Ein Prozess, für den fünf Verhandlungstage angesetzt sind, beschäftigt das Amtsgericht in Horb. Es geht um abgezweigte Mitarbeiterlöhne. Foto: Hopp

Prozess: Leiharbeits-"Familienbetrieb" soll im großen Stil Löhne in die eigene Kasse abgezweigt haben.

Horb - Wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Untreue stehen seit gestern vier Mitglieder einer Familie aus einer Nachbargemeinde vor dem Amtsgericht. Ihnen wird vorgeworfen, in Hunderten von Fällen den Arbeitgeber mit einem Leiharbeits-Lohnscheck- System betrogen zu haben.

Der 57-jährige Familienvater ist wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Untreue in 396 Fällen angeklagt. Der Ehefrau werden 129 Fälle, den beiden Söhnen im Alter von 37 und 35 Jahren 96 und 91 Fälle der Beihilfe der gewerbsmäßigen Untreue vorgeworfen. Mutmaßlicher Geschädigter ist die Firma im Raum Vaihingen, für die die Familie haupt- und nebenberuflich arbeitete. Doch wer nun genau wen auf welche Art geschädigt hat, wurde zum Prozessauftakt nur in Umrissen klar.

Anderthalb Stunden brauchten Staatsanwalt Frank Grundke und Referendar Christian Klein-Wiele für das Vorlesen der Anklageschrift. Der Hauptangeklagte ist seit Januar 1988 für die Firma im Raum Vaihingen an der Enz tätig. Diese Firma führte in Horb für ein Industrieunternehmen Reinigungsarbeiten aus. Der Familienvater soll von 2006 bis Ende 2009 seine Stellung als Einsatzleiter für die Hallenbodenreinigung ausgenutzt und ungerechtfertigte Lohnzahlungen für Leiharbeiter einkassiert haben. Diese Leiharbeiter arbeiteten offenbar auf Rechnung des Angeklagten, der somit eine Art von Subunternehmen betrieb. So soll das System nach bisheringen Erkenntnissen funktioniert haben: Der Subunternehmer beschäftigt Arbeiter, die eine Leistung für 100 Euro erbringen, stellt aber der auftraggebenden Firma 400 Euro in Rechnung.

Der Angeklagte soll über die Lohnbuchhaltung seines Arbeitgebers die Scheckausstellungen veranlasst haben, obwohl er wusste, dass ihm keine Zahlungen zustanden.

Eine Person, die nicht der Familie angehörte, stellte Konten zur Verfügung und erhielt fünf Prozent der Beträge. Diese Person reichte die Schecks auf ihr Konto ein und leitete das Geld auf ein Konto der Angeklagten weiter.

Ein getrennt verfolgtes und bereits verurteiltes Ehepaar war als geringfügig verdienend angestellt, erhielt von den 400 Euro nur 100 Euro. Der Rest ging auf das Konto der angeklagten Ehefrau. Obwohl dieses Ehepaar seine Tätigkeit Ende 2008 einstellte, erhielt es 50 Euro pro Person bis September 2009. Die restlichen 450 Euro flossen auf das Konto der Ehefrau. Es entstand ein Gesamtschaden in Höhe von zirka 400 000 Euro. Die Ehefrau und die beiden Söhne des Angeklagten hatten geholfen, indem sie ihre Konten bei drei Banken zur Verfügung stellten.

Am gestrigen ersten Tag der Verhandlung, die auf fünf Tage angesetzt ist, machte der Angeklagte einen unsicherern Eindruck. Richter Christian Ketterer versuchte immer wieder, die Angaben des Mannes für die Schöffen in verständliche Worte zu bringen.

Den Tipp mit den Scheckeinlösungen, so der Angeklagte, habe er von einem Verantwortlichen der eigenen Firma erhalten. Die Mitarbeiter wollten keine Schecks. Sie wollten Bargeld – so die Aussage.

Alle Angeklagten sagten, dass die Vaihinger Firma der Familie Festbeträge für die Hallenboden- und Maschinenreinigung zahlte. Über dieses Geld konnte die Familie verfügen. Der Verdienst sollte die Beitragsgrenze für geringfügig Beschäftigte nicht übersteigen. Man wollte Steuern sparen.

Richter Ketterer fragte: "Wie war es innerhalb der Familie mit den Scheckeinlösungen?" Der Hauptangeklagte erklärt dazu, dass es kein System gab. Die Frau und die Söhne konnten die Schecks einlösen. Sie wurden gesammelt und auf ein Konto eingegezahlt.

An den nächsten Verhandlungstagen will das Gericht Klarheit über die Zuständigkeiten bei der Vaihinger Firma bekommen, die für die Reinigungen bezahlten. Hier geht es darum, welche Beträge den Angeklagten zur Verfügung standen.

Die Ehefrau des Hauptangeklagten belastete einen Mitarbeiter dieser Firma. Er sei bei der Familie zu Hause gewesen und habe gegen die Zahlung eines bestimmten Betrags eine außergerichtliche Regelung erreichen wollen. Das System der Lohnschecks soll von einem der Mitarbeiter der Firma gekommen sein. Ein Sohn bestätigt in seiner Aussage, dass die Familie mit ihrem Namen als Subunternehmen in der Firma genannt wurde. Nächster Verhandlungstag ist am Dienstag, 11. Dezember, ab 9 Uhr.