Stunden kostenfrei mit Parkscheibe parken. Die Bußgelder aus der "Überwachung des ruhenden Verkehrs" – wie die Knöllchenschreiberei im Amtsdeutsch heißt, gingen im Vergleich zum Vorjahr um 90000 Euro zurück – von 160 000 auf 70 000 Euro, wie Stadtsprecher Christian Volk dem Schwarzwälder Boten bestätigt hatte. 

Der Betroffene: "Ich habe die ganzen Knöllchen genommen und bin zur Stadtspitze. Ich habe vorgeschlagen, dass man mich in den Schurkenturm einsperrt. Drei Tage lang, um abzubüßen. Das sorgte dort für Gelächter!"

Aber auch zum Nachdenken. Der Betroffene zeigt einen Brief aus dem Rathaus - die Amnestie. Er sagt: "Ich muss jetzt nur zwei Knöllchen bezahlen."

Es gibt auch Verwaltungsvorschriften, die definieren, wie das "Auto offen"-Verbot gehandhabt werden soll. Auf der juris-Seite der Bundesregierung heißt es zum Paragraf 14 der Straßenverkehrsordnung:  "Wenn der Führer eines Kraftfahrzeugs sich in solcher Nähe des Fahrzeugs aufhält, dass er jederzeit eingreifen kann, ist nichts dagegen einzuwenden, wenn eine besondere Maßnahme gegen unbefugte Benutzung nicht getroffen wird. Andernfalls ist darauf zu achten, dass jede vorhandene Sicherung verwendet, insbesondere auch bei abgeschlossenem Lenkradschloss das Fahrzeug selbst abgeschlossen wird; wenn die Fenster einen Spalt offen bleiben oder wenn das Verdeck geöffnet bleibt, ist das nicht zu beanstanden."

Das dürfte wohl auch für das Ein- und Ausladen vor dem Haus gelten. 

In Stuttgart darf man sein Cabrio offen stehen lassen. Darüber berichteten die Stuttgarter Nachrichten im Juli 2010. Zitat des zuständigen Ordnungsamt-Mitarbeiter damals damals: "Beim Cabrio sind bautechnisch andere Voraussetzungen gegeben. Der Gesetzgeber will dem Fahrer nicht zumuten, beim Parken jedes Mal das Verdeck hochzuklappen. Weil es schwierig ist, in ein Cabrio einzusteigen." Deshalb setzt das Stuttgarter Ordnungsamt auf das "Fingerspitzengefühl" der Mitarbeiter. "Wenn man durchs offene Fenster mit dem Arm nicht bis zur Handbremse und dem Schaltknüppel kommt, werden unsere Politessen den Autofahrer auch nicht verwarnen." Martin Thronberens, Pressesprecher der Stadt Stuttgart bestätigt: "Nach Rücksprache mit der Fachabteilung kann ich Ihnen mitteilen, dass der Artikel den aktuellen Stand wiedergibt. An dem Vorgehen des Ordnungsamts hat sich seit damals nichts geändert."

Die Horber "Auto-Auf"-Knöllchen sind fragwürdig. Blick in den bundeseinheitlichen Tatbestandskatalog des Kraftfahrtbundesamtes vom 1. November 2017. Das Delikt "Sie parkten in einem verkehrsberuhigten Bereich (Zeichen 325.1, 325.2) verbotswidrig außerhalb der zum Parken gekennzeichneten Flächen" läuft unter der Ziffer 14201 – macht 10 Euro.  Das Delikt: "Sie verließen Ihr Kraftfahrzeug, ohne es gegen unbefugte Benutzung zu sichern" wird im Tatbestandskatalog unter der Ziffer 114000 aufgeführt. Die Strafe dafür: 15 Euro. Doch in Horb wird einmal 20 Euro, dann 30 Euro in Rechnung gestellt.  Auch in Internet-Einträgen vor dem 1. November 2017 werden genau dieselben Summen für die Vergehen genannt. 

Horb warb mal mit dem Slogan: "Bist du Gast in Horb, bist du Hahn im Korb." Das ist lange her. Das Stadtoberhaupt versteht es zwar, mit Charme zu glänzen. Das Ordnungsamt ist davon aber weit entfernt, wie die Knöllchen-Hetzjagd oder das fehlende Warnschild vor dem neuen Blitzer zeigen. Schlimm, dass sogar eigene Bürger sich getriezt fühlen müssen. Mit Gerechtigkeit hat das nichts zu tun. Vor allem, weil man sich in Horb kennt. Der Bürger den Ordnungshüter. Klingeln, reden, kulant sein – das wäre alles kein Problem. Wird Zeit, dass das Debakel um die Strafzettel dazu führt, dass sich die Horber Ordnungshüter endlich als Botschafter einer sympathischen Kleinstadt begreifen. Die Amnestie für den Knöllchensünder reicht da nicht aus. Eine klare Charme-Order von der Rathausspitze muss her. Alles andere ist zu wenig.