In Holger Zimmermanns (rechts) "Projektraum 42" am Horber Bahnhof zu Gast waren Yvonne Gebauer, FDP-Bildungsministerin von Nordrhein-Westfalen, und Timm Kern, Bildungs-Spezialist der Partei im Landtag. Foto: Lück Foto: Schwarzwälder Bote

Bildung: Nordrhein-Westfalen versucht’s mit Einstellungs-Garantie für Pädagogik-Studenten

Mit der weltbesten Bildung warb die FDP im Bundestagswahlkampf. Im Projektraum 42 von Holger Zimmermann sagen Yvonne Gebauer, FDP-Bildungsministerin von Nordrhein-Westfalen, und Timm Kern, Bildungs-Spezialist der Partei im Landtag, was sie sich darunter vorstellen.

Horb. Der Projektraum im neuen Einkaufszentrum ist gut besetzt. Jede Menge Lehrer und Schulleiter warten gespannt, was die FDP zu sagen hat.

Erstes Thema: Das knappe Personal. Gebauer: "Wir haben in Nordrhein-Westfalen den größten Personalmangel an den Grundschulen. Hier fehlen 2000 Lehrer." Erste Maßnahme: Alle Lehramtsstudenten, die für weiterführende Schulen studieren, bekommen eine Einstellungsgarantie, wenn sie bereit sind, zwei Jahre an den Grundschulen zu arbeiten. Gebauer: "Die alte Landesregierung hat diese Zusage nicht gemacht. Dort gab es 20 Bewerbungen. Wir haben das jetzt seit wenigen Wochen eingeführt und haben schon 80 Verträge abgeschlossen – insgesamt haben wir schon 170 Bewerber."

Dazu, so Gebauer, werden Nachmittagsbetreuer der Ganztagsschulen auch vormittags eingestellt, damit die Lehrer eine zweite Kraft für besondere Fördermaßnahmen im Unterricht vormittags haben. Die Bildungsministerin: "Eine Win-Win-Situation. Die Betreuer werden vormittags nach dem Jugendhilfe-Tarif bezahlt – besser als nachmittags mit bisher 18 bis 19 Stunden. Damit kann vormittags im Unterricht besser auf die Stärken und Schwächen der Schüler eingegangen werden. Wir haben dafür jetzt 600 Tarifstellen on Top geschaffen." Eingesetzt werden diese Kräfte in sozialen Brennpunkten wie dem Ruhrgebiet.

Die Zahlen. Gebauer: "Es fehlt eine Bedarfsanalyse für Lehrer. Die letzte in NRW stammt aus dem Jahr 2011." Kern: "Das Problem haben wir auch in Baden-Württemberg. Das statistische Landesamt hat es bis heute nicht geschafft, verlässliche Zahlen zur Schülerentwicklung zu liefern. Noch schlimmer: Die Schulaufsicht hat nicht einmal eine Echtzeit-Übersicht, wie viele Lehrer wirklich arbeiten, wie viele krank sind und wie viel Unterrichtsausfall es gibt. Dafür kann Kulturministerin Eisenmann nichts – aber so kann man eine Firma nicht führen! Die können noch nicht einmal auf Knopfdruck sagen, wann besonders viele Lehrer in Ruhestand gehen, um rechtzeitig nachzusteuern. Das ist ein Versagen der Schulverwaltung seit Jahren!"

Kern weiter: "Es gibt einen Stichtag, an dem der Unterrichtsausfall zentral erhoben wird – kurz nach den Ferien, wo die Lehrer noch ausgeruht sind. Dann kommen Quoten wie 1,7 Prozent raus. Wobei auch noch zu berücksichtigen ist, dass Schulen bei der Erhebung vorsichtig sind. Damit nicht die AGs, also die Angebote, die möglicherweise schwache Schüler stärker motivieren kann, für den Regelunterricht gestrichen sind."

Gebauer: "Ich habe jetzt zehn Stichtage zur Erhebung der Unterrichtsversorgung eingeführt – mit dementsprechenden Entlastungsstunden für die Schulen. Ich weiß, die Ergebnisse werden nicht schön für mich. Diese Zahlen werden uns alle erschrecken."

Inklusion. Der gemeinsame Unterricht von Behinderten und Nicht-Behinderten. In NRW, so Gebauer, habe die alte Landesregierung viele Förderschulen geschlossen. Ihre Antwort: Der Aufbau von Fördergruppen – mindestens drei – an Regelschulen, Erhalt der bestehenden Förderschulen und eine digitale Karte, wo die Eltern sehen können, wie weit es zum nächsten Inklusionsangebot zu fahren ist.

Nächste Ansage von Gebauer: Abbau von bürokratischen Belastungen für die Lehrer - wie Förderpläne. Zustimmendes Raunen bei den Lehrern im Projektraum.

Timm Kern: "Es gibt Schulen, die haben 1500 Schüler. Das sind Unternehmen. Deshalb macht es wohl Sinn, eine pädagogische Leitung und eine kaufmännische Leitung einzuführen. Auch der Gehaltsabstand zwischen stellvertretendem Schulleiter und Schulleiter ist klein. Dazu kommt der Irrsinn, dass Pädagogen teuer bezahlte Kräfte sind, die sich auch noch um das Funktionieren des Computersystems kümmern müssen. In der Schweiz gibt es dafür digitale Hausmeister."

Wieder zustimmendes Raunen bei den Pädagogen im Raum.

Eine Schulleiterin stimmt zu: "Das ist richtig. Ich sehe das bei uns an der Realschule – es würde Sinn machen, wenn die Führungsstruktur Richtung Abteilungsleiter gehen würde."

Klar auch für die FDP-Bildungspolitiker: Freiheit für die Pädagogen. Zwar muss es vergleichbare Qualitätsstandards geben, aber, so Gebauer: "Wenn in der Grundschule drei Jahre nur getrommelt oder getanzt wird und alle Schüler nach der vierten Klasse beherrschen den allgemeinen Leistungsstand in Deutsch, Mathe und den anderen Pflichtfächern – warum nicht?"

Kern bringt dann den liberalen Ansatz für die "weltbeste Bildung" auf den Punkt: "Man hat das Gefühl, dass alle fünf Jahre eine neue bildungspolitische Sau durchs Dorf getrieben wird. Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln. Es braucht mehr Verlässlichkeit und mehr Ressourcen, damit die Lehrer ihren Job machen können. Für das Wichtigste überhaupt: Die Arbeit am Kind. Dafür sollte man den Schulen genügend Freiheiten geben."

Gebauer schaut dann noch mal aus dem Fenster auf die Stadtkulisse: "Schön, dass ich jetzt Horb kennengelernt habe!"