Nach 44 Jahren legt Klaus Graf Schere und Fön nieder
Von Peter Morlok Horb. "Welch ein glücklicher Mann bin ich!" Diese Textzeile stammt zwar aus einem Lied von Reinhard Mey, könnte jedoch genauso gut von Horbs Friseur-Urgestein Klaus Graf kommen.
Gestern wurde er 68 Jahre alt und stand den vorletzten Tag in seinem Salon. Seine Stammkunden nutzten es nochmals aus, vom Meister persönlich bedient zu werden. "Der fällt in ein riesiges Loch", prophezeit seine Frau Ursula, die von der ersten Stunde der Selbständigkeit an an der Seite ihres Mannes mit im Geschäft stand und sich selbst als "Mädchen für alles" bezeichnet.
Was sie damit meint, wird klar, wenn man erfährt, dass Klaus Graf Friseur mit Leib und Seele ist. "Für ihn war sein Beruf immer Berufung und Hobby zugleich", verrät seine Frau. "Die ganzen 44 Jahre, die wir nun zusammen im Laden stehen, hat er nie gemeckert, nichts war ihm zuviel – er hat einfach Spaß an seiner Arbeit."
Kennengelernt haben sich die beiden – die zu dieser Zeit in Stuttgart arbeiteten – 1966 im "Lindenhof" während der Horber Fasnet, wie sie sich schmunzelnd erinnern. Geheiratet wurde bereits ein Jahr später. "Sie war immer die Seele des Geschäfts", lobt Graf seine Frau. Neben dem täglichen Job kümmerte sich die gelernte Erzieherin um den Haushalt, die beiden Kinder und jetzt auch um die Enkel. "Für uns war immer wichtig, dass Geschäft und Privatbereich in einem Haus war", erzählt Graf zwischen zwei Haarschnitten, die er so ganz nebenbei zur vollsten Zufriedenheit seiner Stammkunden erledigt. Da fliegt die Schere wie von selbst, und bei den fließenden Bewegungen, mit denen Klaus Graf seinen Beruf ausübt, merkt man ihm sein Alter überhaupt nicht an.
Die schönste Auszeichnung sind zufriedene Kunden
Die Grafs waren nicht nur mit ihrem Geschäft verheiratet, sondern legten all die Jahre Wert auf einen Ausgleich in der Freizeit. Neben Narrenzunft und Kirche stand Tennis immer im Fokus der Familie. Klaus Graf war Gründungsmitglied beim TC Horb, wurde mehrfach Horber Stadtmeister und stand 1985 bei den württembergischen Tennismeisterschaften auf dem Siegertreppchen.
Seine Frau spielte bis vor fünf Jahren noch in der Verbandsklasse und auch Tochter Verena jagt der Filzkugel hinterher. Es gab Jahre, da beherrschten die Grafs die Horber Tennisszene und belegten auf den Ranglisten alle ersten Plätze.
Aber wichtiger war Graf immer der Beruf. Nach der Meisterprüfung übernahm er das Friseurgeschäft von Hans Haßmanns im Horber Mühlgässle. 1969 erfolgte der Umzug in die ehemalige Molkerei und 1975 in das Gebäude gegenüber, wo sich noch heute sein Salon befindet.
Graf war und ist einer, der sich immer einbrachte und auch für seine Überzeugung streitet. Mehr als 40 Jahre lang war er ehrenamtlich in der Freudenstädter Innung aktiv, 18 Jahre davon als Obermeister. Er war im Regionalbeirat der Innungskrankenkasse, auf Landesebene im Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks und in der Kreishandwerkschaft. Er ist verantwortlich dafür, dass im Land Mindestlöhne bezahlt werden.
Der 68-Jährige ist außerdem für seine beruflichen Leistungen mit der goldenen Ehrennadel des "Deutschen Zentralverbands des Friseurhandwerks" und mit der Alfred-Geisel-Medaille der Handwerkskammer Reutlingen ausgezeichnet worden. Seine schönsten Auszeichnungen sind jedoch die vielen zufriedenen Kunden. Auch wenn er nun die Schere aus der Hand legt und zum letzten Mal die Salontür schließt, kann er den eingangs zitierten Satz wirklich für sich in Anspruch nehmen. Anni Schneck übernimmt den Friseur-Salon von Klaus Graf. Sie wird ihn am 1. Dezember wiedereröffnen.