Hidir Özer wohnt im Haus Bahnhofsplatz 16. Die Häuser mit den früheren Eisenbahner-Wohnungen sollen verkauft werden. Doch die Mieter sind in Sorge, dass es dann zu Mieterhöhungen oder anderen Plänen kommt. Foto: Hopp

Vonovia möchte 1,29 Millionen Euro für die drei Gebäude haben. Mieter sind besorgt.

Horb - "Wohnensemble am Bahnhofplatz – denkmalgeschützte MFH mit hoher Rendite!!!" – so werden derzeit drei Häuser mit früheren Eisenbahner-Wohnungen auf "Immobilienscout24" angepriesen. Die Mieter sind in Sorge.

Hidir Özer steht vor dem Hauseingang Bahnhofs-platz 16. Der Eigentümer von Haag’s Bistro wohnt mit seiner Familie in der mittleren Etage des Hauses. "Die Wohnlage ist eigentlich super. Der Zustand der Wohnungen ist allerdings ausbaufähig im wahrsten Sinne des Wortes. Und Schimmel haben wir leider derzeit auch."

Am Wochenende fanden Besichtigungen statt

Am Wochenende war "großer Bahnhof" (passend zum Bahnhof ganz in der Nähe) in den Gebäuden 12, 14 und 16. Es standen Häuserbesichtigung an. Denn die Vonovia, das größte Wohnungsunternehmen und der größte private Vermieter Deutschlands, möchte diese Immobilien abstoßen. "Es ist richtig, dass die Objekte – 18 Wohneinheiten innerhalb dreier Häuser – zum Verkauf stehen", sagt Bettina Benner, Pressesprecherin des Unternehmens. Offizieller Eigentümer ist die Eisenbahn-Siedlungsgesellschaft Stuttgart gGmbH, allerdings hat die Vonovia (früher Deutsche Annington, siehe Info) 94,87 Prozent Anteile an dieser Gesellschaft.

"Wir suchen in erster Linie einen Kapitalanleger, der die Häuser langfristig in seinen Bestand nehmen möchte und diese weiterentwickelt", sagt die Pressesprecherin unserer Zeitung. "Es waren sieben Personen da, die die Häuser besichtigt haben", erzählt Hidir Özer. 1,29 Millionen Euro möchte man für die drei Häuser haben, die zwischen den Jahren 1908 und 1923 gebauten wurden.

Einige Mieter sind besorgt. Manche leben schon 40 Jahre und mehr in den ehemaligen Eisenbahnerwohnungen. Die Gebäude stammen ursprünglich aus dem Bundeseisenbahnvermögen und wurden dann privatisiert.

Stadt hat kein Interesse an "Zwischenkauf"

"Wir hatten seit 2011 drei oder vier neue Eigentümergesellschaften. Die Miete ist in jedem Jahr zweimal gestiegen", sagt eine Mieterin. Die Sorge ist groß, dass der neue Eigentümer den Mietpreis erneut erhöht. Horrornachrichten aus den Großstädten machen die Runde, wo Immobilienhaie versuchen, die Altmieter zu vergraulen, um neu hergerichtete, schicke Luxuswohnungen teurer vermarkten zu können.

Die Vonovia versucht zu beruhigen: "Selbstverständlich muss der Käufer alle Auflagen der Sozialcharta übernehmen, da sich der Verkäufer im Rahmen einer ›Sozialcharta‹ gegenüber dem Bundeseisenbahnvermögen zur Übernahme von sozialen Bindungen im Hinblick auf Mieter, die zum berechtigten Personenkreis im Sinne des Wohnungsfürsorge- und Wohnungsbeschaffungsvertrages mit dem Bundeseisenbahnvermögen gehören, verpflichtet hat." Doch gerade der Slogan "hohe Rendite" mit drei Ausrufezeichen in der Anzeige im Internet lässt die Mieter aufhorchen. "Ich weiß nicht, wo eine hohe Rendite herkommen soll. Die Wohnungen sind größtenteils stark renovierungsbedürftig, das Dach müsste gemacht werden, die Bäder und die Fenster sind alt", sagt ein Mieter, der Angst hat, dass sein Name in der Zeitung erscheint. Auch im Internet-Expose wird vom deutlich erkennbaren Renovierungs- und Modernisierungsbedarf" gesprochen.

Wer die Anlage sieht, erkennt aber vielleicht auch das Potenzial. Das Bahnhofsareal gilt als "Filetstück", in Richtung Kernstadt gibt es große Gartengrundstücke mit Blick auf die Stadtsilhouette. Hätte die Stadt da nicht Interesse, die Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen?

Die Stadt erklärt allerdings auf Anfrage, dass kein Interesse besteht. Die Entwicklung der Wohnbebauung im Bahnhofsareal sei bereits im Bebauungsplan "Bahnhofsplatz-Mitte" im Zusammenhang mit der damaligen Ansiedlung von Kaufland und Aldi eingehend untersucht worden. Insbesondere aufgrund der denkmalschutzwürdigkeit der Gebäude (Sachgesamtheit Bahnhof nach § 2 DSchG) "erscheint es geboten, die Wohngebäude zu erhalten und nicht mit anderen Entwicklungen zu überlagern". Bereits im Bebauungsplan sei jedoch eine behutsame Weiterentwicklung und Nachverdichtung der Freiflächen vorgesehen. "Ein Einwirken der Stadt durch einen Zwischenkauf ist hierfür nicht erforderlich." Stadt und Vonovia erklären, dass es bisher keine Gespräche gegeben habe. Von städtischer Seite sei das auch nicht geplant.

 Vonovia ist das Nachfolge-Unternehmen von Deutsche Annington (DA). Die DA leitete ihren Namen von der britischen Schwestergesellschaft Annington Homes ab.

 Im Jahr 2001 wurde die DA erstmals tätig und erwarb 11 (von 18) Eisenbahnerwohnungsbaugesellschaften (EWG) des Bundes mit rund 65 000 Wohnungen.  Die DA ging 2013 an die Börse. Vom Magazin Stern wurde sie 2014 als "Die Miet-Hai-AG" betitelt. "Schimmel, kaputte Dächer und Heizungen: Viele Wohnungen der Deutschen Annington sind in schlechtem Zustand", hieß es dort.  Ende 2014 übernahm die DA die Gagfah. Das Unternehmen wurde in Vonovia umbenannt.  Am 14. Juni 2015 übernahm die DA die Süddeutsche Wohnen (SÜDEWO), die im Besitz von rund 20 000 Wohnungen in Baden-Württemberg war, für 1,9 Milliarden Euro vom bisherigen Eigentümer Patrizia Immobilien. Laut Mietern der Horber Häuser war die SÜDEWO einer der Vermieter der Gebäude in den vergangenen Jahren.  Die Strategie der Vonovia sieht laut eines Insiders wie folgt aus: "Die Vonovia möchte sich auf Großstädte und Großanlagen konzentrieren, da die Betreuung kleinerer Wohneinheiten zu teuer ist."