Das Landgericht Rottweil lehnt die Berufung eines 36-jährigen Mannes, der unter anderem wegen Vergewaltigung und Körperverletzung angeklagt ist, ab. Foto: Archiv-Foto: Begemann

Landgericht Rottweil lehnt Berufung eines 36-Jährigen um Vergewaltigungsvorwürfe ab.

Horb/Rottweil - Drei Jahre und sechs Monate Haft sind das Urteil am Ende des Berufungsverfahrens eines wegen Vergewaltigung, Freiheitsberaubung und Körperverletzung angeklagten Mannes am Landgericht Rottweil.

Das Berufungsverfahren, das ein in Sigmaringen geborener, 36-jähriger gegen das im April ergangene Urteil des Amtsgerichts Horb angestrebt hat, ist mit einer erneuten Verurteilung durch ein Schöffengericht am Landgericht Rottweil beendet worden. Die Kammer unter Vorsitz von Richter Thomas Geiger schloss sich im Wesentlichen den Ausführungen der Staatsanwaltschaft an und schickte den Täter für drei Jahre und sechs Monate in Strafhaft.

Dem gehörlosen Mann warf die Staatsanwaltschaft unter anderem Vergewaltigung, Freiheitsberaubung und Körperverletzung vor. Opfer war seine frühere Lebensgefährtin, die sich von dem Mann trennen wollte und seit Sommer 2017 zusammen mit dem gemeinsamen Sohn und zeitweise auch mit ihrer Mutter auf der Flucht vor dem gewalttätigen Angeklagten war. Doch der Angeklagte, dem der Gutachter Anpassungsprobleme sowie depressiv-aggressive Persönlichkeitsschübe attestierte, suchte die Frau, getrieben von Eifersucht und Verlustängsten, überall und spürte sie auch regelmäßig auf.

Freispruch gefordert

In der Nacht zum 4. November 2017 kam es dann in Betra zur folgenschweren Tat. Eine Tat, die in drei Handlungsstränge aufgeteilt als trauriger Höhepunkt einer Beziehung zu werten ist, in der Gewalt gegen die Geschädigte fast zur Tagesordnung gehörte. Es war der unheilvolle Höhepunkt einer 2014 beginnenden Spirale von Brutalitäten, bei der der Täter immer wieder die Mutter seines Sohnes verprügelte. Es waren Taten, die zwar angezeigt, doch bis dato nur mit Strafbefehlen und Geldstrafen geahndet wurden.

Im Sommer 2017 kam es dann zum endgültigen Bruch. Der Beschuldigte wollte am 26. Juli seinen Sohn ohne das Einverständnis der Mutter aus dem Kindergarten abholen. Die Erzieherinnen gaben das Kind nicht heraus, die Mutter kam dazu, holte die Polizei und man erteilte dem Angeklagten Platzverbot. Doch anstatt sich dies als weitere Warnung dienen zu lassen, ging er zur Wohnung der Frau, würgte und schlug sie und trat auf die am Boden Liegende ein. Es war eine Tat, die zwar angeklagt, doch bis heute aus prozessökonomischen Gründen nicht geahndet wurde, wie der Vertreter der Staatsanwalt in seinem aktuellen Plädoyer nochmals betonte. Doch sie war der Auslöser für die Odyssee, die seither die Geschädigte, die als Nebenklägerin auftrat, gemeinsam mit ihrer Mutter beschäftigt.

Aussage gegen Aussage

In seinem Plädoyer glaubte der Verteidiger des mehrfach vorbestraften Angeklagten, dass man über die beiden ersten Handlungsstränge in Betra nicht mehr viel zu sagen brauche. Der Einbruch in das Haus mit der Axt sei klar. Nur ob der zweite Teil der Tat, die Bedrohung mit dem Messer, als gefährliche Körperverletzung oder nur als versuchte gefährliche Körperverletzung zu sehen sei, das ließ er offen. Vehement wehrte er sich gegen den Vorwurf, dass sein Mandant die Frau vergewaltigt habe. Dies könne man nicht beweisen und hier stehe Aussage gegen Aussage. Im Zweifelsfall sehe er das Recht beim Angeklagten und forderte daher Freispruch für diese Tat.

Für Oberstaatsanwalt Christoph Kalkschmid stellt sich das Bild ganz anders dar. Zu den Abschnitten eins und zwei gab es auch von seiner Seite nicht viel anzumerken, dagegen sah er den Vergewaltigungsvorwurf als erwiesen an. "Hier spielt die Musik in diesem Verfahren", so seine Einschätzung. "Der Angeklagte prügelt die Frau eine halbe Stunde durch Betra, zerrt sie aus dem Auto, mit dem sie zusammen mit dem anderen Mann fliehen will, rast mit ihr in halsbrecherischen Manier über die Autobahn, fährt unter eine dunkle Unterführung und dort soll es zu einvernehmlichen Sex gekommen sein, nachdem er die Frau geschlagen und misshandelt hat und zuvor gewaltsam in ihr Leben eingedrungen ist", fasste er das Tatgeschehen grob zusammen. "Das kann man glauben oder nicht – ich glaube es nicht!" Der Staatsanwalt wertete die Behauptungen des Angeklagten als Schutzbehauptungen und stellte fest, dass dieser sich seine Welt macht, wie sie ihm gefällt.

Auch sah er die Strafzumessung von Amtsgerichtsdirektor Trick aus dem Urteil vom April 2018 im Schuldspruch als wesentlich richtig und in der Strafzumessung komplett richtig an und forderte daher, die Berufung abzulehnen. Der Vertreter der Nebenklage schloss sich diesen Ausführungen an. Beide hoben nochmals die Brutalität der Tat hervor und erklärten, dass die Geschädigte noch heute unter der Tat, bei deren Ausführung sie Todesangst hatte, leide und dass sie in psychologischer Behandlung sei und seither auch nicht mehr arbeiten könne. "Frau T. glaubte, dass unter der Autobahnbrücke ihr Leben zu Ende geht. Von einvernehmlichem Geschlechtsverkehr kann nicht die Rede sein", fasste ihr Prozessbevollmächtigter die Geschehnisse jener Nacht zusammen.

Kammer glaubt der Frau

Die Kammer sah es ebenfalls als erwiesen an, dass sich die Geschichte so abgespielt hat, wie sie von der Geschädigten geschildert wurde. "Die Frau hat im gesamten Prozess keinen Versuch gemacht, den Angeklagten unnötig zu belasten. Wenn sie beispielsweise gesagt hätte, er hätte sie unter der Brücke mit Schlägen zum Sex gezwungen, wir hätten es ihr geglaubt", so Richter Geiger in seiner Urteilsbegründung. Dies war zwar nicht der Fall, doch die Kammer war sich sicher, dass die vorausgegangenen Brutalitäten ausreichten, um die Frau gefügig zu machen. "Was Sie uns hier als freiwillige Handlungen verkaufen wollen, das kann nicht sein", wandte sich Richter Geiger direkt an den Angeklagten, der so sauer über das Urteil war, dass er dem Gebärdendolmetscher verbot, ihm weiter die Urteilsbegründung zu übersetzten. Im Urteil wurden zwar einzelne Tathergänge anders gewichtet als in der ersten Instanz, trotzdem bleib man bei der Strafzumessung von drei Jahren und sechs Monaten Haft. Zudem muss der Täter die Kosten des Verfahrens tragen.

"Hätte diese Tat verhindert werden können? Was wäre gewesen, wenn die Justiz auf die vielen Übergriffe schneller und konsequenter reagiert hätte? Säßen wir heute hier, wenn die Anwohner aus Betra, die alle dem Geschehen zusahen und vor Gericht aussagten, der Frau Unterschlupf und Schutz gewährt hätten?", stellte Staatsanwalt Kalkschmid als rhetorische Frage in den Raum.