Vor dem Horber Amtsgericht musste sich ein 36-Jähriger verantworten, der eine Frau in Betra entführte. Foto: Hopp

36-Jähriger in allen Punkten schuldig gesprochen. Frau hatte Todesangst. Verminderte Schuldfähigkeit.

Horb - Während vor dem Landgericht in Rottweil derzeit über den Dreifachmord in Villingendorf (Landkreis Rottweil) verhandelt wird, ging am Donnerstag vor dem Horber Schöffengericht ein Prozess zu Ende, bei dem die Anwälte beider Parteien erhebliche Parallelen zu diesem Fall sahen.

Auch im Horber Fall ging es um eine Beziehungstat, um ein Kind und um eine Frau, die vor ihrem Lebensgefährten flüchtete. Wegen gefährlicher Körperverletzung mit Waffengewalt, Freiheitsberaubung und Vergewaltigung wurde hier der Angeklagte vom Schöffengericht Horb nun zu drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsentzug verurteilt.

Am Dienstag begann der Prozess gegen den heute 36-jährigen, gehörlosen Mann, der zuletzt in Biberach/Riss bei seiner damaligen Lebensgefährtin, der Geschädigten, wohnte. Es war der unheilvolle Höhepunkt einer 2014 beginnenden Spirale von Gewalt, bei der der Täter immer wieder die Mutter seines Sohnes verprügelte. Es waren Taten, die zwar angezeigt, doch bis zum Sommer 2017 nur mit Strafbefehlen und Geldstrafen geahndet wurden.

Im Sommer 2017 kam es dann zum endgültigen Bruch. Der Verurteilte wollte am 26. Juli seinen Sohn ohne das Einverständnis der Mutter aus dem Kindergarten abholen, die Erzieherinnen gaben das Kind nicht heraus, die Mutter kam dazu, holte die Polizei und man erteilte ihm ein Platzverbot. Doch anstatt dies als weitere Warnung zu sehen, ging er zur Wohnung der Frau, die sich von ihm getrennt hatte, würgte und schlug sie und trat auf die am Boden Liegende ein. Dafür wurde er vom Amtsgericht Biberach zu vier Monaten Haft, die auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurden, verurteilt.

Doch auch das nutzte nichts. Er suchte die Frau, die inzwischen vor ihm auf der Flucht war, überall. Als sie bei ihrer Tante in Empfingen Unterschlupf fand, schlich er nachts ums Haus und in ihrem neuen Versteck, einer Ferienwohnung in Betra, kam es dann in den Abendstunden des 5. Novembers zum großen Knall.

Er sah durch das beleuchtete Küchenfenster wie seine Ex-Partnerin mit einem anderen Mann am Küchentisch saß.

Erster Fluchtversuch schlägt fehl

Er rief sie auf dem Handy an, doch sie drückte den Anruf weg. Rasend vor Wut über diese vermeintliche Kränkung suchte er in der Gegend nach einem geeigneten Werkzeug, um ins Haus einzudringen. Er fand eine Spaltaxt und schlug das Küchenfenster ein. "Warum haben Sie nicht wie jeder normale Mensch an der Haustüre geklingelt, wenn Sie die Frau oder das Kleinkind besuchen wollen", lautete eine Frage, die im Laufe des Prozesses mehrfach gestellt wurde.

Er bedrohte dann die beiden mit der Axt und wollte angeblich wissen, ob sie ein Verhältnis miteinander hätten. Die Frau verneinte dies in ihrer Angst und konnte ihn mit dem Hinweis, dass noch weitere Personen im Obergeschoss seien, ablenken. Während er oben nachschaute, versuchten die beiden, mit dem Auto des Wohnungsmieters zu fliehen. Doch der Beschuldigte holte sie rasch wieder ein, riss die Beifahrertür auf, schlug dem Fahrer ins Gesicht und zerrte seine frühere Partnerin an den Haaren aus dem Wagen. Vor dem Auto schlug er sie dann voller Wut brutal zusammen.

Als er feststellte, dass sein angeblicher Nebenbuhler fliehen wollte, rannte er dem Mann mit der Axt in der Hand nach. Der konnte ihm jedoch entkommen. Der Täter warf die Axt in den Straßengraben, ging ins Haus und holte sich ein 28 Zentimeter langes Küchenmesser, mit dem er die Geschädigte bedrohte und sie in sein Auto zwang. "Dort schmiss er mich auf den Rücksitz, setzte sich hinters Steuer und raste planlos, dafür extrem schnell, über Feldwege davon", erzählte die Frau.

Verfolgungsjagd führt von Betra bis nach Herrenberg

Dass ihn inzwischen eine ganze Armada von Polizeifahrzeugen samt einem Polizei-Hubschrauber suchte, das schien der Verurteilte nicht zu bemerken. Die wilde Jagd führte in die Nähe eines Industriegebiets in Herrenberg und später nach Bondorf. Dort vergewaltigte er die Frau im Auto.

Dafür verurteilte ihn das Schöffengericht Horb nun zu drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsentzug und folgte hier weitgehend dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft.

Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft betonte in ihrem Plädoyer, dass sie nach der Beweisaufnahme davon ausgehe, dass zu keiner Zeit ein Tötungsvorsatz durch den Angeklagten bestand. "Er hätte dies jederzeit durchführen können". Am Tatgeschehen im Haus sowie vor dem Haus und beim Auto, die als Drohung in zwei Fällen sowie Körperverletzung und versuchte gefährliche Körperverletzung gewertet wurden, gab es weder von der Staatsanwaltschaft noch von Verteidigerseite irgendein Vertun. So auch beim Tatvorwurf der Freiheitsberaubung.

Bei dem Hauptanklagepunkt, der Vergewaltigung, drifteten die Meinungen jedoch auseinander. Während sowohl für die Vertreterin der Anklage als auch für den Opferanwalt klar war, dass es sich um eine eindeutige Vergewaltigung handele, was da auf der Rückbank des Mietwagens des Beschuldigten unter der Autobahnbrücke bei Bondorf passiert ist, sah es der Beschuldigte selbst als eine Art von Versöhnung an, denn man habe sonst auch immer nach einem Streit Geschlechtsverkehr gehabt.

Das Gericht sah dies jedoch ähnlich wie die Anklagevertreterin. "Die Frau hatte Todesangst", sagte Amtsgerichtsdirektor Albrecht Trick im Zuge seiner Urteilsbegründung. "Sie sind buchstäblich mit brachialer Gewalt durchs Küchenfenster in ihr Leben eingebrochen", fügte Trick an, der felsenfest davon überzeugt war, dass die Angaben der Geschädigten, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgten, der Wahrheit entsprachen. Da gebe es keinen Zweifel, kein "In dubio pro reo" und deshalb auch keinen Freispruch für diesen Tatvorwurf, wie von seinem Verteidiger gefordert.

Im Gegenteil, der Vorsitzende versuchte dem Mann, dem der psychiatrische Sachverständige eine verminderte Schuldfähigkeit attestierte und der überwiegend emotionslos der Urteilsbegründung folgte, klar zu machen, dass er mit diesem für ihn so harten Strafmaß noch Glück gehabt hatte. "Diesen Fall hätte man auch locker vor dem Landgericht verhandeln können und dann wäre ein höherer Strafrahmen gut möglich gewesen", meinte er.