Diese 1922 von Albert Birkle geschaffene Stadtansicht von Horb am Neckar ist in der Schausammlung des Oberen Belvedere der stilistischen Epoche "Moderne vor 1945" zugeordnet und findet sich in einem der bedeutendsten österreichischen Kunstmuseen in Wien. Foto: Kultur- und Museumsverein Foto: Schwarzwälder Bote

Kunst: Zwischen Kokoschka und Klimt: Zwei Horberinnen stoßen bei ihrem Wiener Stadttrip auf ein Gemälde von Albert Birkle

Horb. Prinz Eugen von Savoyen (1663-1736), der als erfolgreicher Feldherr mit seinen Truppen einst auch durch Horb gezogen war, ließ sich das Gartenpalais Belvedere von Johann Lukas von Hildebrandt als Sommersitz vor den Toren der Stadt Wien erbauen. Das barocke Gesamtkunstwerk bestand aus zwei Schlössern und beherbergt heute in einer Anfang 2018 völlig neu konzipierten Dauerausstellung im Oberen Belvedere österreichische Kunst vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Unter den 420 Werken findet sich eine Horber Stadtansicht von Professor Albert Birkle (1900 -1986).

Dass die 65 mal 67 Zentimeter große Horber Stadtansicht den beiden jungen Damen unter den zahlreichen Gemälden aus Mittelalter, Barock, Klassizismus, Biedermeier und Moderne überhaupt aufgefallen ist, ist wohl der Tatsache geschuldet, dass eine der Damen für das kleine Neckarstädtchen besonders sensibilisiert wurde, weil sie lange Zeit als Waschweib-Darstellerin in Diensten der Horber Nachtwächter stand.

Die mit Temperafarben auf Pappe gemalte Stadtansicht wurde 1922 von Albert Birkle geschaffen und 1979 für die bedeutendste Sammlung österreichischer Kunst vom Künstler direkt angekauft. Birkle wurde 1900 in Berlin geboren, war aber aufgrund seines Großvaters mütterlicherseits eng dem oberen Donautal verbunden.

Berliner Künstler kehrt nach Machtergreifung der Nazis seiner Heimatstadt den Rücken und siedelt 1932 nach Salzburg über

Dieser war Hofmaler in Sigmaringen und gestaltete besonders Landschaften im Stil zwischen Realismus und Biedermeier. Albert Birkle diente als Soldat im Ersten Weltkrieg und trat nach Kriegsende in Berlin eine Lehre als Dekorationsmaler im väterlichen Betrieb an. Von 1918 bis 1924 studierte er bei Ferdinand Spiegel und Paul Plontke an der Hochschule der Künste in Berlin-Charlottenburg. Als jüngstes Mitglied fand Birkle 1921 Aufnahme in der Berliner Secession und wurde später in die von Max Liebermann als Präsident geleitete Preußische Akademie der Künste aufgenommen. Unmittelbar nach dem Hochschulabschluss 1924 wurde er an der Preußischen Akademie der Künste Meisterschüler von Arthur Kampf.

Während seiner Studienzeit, in der die Stadtansicht von Horb entstand, formte er einen religiös-sozialkritischen Realismus mit neusachlichen Zügen aus, der in seinen eigenwilligen Charakterköpfen karikaturistische Momente annahm. 1924 hatte Birkle seine erste große Kollektivausstellung im Künstlerhaus Berlin, weitere Ausstellungen in anderen deutschen Städten folgten.

Die politischen Turbulenzen im Vorfeld der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten bewogen den Künstler, Berlin den Rücken zu kehren. Er siedelte 1932 mit seiner Familie ins österreichische Salzburg über. Zwischen Expressionismus und Neuer Sachlichkeit stehend wurden seine Werke auf persönlichen Befehl Adolf Hitlers zu entarteter Kunst erklärt und beschlagnahmt.

Durch die Protektion des österreichischen Bidhauers Josef Thorak, der zu den meist beschäftigten Bildhauern des NS-Regimes zählte, wurde das vorübergehend gegen Birkle verhängte Veröffentlichungsverbot wieder aufgehoben. Nach Teilnahme am Zweiten Weltkrieg erhielt Birkle 1946 die österreichische Staatsbürgerschaft, weshalb er im Belvedere in eine der wertvollsten Kunstsammlungen Österreichs mit Hauptwerken von Gustav Klimt, Egon Schiele oder Oskar Kokoschka aufgenommen wurde. Klimts weltberühmter "Kuss" hängt deshalb in Wien, das bis 1805 Horbs Hauptstadt war, ganz in der Nähe von Birkles Horber Stadtansicht.

Der tief religiöse Künstler hatte sich auch mit der Gestaltung von Kirchen ein Betätigungsfeld erschlossen. So schuf er in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts das Altarfresko in der Alten St.-Laurentius-Kirche von Schramberg-Sulgen und die Glasfenster in der Weitinger Martinskirche.