Ahnentafel Steim: Ein Dokument gibt Einblick in das Leben von Persönlichkeiten, die mehrere Kapitel Stadtgeschichte prägten

Von Wolfgang Kaiser

Horb. Im jugendlichen Alter von 18 Jahren verfasste Viktor Martin Steim, der am 29. Mai 1926 in Horb geboren wurde, eine große Ahnentafel. Er ließ diese durch den Vermessungsrat Anton Pfeffer im Februar 1944 in eine würdige Form bringen. Es wäre nicht möglich, alle Familien, die darin enthalten sind, zu beschreiben. Daher soll sich die folgende Beschreibung im folgenden Artikel auf drei Familien beschränken: Familie Steim, Familie Gramer und Familie Gerbert.

Martin war das jüngste Kind des Kaufmanns Franz Alfons und seiner Frau Elise Gramer. Nach der Schule studierte er Theologie, wurde Pfarrer und später sogar Dekan. In seiner Freizeit beschäftigte er sich leidenschaftlich mit Ahnenforschung. Der älteste Bruder von ihm, Karl Otto (geboren 1912), führte mit seiner Frau Maria, geborene Hug, das Bekleidungsgeschäft am heutigen Sebastian-Lotzer-Platz weiter. Gegründet wurde das Kaufhaus von seinem Großvater Carl Nikolaus (1851-1908). Dieser war ein Sohn des Stadtschulheißen Nikolaus Steim (1822-1874) und seiner Frau Maria Elisabeth Noll (1828 -1908).

Eine Schwester von Martin, Elisabeth (Lisl), heiratete 1939 den aus Wiesenstetten stammenden Dr. Konstantin Hank. Er war von Beruf Rechtsanwalt, Landgerichtsrat und später Oberbürgermeister von Schramberg.

Eine Verbindung zu dieser Stadt hatte auch ein Bruder von Franz Alfons, ein früherer Karl Otto (1881-1931), der zunächst Arzt in Stuttgart war und anno 1912 die Unternehmertochter Emma Luise Kern aus Schramberg ehelichte. Aus dieser Heirat gingen zwei Söhne hervor, der 1913 geborene Kurt Oskar und der 1919 geborene Hugo Ernst. Der jüngere wurde wie sein Vater Arzt, der ältere war promovierter Kaufmann. Er trat 1936 als Geschäftsführer in das 1888 von seinem Großvater Hugo Kern gegründete Unternehmen ein, das Zugfedern für die Schwarzwälder Uhrenfabriken produzierte.

Ein großer Kunde war auch die Uhrenfabrik Gebrüder Junghans in Schramberg, die so sehr florierte, dass sie 1903 mit über 3000 Beschäftigten der größte Uhrenhersteller der Welt war und damals drei Millionen Uhren im Jahr herstellte. Nach dem zweiten Weltkrieg erweiterte die Hugo Kern KG ihr Produktionsprogramm um Stanzteile für Textilmaschinen und um Rückholfedern für den Sicherheitsgurt in Automobilen.

Der Sohn von Dr. Kurt Oskar Steim und der in Wiesbaden geborenen Liesl Luise Sophia von Leibnitz-Piwnicki, Hans-Jochem Steim, trat 1970 als Abteilungsleiter in das Unternehmen ein. Er hatte in Karlsruhe Ingenieurwissenschaft studiert und ebenfalls promoviert. Die Firma fusionierte im folgenden Jahr mit der Ingolstädter Platinenfabrik Liebers zur Kern-Liebers GmbH. Im Jahr darauf erfolgte der Umzug auf das neue Firmengelände in Schramberg-Sulgen, damit die Produktion erweitert werden konnte. Hans-Jochem Steim war auch politisch tätig, zunächst als Gemeinde- und Kreisrat, später vertrat er für die CDU den Kreis Rottweil im Stuttgarter Landtag.

Sechs Eherenbürger mit Verbindungen zur ehemaligen Kreisstadt

Für seine Verdienste als Unternehmer und als Politiker wurde er von seiner Heimatstadt zum Ehrenbürger ernannt, ebenso wie schon früher der ehemalige Oberbürgermeister Dr. Hank. Nimmt man die Ehrenbürger mit Namen Junghans dazu, die auch Horber Wurzeln haben, so gibt es dort nicht weniger als sechs Ehrenbürger mit einer Verbindung zur ehemaligen Kreisstadt am Neckar. Der Firma Gebrüder Junghans AG bekam es nicht, dass sie zweimal nacheinander in andere Hände kam. Daher musste sie im Jahre 2009 Insolvenz anmelden. Die Schramberger Hans- Jochem Steim und sein Sohn Hannes führen seither die Uhrenfabrik unter dem Namen Junghans GmbH + Co KG weiter.

Zurück nach Horb. Das nach dem zweiten Weltkrieg gegründete Volksbildungswerk, das später in "Volkshochschule" umbenannt wurde, war bis 1980 ehrenamtlich als eingetragener Verein geführt worden. In Freudenstadt war einige Jahre zuvor vom Landkreis für das Gebiet des dortigen Altkreises eine Kreisvolkshochschule gegründet worden. Diese dehnte sich zunächst auf Empfingen und dann auch nach Eutingen aus. Später wurde auch Horb vereinnahmt, weshalb in Horb der Kultur- und Museumsverein gegründet wurde.

Dessen erste Vereinsveröffentlichung im August 1981 erschien mit dem Titel "Eugen Gramer-Gedichte". Dekan Martin Steim überschrieb das Vorwort mit der Frage "Wer war Eugen Gramer?". Er verriet, dass es sein Großvater war, der ihm seine Taschenuhr mit römischen Ziffern schenkte, was ihn als knapp Fünfjährigen natürlich faszinierte. Neben Opa hatte er auch einen Beruf und viele Ehrenämter. Nach seiner Gehilfenzeit in vielen Behörden, legte er in drei Fächern erfolgreich Prüfungen ab, nämlich im Verwaltungsdienst, im Notarwesen und im Finanzdienst. Nachdem sein Vater Valentin als Oberamtspfleger früh verstorben war, übernahm der Sohn Eugen im Alter von 24 Jahren dieses Amt. Er war damit Leiter des Rechnungswesens im Oberamt Horb. Anno 1886 gründete er die Bezirkskrankenkasse und fünf Jahre später die Oberamtssparkasse, die er in seinem heute noch existierenden Haus zwischen Kloster und Stiftskirche stundenweise führte. Er war zwölf Jahre Stadtrat, bis sein Schwager Karl Noll Bürgermeister wurde. In seiner Freizeit schrieb er Gedichte, wovon ein Teil in dem erwähnten Vereinsheft veröffentlicht wurde. Für seine vielen ehrenamtlichen Tätigkeiten wurde ihm das Verdienstkreuz verliehen, für seine hervorragenden beruflichen Verdienste erhielt er den Titel Oberrechnungsrat.

Seine Geschwister waren Maria Henger (1862-1945), die Frau des Mohrenwirts Adolf Henger (1855-1941), Sophie Stimmler, die Frau des Schwanenwirts Georg (1862 -1901), Anna Heberle, die Frau des Buchbinders Jakob, der Kürschner Christian (1867-1930), der mit Agnes Hausch (1878-1945) verheiratet war und dessen Geschäft am unteren Markt noch heute von der Urenkelin Ursula Tillery betrieben wird. Eine weitere Urenkelin von ihm, Monika Schönfeld, betreibt in der Neckarstaße ein Damenmodengeschäft. Zwei Brüder von Eugen suchten ihr Glück in der Ferne und zwar Franz Josef in Hamburg-Altona und Karl, den es nach Mexiko zog.

Bürger, Bauer, Pferdehändler und Chronist

Der Vater dieser Geschwister, Valentin Gramer (1826 -1883), kam durch die Heirat mit der Ritterwirtstochter Maria Anna Raible von Baisingen nach Horb.

Die Mutter von Valentin, Regina, war die reiche Tochter von Christian Baur aus Hailfingen. Sie brachte in die 1824 geschlossene Ehe mit dem Gemeindepfleger Johannes Gramer 3000 Gulden nach Baisingen mit. Christian Baur, Ur-Ur-Ur-Urgroßvater des Autors (1767-1843), war Bürger, Bauer, Pferdehändler und Verfasser des Hailfinger Aufschreibbüchleins, einer fünfbändigen Heimat- und Regionalgeschichte. Besonders interessant sind die Beschreibungen der vielen Durchmärsche und Einquartierungen in dieser Gegend zwischen 1790 und 1814 im Zuge der Revolutionskriege. In der Rottenburger Zehntscheuer wird in einer Dauerausstellung über Vorderösterreich auch das Werk von Christian Baur gewürdigt.

Eugen Gramer heiratete am 19. Oktober 1885 Emilie Gerbert, eine der vier Töchter des Rotgerbers Kaspar Gerbert und seiner Frau Christine Raible aus Göttelfingen. Eine Schwester von Emilie vermählte sich mit Karl Noll, der in Horb Bürgermeister wurde. Die anderen Schwestern waren Anna, die Frau von August Haueisen und Maria Theresia, die Frau des Hofkammerers Robert Schäfer in Stuttgart.

Das Gerber(t)-Geschlecht lässt sich in der Steim-Ahnentafel bis zirka 1570 zurückverfolgen, wechselseitig in Horb oder Rottenburg. Zu dieser Zeit verheiratet sich ein Nikolaus Gerber mit einer Agathe Herzog. Aus dieser Ehe gingen zwei Söhne hervor Nikolaus und Johannes. Zwischen Nikolaus (geboren 1607) und Emilie Gerbert liegen sieben Generationen. Die Linie von Johannes (geboren 1592) spaltet sich nach den Eltern Nikolaus (geboren 1626) und Geßler Sabina (1632-1707) in zwei Linien. An der einen Spitze steht Antonius Gerbert (1668-1737), der Kaufmann und Stadthauptmann war. Die andere Linie wird von dem Goldschmied Johann Jakob Gerbert (1674-1746) angeführt. Von ihm stammt Dr. Leopold Haffner (1829-1899), Bischof von Mainz ab, von seinem Bruder Antonius Martin Gerbert von Hornau (1720 -1793), Fürstabt in St. Blasien, und Prof. Dr. theol. et phil. Paul von Schanz (1841-1905) Universitätsrektor in Tübingen.

Alle drei sind im Horber Bilderbuch auf der Rathausfassade dargestellt. Für das "Dreigestirn" sollte vor dem ersten Weltkrieg neben der Stiftskirche ein Denkmal errichtet werden. Die Inflation nach dem Krieg entwertete die gesammelten Spenden, so dass dieser Plan nicht verwirklicht werden konnte. Für Fürstabt Gerbert, der auch Gründer der Rothausbrauerei war, die sich heute im Besitz des Landes Baden-Württemberg befindet, ist beim Kultur- und Museumsverein im Mai 1993 die 9. Folge seiner Publikationen erschienen mit dem Titel "Fürstabt Martin Gerbert 1720-1793 – Horbs großer Sohn".

Anno 1884 hatte der Gemeinderat nach langer Diskussion beschlossen, dem Gymnasium den Namen "Martin-Gerbert-Gymnasium" zu geben. Bei der Feier zur Namensgebung übergab Dekan Martin Steim einen Bronzeabguss des Alabasterreliefs von Ludovico Bossi, der jetzt in der Eingangshalle des Schulgebäudes steht.

Paul von Schanz wurde in Horb zum Ehrenbürger ernannt, genauso wie sein Bruder Franz von Schanz (1854 -1915), der Landgerichtspräsident war und ebenfalls persönlich geadelt wurde.

Ein weiterer Bruder war der Stadtpfleger Johann Baptist (1851-1920), dessen Sohn Johann Paul Ministerialrat im Kultusministerium in Stuttgart war. Ein Sohn von ihm, Dr. Paul Schanz (1924-2004), führte in Horb eine Rechtsanwaltskanzlei, in der Heiner Geißler in jungen Jahren als Referendar arbeitete.

Von der Horber Familie Schanz gibt es auch in Rottenburg und in Sulz Verwandte. Über Paul von Schanz hat der Berliner Markus Thurau promoviert und seine Dissertation 2013 als Buch veröffentlicht. Sie trägt den Titel "Paul von Schanz (1841-1905) – Zur sozial- und theologiegeschichtlichen Verortung eines katholischen Theologen im langen 19. Jahrhundert".

Die Ahnentafel Steim enthält noch viele bedeutende Namen, der erste war Jakob Grieb, der 1532 Spitalverwalter und 1536 Gerichts- und Ratsherr in Horb war. Als weitere Namen sind enthalten: Haller, Garb, Erath, Schertlin, Bertscher, Gfrörer, Wagner, Schmid, Bauer, Fischer, Brischar, Bäuerle, Hahn, Möst, Dausch, Kaltenmoser, Marquardt und andere.

Im Jahr 1958 haben Martin und Julius Steim eine weitere Ahnentafel angefertigt, wobei der erste Teil sich wiederholt. Vor allem in den Familien Steim, Geßler, Bareis, Eder, Wölfle, Gropper, Theilacker sind heute noch lebende Personen erwähnt.

Dekan Martin Steim, der große Ahnenforscher, wurde 1998 auf dem Friedhof in Epfendorf (Kreis Rottweil) zur Ruhe gebettet. Der dortige katholische Kindergarten ist nach ihm benannt worden.