Die Künstlerin Margarita Rozenberg in der von ihr gebauten Laubhütte, die neben dem jüdischen Betsaal in der Fürstabt-Gerbert-Straße aufgestellt wurde. Fotos: Hopp Foto: Schwarzwälder-Bote

Kultur: Margarita Rozenbergs Werk steht neben dem jüdischen Betsaal / Bis zum 11. Oktober zu besichtigen

Vor 79 Jahren haben die Horber Juden wahrscheinlich das letzte Mal ihre Laubhütten aufgestellt – am Mühlkanal, in der Schillerstraße. Dann kamen 1938 die Novemberpogrome durch die Nazis- und die Zerstörung des jüdischen Betsaals. Jetzt ist die Laubhütte endlich wieder da.

Horb. Künstlerin Margarita Rozenberg erklärt am Mittwochabend im jüdischen Betsaal als erstes Elisabeth Kaiser ihr Werk mit dem Namen: "Großmutters Schürze." Sie erklärt ihr den Aufbau, und Kaiser staunt: "Faszinierend."

Denn: Rozenberg hat nicht nur gemeinsam mit Frank Fierke und Joe Horejs das Gestell für die Laubhütte aus Bambus gebaut. Sondern auch Großmutters Schürze darübergelegt – und die Tasche vorne am Eingang mit Äpfeln gefüllt. Margarita lacht: "Das sind ganz frische Granny-Smith-Äpfel!" Und die ersten Kinder waren auch schon da: Konfirmanden und Schüler, die Stoffbänder innen an die Bambus-Konstruktion geknüpft haben.

Dann füllt sich der Platz zum großen Fest. Die frühen Gäste inspizieren gleich die Laubhütte von innen, während die anderen das Werk aus der Ferne betrachten. Michael Widmann: "Das ist eine gute und schöne Idee, etwas strukturell Offenes und Neues zu machen."

Margarita schaut wieder aus der Laubhütte raus. Sagt dann zur Eröffnung: "Ich sehe so viele Gäste hier lächeln. Ich freue mich, dass dieses Werk, welches mein Nomaden-Leben widerspiegelt, so einen Anklang in Horb findet. Es bietet Schutz, ist aber nur ein temporäres Bauwerk. Es soll daran erinnern, dass wir alle in Gedanken zu unseren Wurzeln zurückkehren sollen, um die Geborgenheit zu spüren, wie unter Großmutters Schürze. Wir hängen alle nur von Gottes Willen ab. Leute wie ich, die ein Nomadenleben führen, sind von Liebe und Unterstützung abhängig. Und ich bin froh, dass ich das hier im Neckartal erlebe!"

Denn: Margarita wollte ursprünglich nur zwei Wochen im Künstlerhaus Eleven in Starzach-Börstingen bleiben. Doch das Neckartal hat es ihr angetan. So bekam sie ein Praktikum von den dortigen Künstlerhaus-Machern Monika Golla und Frank Fierke. Und lernte Anfang September Barbara Staudacher kennen (wir berichteten). Und die besorgte ihr nicht nur ein Stipendium für die Zeit von Oktober bis Dezember, sondern entwickelte mit ihr die Idee zur Laubhütte. Und damit ist dieses Festsymbol der Juden nach 79 Jahren wieder in Horb zu sehen. Geschaffen von einer israelischen Künstlerin. 

Staudacher: "Ich bin froh, dass die Laubhütte wieder zurück nach Horb gekommen ist. Früher war es selbstverständlich, dass die Laubhütten hier überall standen. Vor dem Haus von Rabbiner Schweitzer gegenüber, aber auch in den Gärten zum Neckar hin und am Mühlkanal. Deshalb haben wir Margarita vorgeschlagen: Bau uns eine Sukkah."

Und Heinz Högerle vom Förderverein ehemalige jüdische Synagoge erklärt, was hinter der Sukkah – der Laubhütte – steht. Högerle: "In der Bibel steht: Man soll am ersten Tag des Festes schöne Früchte von den Bäumen nehmen und sieben Tage fröhlich sein vor Gott! Auffällig an allen jüdischen Festen – also auch beim Laubhüttenfest: Alle nehmen immer Bezug auf Ägypten. Und dass die Juden von dort aus vom Sklaventum befreit worden sind. Das rührt einmal an die Grundfrage: Wie sollen wir leben? Wir müssen erfassen, dass alles vergänglich ist. Und noch eine Lehre ergibt sich: Ihr sollt auch die Fremdlinge lieben. Denn ihr wart auch Fremdlinge in Ägypten."

Und obwohl es einiges zum Nachdenken und -fühlen gibt, startet nach den jiddischen Klängen von Martin von Ende auf Geige und Gitarre dann das fröhliche Fest.

Dann gibt es Kürbissuppe und Brot. Eine Frau am Tisch genießt die Suppe und schaut auf das Brot und sagt zu ihrem Mann: "Das ist jüdisches Weißbrot vom Kipp. Das Rezept hat er von seinem Vater."

Horbs erstes Laubhüttenfest seit 79 Jahren. Und was macht die Künstlerin jetzt die nächsten drei Monate? Margarita lacht: "Meinen Geburtstag – den 14. Oktober – feiere ich in Berlin. Mit einem Künstler, den ich in einer Residency kennengelernt habe. Danach komme ich zurück nach Horb, um gemeinsam mit Steffi Müller und Klaus E. Dietl aus dem Künstlerhaus ein Werk zum Lichterfest zu machen." Das erinnert an den zweiten jüdischen Tempel und beginnt am 3. Dezember. Horb kann sich also schon jetzt auf das nächste Werk der sympathischen israelischen Künstlerin freuen.

"Großmutters Schürze" - Laubhütte von Margarita Rozenberg. Neben dem jüdischen Betsaal in der Fürstabt-Gerbert-Straße 2, Horb. Bis 11. Oktober.