Fünf Monate Haftstrafe verhängte der Richter. (Symbolfoto) Foto: Symbolfoto/Seeger

Richter liest Angeklagtem die Leviten. Strafe nicht auf Bewährung ausgesetzt.

Horb -  Die Verhandlung vor dem Amtsgericht Horb hatte noch nicht begonnen, da wurde Richter Albrecht Trick sichtlich ärgerlich. Der 27-jährige Angeklagte, der sich wegen exhibitionistischer Handlungen zu verantworten hat, ist nicht zum Prozessauftakt erschienen. Zehn, fünfzehn Minuten wartet der Richter, dann eilt er in sein Amtszimmer, greift kurzentschlossen zum Telefon. "Schaun wir mal, ob wir ihn antreffen können."

Richter Trick muss Angeklagten auffordern, im Gericht zu erscheinen

Kurz darauf erscheint Trick wieder im Gerichtssaal, der Ärger scheint alles andere als verflogen. Er wisse nichts von dem Termin, habe der Angeklagte aus Gemeinde Landkreis Freudenstadt gesagt. Richter Trick: "Ich habe ihm klipp und klar gesagt, er solle nicht auf blöd machen." Wenn er nicht vor Gericht komme, gebe es einen Haftbefehl. Rund 20 Minuten später betritt der junge Mann den Gerichtssaal. Trick: "Warum sind Sie nicht pünktlich erschienen? ...Keine Entschuldigung, dickes Minus."

Mit rund 40-minütiger Verspätung beginnt der Prozess, doch dann geht es zügig und reibungslos voran. Die Staatsanwältin verliest die Anlage: Im April vergangenen Jahres habe der Angeklagte in einer Bankfiliale vor den Augen einer jungen Frau sein Glied entblößt, ebenso im Oktober 2018 auf dem Marktplatz in seiner Heimatgemeinde, diesmal vor den Augen zweier älterer türkischer Frauen – dabei habe er auch onaniert.

"Ich war geistig ganz woanders mit dem Kopf"

Der Angeklagte, der bereits zuvor wegen exhibitionistischer Handlungen zwei Mal zu Geldstrafen verurteilt worden war, gesteht die Taten ohne Widerspruch. Er habe Drogen konsumiert in dieser Zeit, habe Marihuana geraucht und eine "Kräutermischung", wie er es nennt. "Ich war geistig ganz woanders mit dem Kopf", das sei eine längere Zeit so gegangen, nicht nur, wenn er geraucht habe. "Ich war über Monate in einem ganz anderen Film gewesen." Auch sei er mehrfach in psychiatrischer Behandlung gewesen, sogar zwei Monate in der geschlossenen Psychiatrie im Krankenhaus Freudenstadt. Für eine gründliche Behandlung stehe er seit längerem auf einer Warteliste – und warte ab. Doch die Medikamente, die man ihm gegeben habe, die nehme er derzeit nicht mehr, "weil ich seit Wochen nichts mehr habe".

Auch weiter geht es zügig voran, die belästigten Frauen bestätigen die Tat des Angeklagten, sie fanden es ekelhaft und widerwärtig derartig bedrängt zu werden. 69 und 73 Jahre sind die beiden türkischen Damen alt, vor denen der Angeklagte masturbierte. Ausdrücklich fragt Richter Trick nach, ob sie an Spätfolgen des schockierenden Erlebnisses litten, ob sie etwa schlecht schlafen würden – was beide Frauen auf Nachfrage bejahten. "Bitte erinnern Sie mich nicht daran", wehrte eine der Zeuginnen ab.

Der junge Mann auf der Anklagebank scheint wenig Glück und wenig Freuden im Leben zu haben: Keine Partnerin oder Partner, keine Freunde, in zwei Studiengängen auf der Universität gescheitert, sexuell gestört, zeitweise Drogenkonsument. Auch der Sachverständige zeichnet ein bedrückendes Bild: "Störung der Sexualpräferenz", "Merkmale schwerer seelischer Abartigkeit", ungünstige medizinische und soziale Prognose und – ganz wichtig – "eher geringe Therapiemotivation". Doch nach längerer Ausführung empfiehlt der Sachverständige eine Anerkennung von verminderter Schuldfähigkeit.

Strafe wird nicht auf Bewährung ausgesetzt

Doch davon will der Richter in seinem Urteil nichts wissen. Fünf Monate Haftstrafe verhängt Trick und folgt damit voll und ganz der Staatsanwältin. Den Wunsch der Verteidigung auf eine Bewährungsstrafe lässt er nicht gelten. Man kann sagen: In seinem Urteil liest er dem Angeklagten regelrecht die Leviten. Zwar habe der Angeklagte das Unrecht seiner Tat durchaus eingesehen, doch habe er "nicht den Willen aufgebracht", davon abzusehen. Eine Geldstrafe oder Bewährung komme diesmal nicht in Frage – "um zu zeigen, jetzt ist Schluss".

Doch vor allem warf Richter Trick den Angeklagten vor, dass er "nicht den notwendigen Elan" aufbringe, um seine sexuellen Störungen und psychischen Beeinträchtigungen anzugehen. Er müsse aktiv werden, etwa energisch darauf drängen, dass er in einer Tagesklinik behandelt werde.

Es genüge nicht, sich auf eine Warteliste setzen zu lassen und dann passiv abzuwarten. Fazit des Richters: "Da müssen Sie aktiv handeln, und das können Sie auch... Sie müssen noch ein bisschen was bringen, und zwar ganz gewaltig."

Zum Schluss kommt Trick nochmals auf den Beginn der Verhandlung zurück. Dass er zunächst nicht erschienen sei, zeige eben auch die Haltung des Angeklagten. Trick: "Das ist doch alles Mumpitz." Dann verließ der Angeklagte das Gerichtsgebäude – noch sind Berufung oder Revision möglich.