Jürgen Grässlin stellte sein Buch vor. Foto: Breitmaier Foto: Schwarzwälder-Bote

Jürgen Grässlin stellt bei den Horber Friedenstagen sein "Schwarzbuch Waffenhandel" aus

Von Benjamin Breitmaier

Horb. Es war die letzte Veranstaltung der 15. Horber Friedenstage. Samstagabend: Der kleine Veranstaltungssaal des Horber Klosters ist bis auf wenige freie Plätze proppenvoll. Vor dem Publikum steht ein mittelgroßer Mann mit Brille. Wenig Haupthaar, graue Schläfen – aber vor allem zeichnet Jürgen Grässlin eines aus: Eine spitze Zunge und keine Angst davor, sie einzusetzen.

Für die Horber "Friedensfreundinnen und Friedensfreunde" – so die freundliche Begrüßung – hatte er sein neues Buch im Gepäck: "Schwarzbuch Waffenhandel – Eine Abrechnung mit der deutschen Rüstungsindustrie und -politik". Mehrfacher Buchautor, langjähriger Aktivist und dabei hauptberuflich immer noch Lehrer. In den Kreisen der Friedensbewegung gilt der 56-Jährige als echter Rockstar. Ein unbequemer Mann – zumindest für einige der wichtigsten Personen der deutschen Wirtschaft und Politik. Er bekam für seinen Einsatz den Aachener Friedenspreis, muss aber auch manchmal selbst verbale Prügel einstecken. Die "Zeit" schrieb über ihn in diesem Jahr: "Grässlin hat sich seinen Ruf als versiertester Rüstungsgegner in der Bundesrepublik hart erarbeitet. Gelegentlich wird er für seine krassen Formulierungen kritisiert. So schreibt er, dass durch Heckler-&-Koch-Waffen mindestens zwei Millionen Menschen ums Leben gekommen sind. Eine Zahl, die sich nicht wirklich belegen lässt. Widerlegen können sie seine Gegner aber auch nicht."

In seinem Vortrag legt Grässlin Finger in Wunden, die vor allem auch bei Sozialdemokraten oder Grünen schmerzen dürften. Denn Grässlin machte in seinem Vortrag deutlich, dass Rüstungsexporte keine Frage von Parteicouleur sind. Er zeigt Bilder von Alt-Kanzler Schröder beim freundlichen Handschlag mit Muammar al Gaddafi.

Er erzählt Anekdoten aus dem Bundessicherheitsrat zu Zeiten, als Schröder und Außenminister Fischer fast im Alleingang über deutsche Rüstungsexporte entschieden haben. Vor allem die große Koalition mit Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier kommt dabei wenig gut weg: Grässlin prangert vor allem die Lizenzvergaben zum Bau deutscher Gewehre an Saudi Arabien an. Einem Land, dass die öffentliche Ausübung des Christentums unter Strafe verbietet.

Das Thema ist hochaktuell. Vor wenigen Tagen wurde in Berlin der aktuelle Bericht zu deutschen Rüstungsexporten vorgestellt. Auf Platz eins der Rangliste: Saudi-Arabien. An der Stelle wird Grässlin merklich wütend: "Und dorthin liefern wir Panzer."

Grässlin spricht auch ein Thema an, das die Region direkt betrifft: Die Firma Heckler und Koch in Oberndorf. Er spricht von "Europas tödlichstem Unternehmen". Er zeigt Grafiken, wie viele Menschen durch Gewehre getötet werden, zeigt Schicksale von Opfern und Kindersoldaten. Grässlin hat gegen das Unternehmen Strafanzeige erstattet, hat für die Staatsanwaltschaft Stuttgart Indizien gegen das Unternehmen gesammelt – wegen angeblich illegaler Verkäufe in Länder wie Mexiko. Das Verfahren erwartet er im Frühjahr 2014.

Mit Jürgen Grässlin gingen die Horber Friedenstage mit einem streitbaren Hochkaräter der Rüstungsgegner zu Ende. Die Zuschauer wurden an diesem Abend im Kloster keinesfalls enttäuscht, auch wenn einige entsetzte Gesichter danach den Raum verließen. Deutschland als Europameister im Waffenhandel war für jeden der Anwesenden ein mehr als zweifelhafter Titel.