Foto: Müssigmann

Geschäftsidee: Zwei geflüchtete Syrer wollen Speisen aus ihrer Heimat kochen und liefern.

Horb-Mühringen/Betra - Viele Flüchtlinge sind nach einiger Zeit in Deutschland auf Arbeitssuche. Ein schwieriges Unterfangen. Zwei Syrer aus der Unterkunft in Mühringen wollen die Sache jetzt selbst in die Hand nehmen.

Das Schicksal hat Alaa Eddin AlJabara (30) und Abdul Rahim Khalaf (45) zusammengeführt. "Ist in deinem Zimmer noch ein Platz frei?", hat der Ältere gefragt, als die syrischen Flüchtlinge in Mühringen eingezogen sind. Die beiden Männer, die sich davor nicht kannten, wohnen seither zusammen und essen jeden Tag zusammen, Khalaf kocht.

Fladenbrot (Khobz), gefüllte Teigtaschen (Borrak) und Fleischbällchen (Kobba) gehören zur syrischen Küche, die aufgrund der ägyptischen und französischen Besatzungsgeschichte bereits von anderen Kulturen beeinflusst sei, erzählen die Männer. Jetzt soll eine neue kulinarische Verbindung entstehen, wenn es nach Eva Michielin geht – eine Verbindung mit der schwäbischen Küche. "Es ist doch kein Problem, die Maultasche noch zu integrieren", sagt sie.

Die Flüchtlingshelferin aus Betra hat gemeinsam mit den Männern die Idee entwickelt, einen syrischen Foodservice mit modern-schwäbischen Einflüssen aufzumachen und den Männern mit ihren Kochkünsten ein Auskommen zu verschaffen. Alles geht zurück auf einen Abend im Dezember. Michielin lud wie schon so oft Freunde zum Kochen ein – sie bat auch die Syrer dazu, die sie in Mühringen kennengelernt hatte, sie sollten Rezepte aus ihrer Heimat mitbringen. Die Syrer nahmen den Plan ernster als Michielin erwartet hatte: Khalaf kam mit drei Helfern zu Michielin, brachte schon allerlei vorbereitete Zutaten mit und zauberte in ihrer Küche Leckereien für ein ganzes Buffet – ohne Hilfe von Michielin und ihren Freunden.

Die Gastgeberin war hin und weg. An diesem Abend hatte sie die Idee, daraus ein Geschäft zu machen. Michielin ist Beraterin für nachhaltige und grüne Geschäftskonzepte – branchenübergreifend, von Ernährung bis zur Energiegewinnung – und arbeitet zur Zeit in der Geschäftsleitung der Solera GmbH in Geislingen. Ihr schwebt ein syrischer Lieferservice mit mittel- bis hochpreisigem Angebot vor, auf Basis von Biolebensmitteln. "Zur syrischen Küche gehört viel Frisches, ich kann mir vorstellen, dass das ankommt bei deutschem Publikum."

Neben der Lieferung von Essen könnten die Syrer auch bei Kunden zu Hause kochen. "Integration geht durch den Magen", sagt sie. Auch sie sei nicht frei von Ängsten gewesen, als die Asylbewerber in der Region ankamen. "Wenn man dem Impuls nicht nachgibt, sondern aufeinander zugeht, ist die Angst in einer Stunde erledigt."

Wenn die Idee aufgeht, sei auch ein syrisches Restaurant im nächsten Schritt nicht ausgeschlossen, sagt Michielin. AlJabara und Khalaf vertrauen der Erfahrung ihrer Unterstützerin. AlJabara sagt: "Wenn wir das selbst machen würden, würde es lange dauern, aber mit ihrer Erfahrung..." Um Fotos von all den Gerichten für Flyer und Website zu haben, hat Michielin hat kürzlich ihre Küche zur Verfügung gestellt und die Fotografin Hanna Weiss organisiert: Von 9 Uhr bis 19 Uhr haben die Männer gekocht, 30 verschiedene Sachen. "Ich hätte noch mehr machen können, aber die Fotografin ist gegangen", sagt Khalaf. "Er hat gearbeitet wie eine Maschine", sagt AlJabara.

Die beiden Männer haben Erfahrung mit dem Kochen – weil sie in der Not damit schon Geld verdienen konnten. Khalaf, der seinen Media-Markt in Homs in den Kriegswirren verloren hat, kochte daraufhin vier Jahre lang in einem Flüchtlingscamp innerhalb Syriens für heimatlos gewordene Landsleute. Der jüngere AlJabara hat auf einem Ölfeld gearbeitet, nach Ausbruch des Krieges aber seinen Job verloren und ein Restaurant aufgemacht, das ihm letztlich von der Terrormiliz des sogenannten Islamischen Staates (IS) weggenommen worden sei. Weil sie gezwungen worden seien, für die Regierung oder den IS in den Krieg zu ziehen, haben sie ihre Heimat verlassen. AlJabara spricht Englisch, übersetzt für seinen Freund, den Koch.

Eigentlich könnten sie mit ihrem Business bald loslegen. Aber sie finden keine Wohnung. Die brauchen sie, um dort nach Vorstellung von Michielin die Produktion für ihren Lieferdienst zu starten. Langfristig müsse aber auch eine Restaurant- oder Vereinsküche gefunden werden, um die Sache professionell aufzuziehen. Außerdem müssen beide noch eine Schulung beim Gesundheitsamt durchlaufen.

Eva Michielin hofft auf Unterstützung bei der Wohnungs- und Küchensuche. Sie bürge für die Männer. "Dort, wo’s geht, gründe ich." Neben Horb komme auch Balingen in Frage. Michielin will das Unternehmen gründen und die beiden Syrer beteiligen. Aus ihrer beruflichen Erfahrung als Geschäftsführerin berichtet sie von "massiven Hürden", wenn es darum geht, einen Flüchtling einzustellen. "Aber unternehmerisch tätig zu werden, kann man niemandem verbieten."