Diakon Ewald Wurster, Ortsvorsteherin Monika Fuhl, Archivar Hans-Josef Ruggaber, Pfarrer Johannes Unz und Vikar Philipp Scheld stehen bei der Gedenkfeier zur Reichspogromnacht zum Fürbittengebet am Gedenkstein in Mühringen. Nach jeder Fürbitte wird eine Kerze angezündet. Foto: Tischbein Foto: Schwarzwälder Bote

Gedenken an 9. November: Mühringen erinnert mit einer Gedenkfeier an die Reichspogromnacht / Aufforderung zu Wachsamkeit

In vielen Dörfern läuteten am vergangenen Freitag zum Gedenken an die Reichspogromnacht vor 80 Jahren die Glocken. So auch in Mühringen, wo um 19 Uhr das Glockengeläut von der evangelischen und der katholischen Kirche ertönte.

Horb-Mühringen. Unter dem Motto "Erinnerung und Verantwortung" hatten der Ortschaftsrat und die beiden Kirchengemeinden zu einer ökumenischen Gedenkfeier in der evangelischen Friedenskirche in Mühringen eingeladen, und viele Bürger aus Mühringen und Mühlen waren der Einladung gefolgt. Ortvorsteherin Monika Fuhl, Diakon Ewald Wurster von der katholischen Kirchengemeinde und Pfarrer Johannes Unz von der evangelischen Kirchengemeinde war es wichtig, die Erinnerung zu pflegen, denn nur, wenn der Erinnerung Raum gegeben werde, könne eine Zukunft gestaltet werden, in der Verständigung, Solidarität und Mitmenschlichkeit wachsen.

"Im Zentrum unseres heutigen Gedenkens steht, dass wir uns unserer Verantwortung bewusst werden", betonte Pfarrer Unz. Was in Deutschland geschehen sei, solle Warnung sein und wachsam machen, dass sich so etwas nicht wiederholen könne. Diakon Ewald Wurster erinnerte daran, dass auch viele jüdische Mitbürger Mühringens betroffen waren. Jüdische Einrichtungen und Geschäfte wurden zerstört und viele Menschen jüdischen Glaubens wurden in Konzentrationslager gebracht und dort ermordet.

Wie es damals in Mühringen war, daran erinnerte Hans-Josef Ruggaber, Ortsarchivar und ein Kenner, der sich intensiv mit der jüdischen Vergangenheit Mühringens beschäftigt hat. Er erzählte in einem Zwiegespräch mit Pfarrer Johannes Unz, wo die Synagoge stand und was damals alles zerstört wurde. In einem Bußgebet wurde um Vergebung gebeten, dass die Menschen auch heute zu oft wegschauen, wenn andere in der Umgebung ausgegrenzt oder diskriminiert werden.

Pfarrer Unz forderte zur Wachsamkeit gegenüber einem Wiederaufleben der alten nationalistischen Muster im neuen Gewand auf. Schweigend begab man sich dann unter dem Geläut der Glocken beider Kirchen zum Gedenkstein vor dem Rathaus. Dort berichtete Hans-Josef Ruggaber, wie es damals war in Mühringen. Nach der Machtergreifung der NSDAP wurden wiederholt Einwohner verwarnt, weil sie immer noch bei Juden kauften oder persönliche Beziehungen zu ihnen unterhielten. Jüdische Männer wurden verhaftet und ins Konzentrationslager Dachau abtransportiert. Eines der Opfer, die im Zuge der Euthanasie umgebracht wurden, war der an einer Nervenkrankheit leidende Heinz Feigenheimer. In der sogenannten Reichskristallnacht am 9. November 1938 zündeten auswärtige SA-Leute die Synagoge an und warfen Wohnungs- und Schaufenster ein. Im Juli 1943 gingen die Synagoge und der Judenfriedhof als beschlagnahmtes Vermögen in die Verwaltung des Finanzamtes Horb über. Im Jahr 1960 musste die stark beschädigte Synagoge dem Neubau des Schulhauses weichen. 1983 wurde an dieser Stelle ein Gedenkstein errichtet.

Ortsvorsteherin Monika Fuhl forderte in ihrer Gedenkrede: "Wir müssen lauter werden und gemeinsam für die Menschenwürde, Menschenrechte und Respekt einstehen. Wir müssen verhindern, dass der Populismus in unserer Zeit wieder mehr Raum bekommt." Die Politiker seien so mit sich selbst beschäftigt und würden die Sorgen und Nöte der Menschen, die sie gewählt haben, nicht kennen. Deshalb, so Fuhl, müsse man gemeinsam lauter für Menschenrechte und Respekt einstehen. Das sei gelebte Demokratie. Dann meldete sich noch Werner Pfister zu Wort und erinnerte sich, damals als Anwohner mit der Synagoge aufgewachsen zu sein. Die würdevolle und nachdenklich machende Gedenkfeier ging mit einem Fürbittegebet zu Ende. Nach jeder Fürbitte wurde eine Kerze angezündet.