Fotos: Schülke Foto: Schwarzwälder Bote

Stadt äußert Verständnis und bittet Grabpächter in einem Brief, "die äußeren sichtbaren Zeichen Ihrer Trauer" nach der Frist zu entfernen / Nutzer sieht darin einen Trick

"Ich komme mir vor wie Don Quijote, der gegen Windmühlen kämpft", sagt ein regelmäßiger Ruhewald-Besucher, der seinen Namen inzwischen nicht mehr in der Zeitung lesen will. "Es reicht mir jetzt." Zuletzt war es die Kriminalpolizei, die dem Mann unangenehme Fragen stellte.

Horb. "Der Beamte fragte mich, warum ich den Knochen in den Ruhewald hineingelegt habe. Ich dachte ich bin im falschen Film", erzählt der Ruhewald-Besucher. Die Stimme klingt aufgebracht.

Das Rätsel um den Knochenfund im Ruhewald beschäftigte die Polizei Anfang dieses Monats. Der Besucher hatte den Knochen bereits am 19. Juli entdeckt und sich an unsere Zeitung gewandt. Der Bitte, den Fund bei der Polizei anzuzeigen, wollte er selbst nicht nachkommen: "Sonst werde ich wieder verdächtigt, der Schuldige zu sein." Auf Anfragen unserer Zeitung teilten Polizei und Stadt in der folgenden Woche mit, dass kein derartiger Fund gemeldet oder im Wald gefunden wurde. Unsere Redaktion fand den Knochen dann Tage später und dokumentierte den Fund mit GPS (wir berichteten). Der verwitterte Hüft-Gelenkknochen wurde daraufhin von Mitarbeiterinnen der Stadt geborgen und an die Polizei weitergegeben.

Dann nahm sich die Kripo des Falles an und befragte Beteiligte – so auch den Ruhewald-Besucher, der den Fund gemeldet hatte. Seine Befürchtung bestätigte sich: Er gilt als der Horber "Wald-Unruhestifter" und wurde bei der Kripo entsprechend befragt, berichtet er: "Woher ich denn wisse, dass das ein Menschenknochen sei, wollte der Beamte wissen. Reicht dazu nicht die Allgemeinbildung?"

Weitere Ermittlungen zu dem Knochenfund wird es laut Auskunft der Kripo nicht geben. "Die Akte wird geschlossen", sagte ein Beamter im Gespräch mit unserer Zeitung. Eigenen Angaben zufolge hat die Kripo geprüft, ob es in der Umgebung Vermisstenfälle oder unaufgeklärte Verbrechen gibt. Beides sei nicht der Fall – der Knochen sei also entweder mit Absicht oder als Folge einer Panne in den Wald gelangt.

Erklärungen gibt es keine – Vermutungen sehr wohl. Dass ein Bestattungsinstitut Erde aus abgelaufenen Gräbern in den Ruhewald gebracht hat, stimmt zwar. Dass in dieser Erde Skelettreste sind, ist laut Schilderung einer Bestatterin jedoch ausgeschossen, weil nur die obere Schicht der Gräber verwendet wurde.

Eine andere mögliche Erklärung lautet, dass bei Grabarbeiten an einer Kirche in der Umgebung ein alter Friedhof ans Licht kam. Zuerst sollte der Aushub wie herkömmliches Erdreich auf einer Erddeponie landen – doch dann tauchten die Skelettreste auf, und die Verantwortlichen mussten nach einer Lösung suchen, mit diesem Erdreich pietätvoller umzugehen. Bot sich da vielleicht eine Ablagerung dieser Erde im Ruhewald an? Das würde vielleicht auch die Reste von Backsteinen und Tonscherben erklären, die in der Nähe eines Wegesrandes herumliegen.

Aber diese Vermutung ist laut Stadtverwaltung ebenfalls abwegig. Das Rathaus teilt mit: "Der Boden stammt aus dem Wald selbst (also – kein Skandal)." Der Ruhewald wurde 2016 angelegt, "als wir die Wege nicht fertig machen konnten." Das sehe man am Schotter.

Von einer Baustelle bei einer Kirche sei nie etwas in de n Wald gebracht worden. "Leider haben nette Mitbürger (wie in jedem Wald, der mit dem Auto nachts gut angefahren werden kann) im Bereich des Waldrandes im Lauf der 40 Jahre gerne mal ihre alten Ziegel, Pflastersteine oder sogar Tonrohre entsorgt. Wir sammeln das ein und entsorgen es, wenn es für uns sichtbar ist. Vermutlich ist der Bagger 2016 oder jetzt vor kurzem mit einem Tonziegel kollidiert. Er wird den Boden nicht nachhaltig belasten." So viel also zu den Bauschutt-Resten. Kam so vielleicht auch der Knochen in den Wald? Als illegal entsorgter Aushub einer Privatbaustelle?

Den besagten Ruhewald-Besucher interessiert diese Frage inzwischen nur noch am Rande. Er will beim Thema Ruhewald jetzt Ruhe. "Ich reibe mich sonst auf." Sein eigentliches Anliegen will er jedoch im Blick behalten: das Grab seines Vaters auf eine Art zu schmücken, die ihm von der Stadt schriftlich zugesichert wurde.

Und dieser Streit ist noch nicht ausgestanden. Verständnisvoll und freundlich klingt ein Brief der Stadt an die Grabpächter. In einem Auszug heißt es: "Es liegt in der Natur des Menschen, auf individuelle Weise zu trauern und dieser Trauer durch äußere Zeichen sichtbaren Ausdruck zu verleihen. Hiefür haben wir großes Verständnis. Jedoch würden die dauerhaften äußeren Zeichen dieser Trauer das Wesen dieser für uns alle noch verhältnismäßig ungewohnten Bestattungsart stören." Deshalb werden die Grabpächter gebeten, diese "Zeichen der Trauer" nach der Frist wieder zu entfernen.

Eine harmlose Bitte? "Das ist ein juristischer Fallstrick", sagt der Grabpächter, der diese Information von seiner Anwältin bekommen habe. "Wer dem nicht schriftlich widerspricht, akzeptiert diese Regelung und muss damit rechnen, dass das Grab abgeräumt wird."

Das eigentliche Dilemma ist noch nicht aus der Welt. Es lautet: Satzung mit Grabschmuckverbot bei gleichzeitiger gültiger schriftlicher Erlaubnis des Schmucks.