Eine Garderobe für Richterinnen und Schöffinen: Ehrenamtliche Schöffen werden manchmal verzweifelt gesucht. Doch in Horb hat man viele Kandidaten abgelehnt. Foto: Gentsch Foto: Schwarzwälder Bote

Gemeinderat: Die Schöffenwahl in geheimer Abstimmung hat für Enttäuschung und Wut bei einigen Kandidaten gesorgt

Die Schöffenwahl am Dienstagabend im Gemeinderat (wir berichteten) hat für einige Enttäuschungen gesorgt. War die geheime Wahl ein Politikum und eine persönliche Abrechnung mit einigen Kandidaten?

Horb. Die Schöffenwahl in einem Gemeinderat ist normalerweise kein Thema, das für große Aufregung sorgt. Oftmals finden Gemeinden gar keine oder nicht genügend Schöffen, die sie dem Landratsamt vorschlagen können, das dann seine Auswahl an die Amtsgerichte weitergibt, die dann ebenfalls noch einmal wählen.

In Horb hatte sich diesmal eine beachtliche Zahl an Bürgern bereit erklärt. Einige wurden von den Fraktionen im Gemeinderat vorgeschlagen oder hatten sich auch selbst gemeldet. 43 standen auf der Liste für das Schöffenamt, aber nur 24 schlägt der Gemeinderat nun dem Landratsamt vor. Bei den Jugendschöffen sind es nur sechs der zwölf Kandidaten, die die Hürde von 17 Stimmen erreicht hatten.

In der Vergangenheit, so erinnern sich einige Stadträte, die schon länger dabei sind, wurde en bloc, also über alle Kandidaten gemeinsam, nicht geheim abgestimmt. Doch diesmal gab es den Wunsch, geheim zu wählen. Nicht von der SPD, wie wir am Dienstag berichtet hatten. Das dementiert SPD-Stadträtin Viviana Weschenmoser, die betont, dass eine geheime Wahl legitim sei: "Die Schöffenwahl geheim abzuhalten finde ich grundsätzlich wenig schwierig, dass Wahlen geheim stattfinden können gehört zu den wichtigen Bausteinen des Demokratieprinzips."

Stadträte erzählen hinter vorgehaltener Hand, dass es wohl vor allem darum ging, dass die Kandidaten des rechten Lagers, ULH-Stadtrat Martin Raible und AfD-Mann Roland Tischbein, verhindert werden sollten. Aber am Ende gab es auch weitere Bürger – darunter einige, die man im öffentlichen Leben gut kennt und die bereits viele ehrenamtliche Funktionen übernommen haben – die nicht gewählt wurden.

Markus Pagel, Stadtrat der Offenen Grünen Liste (OGL), wurde als Jugendschöffe abgelehnt. Für ihn persönlich ist das kein Problem: "Ich habe damit schon gerechnet, denn ich weiß, dass mich manche aus den anderen Fraktionen nicht mögen. Da stehe ich drüber." Was Pagel aber ärgert: "Für die anderen Menschen ist das frustrierend. Das ist eine unglaubliche Form von Arroganz gegenüber denjenigen, die sich ehrenamtlich engagieren wollten." Für ihn ist klar: "Da braucht man sich dann auch nicht zu wundern, wenn sich einige aus Enttäuschung nicht mehr freiwillig melden."

Einer dieser Bürger ist Stefan Blank. Vor Kurzem wurde er als Hauptamtsleiter der Gemeinde Starzach pensioniert. Blank war und ist vielfältig engagiert: Kirchenpfleger der katholischen Kirche in Nordstetten, im dortigen Schützenverein und Mitglied im renommierten Chor Vocalmania. "Ich gebe zu: Im ersten Moment war ich schon enttäuscht. Ich habe es nicht verstanden, warum ich nicht gewählt wurde." Blank hatte sich nicht das erste Mal aufstellen lassen. "Ich war die vergangenen vier Jahre Ersatz-Schöffe, einmal war ich schon für eine Verhandlung zugeteilt, die ist aber geplatzt, weil der Angeklagte nicht erschien."

Parteipolitisches Kalkül sieht Jerome Brunelle als Grund dafür, warum er nicht genügend Stimmen bekommen hat. Der Horber SPD-Vorsitzende sagt: "Ich war fassungslos. Ich verstehe nicht, wie man aus der Schöffenwahl ein Politikum machen kann, ich betätige mich doch nicht politisch, wenn ich als Schöffe im Einsatz bin."

Viviana Weschenmoser sagt: "Höchst unverständlich, fast schon unerhört finde ich, dass einzelne Räte, und nichts anderes lässt das Wahlergebnis vermuten, die Schöffenwahl zu einem Politikum stilisiert haben." Die SPD-Fraktion habe bereits im Vorgang zur Wahl allen Bürgerinnen und Bürgern gedankt, die sich bereit erklärt haben, das wichtige Amt einer Schöffin oder eines Schöffen zu belegen. "Das freiwillige Mitwirken bei der Rechtsprechung ist höchst löblich und wichtig. Weshalb dieses Engagement durch das Wahlverhalten einiger Stadträte blockiert wird, ist mir unverständlich. So oft rufen wir zur Beteiligung auf, fordern von den Jugendlichen in der Stadt mitzumachen und ärgern uns über (Politik)Verdrossenheit. Gleichzeitig aber die unbescholtenen freiwilligen Bürgerinnen und Bürger auszubooten, finde ich total daneben." Weschenmoser weiter: "Im Schutz der geheimen Wahl, auf dem Rücken von Horberinnen und Horbern Parteistärke symbolisieren zu wollen, ist nicht nur unnötig sondern dreist. Ich hoffe in fünf Jahren werden sich die Freiwilligen wieder melden und nicht verschreckt sein von solch einem Vorgehen."

Und was sagt die Stadtspitze dazu? OB Peter Rosenberger sieht in der Schöffenwahl kein Problem. Es handele sich um eine demokratische Wahl. "Es hätten wahrscheinlich mehr geschafft, wenn mehr Stadträte abgestimmt hätten." Tatsächlich waren es nur 21 von 32 (plus die OB-Stimme), die abgestimmt hatten. Da die Hälfte der gesetzlichen Mindestzahl des Gemeinderats als Stimmen notwendig waren, benötigte man 17 Stimmen. Viele der gewählten Kandidaten hatten gerade mal so viel und wären beinahe ebenso nicht gewählt worden. Rosenberger: "Ich glaube, dass viele diejenigen gewählt haben, die sie gut kennen. Deshalb haben manche nicht genügend Stimmen bekommen."

"Ein Schlag ins Gesicht für die, die sich ehrenamtlich engagieren wollten." Stadtrat Markus Pagel sagt treffend, warum die Schöffenwahl in Horb zum Debakel wurde. Ehrenwerte Personen, die sich oft für die Stadt verdient gemacht haben und an deren demokratischer Gesinnung nicht gezweifelt werden kann, wurden nicht gewählt. Ja, das ist das legitime Ergebnis einer geheimen Wahl, aber dennoch muss sich jeder Stadtrat fragen, ob er die Grenze seiner persönlichen Bewertung der Kandidaten nicht überschritten und damit die Bereitschaft zum Ehrenamt mit Füßen getreten hat. Und das, obwohl zwei weitere Prüforgane tätig werden: das Landratsamt und das Amtsgericht. Die Schöffenwahl ist kein Schauplatz für Politik und persönliche Abrechnungen. Wenn beim nächsten Mal deutlich weniger Freiwillige ihre Bereitschaft erklären, wird das Gejammer groß sein.

 Die Schöffenwahl für die Amtsperiode 2019 bis 2023 findet in ganz Baden-Württemberg statt. Das Ministerium schreibt: "Die schöffenrichterliche Tätigkeit ist eine verantwortungsvolle und besonders bedeutsame ehrenamtliche Tätigkeit in unserer Gesellschaft. Schöffinnen und Schöffen haben im Rahmen dieser Tätigkeit die Möglichkeit, ihre Wertungen, ihre Lebens- und Berufserfahrung in die Entscheidungen der Gerichte einzubringen. Damit garantieren sie eine Rechtsprechung, die lebensnah und allgemeinverständlich ist und stärken das Vertrauen in die Justiz", schreibt das Justizministerium des Landes.  Schöffen sind an den Schöffengerichten der Amtsgerichte, sowie an den Kleinen und den Großen Strafkammern der Landgerichte tätig. Sie entscheiden gemeinsam mit den Berufsrichtern über Schuld- und Straffragen bei allen schwerwiegenden, umfangreichen und bedeutsamen Anklagevorwürfen.

 Melden konnten sich deutsche Bürgerinnen und Bürger, die am 1. Januar 2019 das 25. Lebensjahr vollendet haben und nicht älter als 69 Jahre sind. Personen, die zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen für das Amt nicht geeignet sind, die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrschen oder in Vermögensverfall geraten sind, sollen nicht zum Schöffenamt berufen werden, so das Ministerium.

 Ausgeschlossen sind außerdem Personen, denen ein Gericht die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter aberkannt hat oder die wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt worden sind.

 Die Gemeinde erstellen aus dem Kreis der Bewerber eine Vorschlagsliste, die den Amtsgerichten übersandt wird. Dort wird dann im Spätsommer 2018 die eigentliche Schöffenwahl durchgeführt.