Der 74-jährige Christian Pfeiffer ist einer der bekanntesten deutschen Kriminologen. Foto: Spata Foto: Schwarzwälder Bote

Experte: Der bekannte Kriminologe Christian Pfeiffer nimmt zum Kapitalverbrechen in Horb Stellung

Er hat in seiner Laufbahn schon viele Kriminalfälle beleuchtet: Der bekannte Kriminologe Christian Pfeiffer analysiert für uns den Tötungfall von Nordstetten und die dazugehörige Ermittlungsarbeit.

Horb. Warum sagt die Polizei so wenig? Viele wünschen sich mehr Informationen über den aktuellen Ermittlungsstand zur Tötung von Michael Riecher. "Es ist nicht nur normal, dass die Ermittlungsgruppe so wenig preis gibt, es ist sogar vollkommen richtig. Die Polizei muss sich so verhalten, damit auf keinen Fall durch Äußerungen in der Öffentlichkeit Wissen transportiert wird, das nur Täter und die Polizei haben können", sagt der einem breiten Publikum auch aus Funk und Fernsehen bekannte Kriminologe aus Hannover. Später werde die Polizei alles offenlegen und man werde verstehen, dass es gute Gründe gab, dass Informationen geheim blieben.

Wichtig für die Polizeiarbeit sei dennoch die Unterstützung der Medien. "Ihre große Berichterstattung trägt mit einem Höchstmaß zur Bürgerbeteiligung bei, es hängt alles davon ab in der jetzigen Ermittlungsphase."

Immer wieder gibt es in solchen Fällen auch Kritik, dass der Name des Opfers genannt wird. Unsere Zeitung hatte sich dafür entschieden, weil Riecher eine bekannte Person in Horb war. Pfeiffer hat da eine eindeutige Meinung: "Es war auch vollkommen richtig, den Namen des Opfers zu nennen, weil man dadurch auch mehr Hinweise bekommen kann. Darauf ist die Polizei angewiesen."

Zum Fall selbst ist der Kriminologe zwar zurückhaltend, aber er gibt dennoch ein paar wichtige Einschätzungen. "Die Ermittler müssen nun herausbekommen, wer so eine Wut auf ihn hatte, dass er ihn umbringt. Da wird das private Milieu beleuchtet, aber auch der natürlich der Geschäftsbereich. Eine geschäftliche Todfeindschaft kann beispielsweise auch weiter wegliegen." Das bedeutet, dass es nicht zwangsläufig ein Geschäftspartner aus der direkten Umgebung sein könnte.

Für Pfeiffer sieht der Horber Fall so aus: "Dass er durch einen Zufall umgekommen ist, scheint eher unwahrscheinlich. Man denkt eher, dass es eine geplante Geschichte sein könnte. Da passt auch dazu, dass Auffindeort und Tatort wohl unterschiedlich sein sollen."

Doch was könnte am Tatort passiert sein? "Hier spricht viel dafür, dass die Tötung vertuscht werden sollte. Möglicherweise wurde die Auffinde-Situation fingiert. Eventuell wurde ein Suizid oder Unfall vorgetäuscht."

All das lasse manche Möglichkeiten als unwahrscheinlich erscheinen: "Ein überraschter Einbrecher wird in den allermeisten Fällen wohl diesen Aufwand nicht betreiben."

Doch nach was suchte die Polizei so ausführlich im Ort? Pfeiffer antwortet: "Die Polizei wird Gründe gehabt haben, eventuell sind Gegenstände am Tatort verschwunden sind, die den oder die Täter verraten hätten."

Der erfahrene Kriminologe setzt auf die Kompetenz der Polizei. "Wir können stolz auf unsere Polizei sein. Sie hat eine Aufklärungsquote in solchen Fällen bei weit über 90 Prozent. Die Zahl der vorsätzlichen Tötungen ist seit 2000 um etwa 30 Prozent rückläufig, es gibt also keine steigende Mordlust. Man kann sagen: je schlimmer der Mord, je stärker der Rückgang. Der Mord mit Schusswaffen ist um drei Viertel zurückgegangen, der von Sexualmorden seit Mitte 80 Jahre sogar um 90 Prozent. Die deutsche Polizei hat einen großen Anteil, es ist eine extrem erfolgreiche Arbeit."

Der 74-jährige Christian Pfeiffer gehört zu den bekanntesten Kriminologen in Deutschland und ist in den Medien ein oft und gern gesehener Gast: Kaum eine Talkshow oder politische Runde zu Themen rund um Gewalt, in der Pfeiffer noch nicht aufgetreten ist. 1985 kam der Wissenschaftler von München an das Kriminologische Forschungsinstitut nach Hannover, zunächst als Stellvertreter, ab 1988 bis 2015 als Direktor. Analysen aus seinem Haus sorgten immer wieder für politischen Zündstoff. Von Dezember 2000 bis März 2003 war Pfeiffer niedersächsischer Justizminister.