Mitglieder des Horber SPD-Ortsvereins und die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken (rechts) haben sich am Samstag auf den Weg in die Kernstadt gemacht, um die "Stolpersteine" aufzupolieren. Heinz Högerle (Zweiter von rechts) berichtete über das Schicksal der Horber Juden. Fotos: Morlok Foto: Schwarzwälder Bote

9. November: Mitglieder des SPD-Ortsvereins putzen eingelassene Gedenksteine / Heinz Högerle erklärt historische Hintergründe

Horb. Der 9. November verdeutlicht wie kaum ein anderer Tag im Jahr, wie nahe Freude und Trauer beieinanderliegen können. Als vor 30 Jahren die Mauer fiel, jubelten die Menschen, doch dieser Tag ist gleichzeitig mit einem Datum verknüpft, das als einer der schwärzesten Tage in Deutschland gilt. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten die Synagogen. Sie brannten in Baden, in Württemberg und Hohenzollern sowie im gesamten Deutschen Reich. Sie brannten in Österreich und in der Tschechoslowakei und eine brannte auch in Horb.

Der 9. November ist der Tag, an dem organisierte Schlägertrupps jüdische Geschäfte und Gotteshäuser in Brand setzten. Es ist der Tag, an dem tausende Juden misshandelt, verhaftet oder getötet wurden. Spätestens an diesem Tag konnte jeder in Deutschland sehen, dass Antisemitismus und Rassismus bis hin zum Mord staatsoffiziell geworden waren. Diese Nacht war das offizielle Signal zum größten Völkermord in Europa. Gunter Demnig, ein deutscher Künstler, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, vor jedem Haus, in dem eine Familie oder eine Person lebte, die von den Nazis aus den unterschiedlichsten Gründen heraus ermordet wurde, einen seiner "Stolpersteine" zu setzen. Ein Stolperstein, der an die Menschen, die in diesem Haus gelebt hatten, erinnert. Die zehn Zentimeter großen quadratischen Gedenksteine, aus Messing gegossen, sind Mahnmale, Erinnerungen und stumme Botschafter wider dem Vergessen. Sie sind keine Entschuldigung für etwas Unvorstellbares, sondern sie sind einfach eine Geste gegenüber jedem einzelnen Naziopfer jener Zeit.

Dass diese Steine, vor allem ihre Inschriften, mit der Zeit verdrecken und unleserlich werden ist der Natur der Sache geschuldet. Die Menschen laufen meist achtlos darüber weg, der Zahn der Zeit nagt am Metall und die klimatischen Veränderungen tun ihr übriges. Deshalb ist es ganz gut, wenn man die Stolpersteine ab und zu reinigt.

Eine recht kleine Gruppe aus der Horber SPD, darunter Viviana Weschenmoser, Jérôme Brunelle und Thomas Mattes sowie die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken machten sich auf den Weg, die Stolpersteine zu putzen. Esken putze an diesem Tag lieber zuhause an der Basis, als in der Bundeshauptstadt Berlin auf den Putz zu hauen, sagte sie. Dort fanden am Samstag einige Gedenkfeiern statt.

Am Samstagvormittag machte sich die Gruppe unter Führung von Heinz Högerle vom Rexinger Synagogenverein auf den Weg, um die Stolpersteine, die es in der Horber Kernstadt gibt, zu putzen. Ob das aus Leipzig stammende Politurmittel "Elsterglanz" oder die Schmirgelpaste "Putzstein" das erste Mittel der Wahl war, das blieb den Putzern überlassen.

125 Menschen wurden deportiert

Treffpunkt war der Jüdische Betsaal, und natürlich nutzen sowohl die Kommunal- als auch die Bundespolitikerin diese Chance, um ihre politischen Gedanken zu diesem Thema zu äußern. Zum Kampf gegen die faschistische, antisemitische Gewaltbereitschaft rief Weschenmoser auf, und Esken fügte an, dass man sich von den "alten Männern" im Bundestag und anderswo nicht die Erinnerungskultur verbieten lasse.

Högerle ging auf die Ereignisse der Reichspogromnacht in Horb ein. Er erinnerte daran, wie ein Lehrer samt seinen Schülern in die hiesige Synagoge einbrachen, randalierten und für großen Sachschaden sorgten. Als auf Geheiß einer Amtsperson wenigsten die Thorarolle an den Rabbi zurückzugeben war, schmiss einer der Schüler diese durch die geschlossene Scheibe in das Arbeitszimmer des Rabbiners. "Horb wurde durch die Deportation von 125 Jüdinnen und Juden aus Rexingen und weitere Vertreibungen ›judenfrei‹ gemacht", so Högerle in seinen Ausführungen.

Dann ging’s los zum Arbeitseinsatz. Erster Halt war in der Neckarstraße das Haus mit der Nummer 46. Hier wohnten einst Viktor und Fanny Wälder mit ihren Kindern Ruth und Heinz Simon, die alle in Auschwitz ermordet wurden. Nahezu unbemerkt von den Passanten und den Autofahrern, die an diesem Samstagmorgen geschäftig unterwegs waren, wurden diese Gedenksteine gereinigt.

Dies war mehr als nur ein der Tätigkeit geschuldeter Kniefall vor den Opfern der Nazizeit, und Heinz Högerle hofft, dass dies in Horb und den Stadtteilen vielleicht irgendwann zur Tradition werden könnte und sich noch mehr politische, kirchliche und private Organisationen am 9. November ganz praktisch durch eine Reinigungsaktion an die Opfer nach der Novemberpogrome von 1938 erinnern.