Ein Österreicher blickt süffisant auf "Piefke" und "Ösis": Severin Groebner wühlt im Kloster Befindlichkeiten auf

Von Peter Morlok

Horb. Severin Groebner, Grenzgänger zwischen Humor und Musik, Pointen und Poesie, Kabarett und Kaspar Hauser, Genie und Wahnsinn sowie Deutschland und Österreich, besuchte zusammen mit seiner derzeitigen Lebenskrise und einer gehörigen Portion Wiener Depression das Kloster in Horb.

"Ich komme nicht von hier", stellte er gleich zu Beginn seines recht gewagten Balanceaktes entlang der schmalen Grenzlinie fest, die bitterböse Satire von Beleidigungen und Unzumutbarkeiten trennt.

Er war gut auf diesem schmalen Grat unterwegs, nahm sein Publikum mit in eine Welt voller gegenseitiger Skurrilität und bewegte sich traumwandlerisch sicher unter dem Damoklesschwert, das über seinem kabarettistischen Gedankenschema hing. Es war alles real, was er sich so an gegenseitigen Feindbildern in langen Trambahnfahrten und Wirtshausbesuchen zusammengesammelt hatte, und doch so surrealistisch, dass selbst der größte Unsinn plötzlich eine eigene Dimension bekam.

Er sei ein "Ösi", ein "Schluchtenscheißer", erklärte er, und dadurch Mitglied eines seltsamen Volkes, von dem die Deutschen, die "Piefke" glauben, dass sich das Riesenrad am Stephansdom dreht, Falco auf dem Zentralfriedhof die Arie aus der Fledermaus singt und Kaiser Franz-Josef sich von der Josefine Mutzenbacher was auf dem Dudelsack vorspielen lässt. Diese Annahme sei genauso voller Halbwahrheiten und zulässiger Verallgemeinerungen wie das Wissen seiner Landsleute über die Nachbarn in Deutschland. Die könnten alles – nur nicht Nichtstun. Hier, also in Deutschland, wolle man das Übel an der Wurzel packen – ein Umstand, der sich zumindest schon mal schön nach Gartenarbeit anhört und somit den "Piefke" freut.

"Piefke" sei übrigens der Plural von "Piefke" und wer "Piefkes" sagt, sei selbst einer, gab‘s gleich als kleine Lehrstunde in österreichischer Grammatik.

Zurück zu des Deutschen Lieblingsbeschäftigung, der Arbeit. Der Wiener, der sich zusammen mit seiner Krise in Frankfurt am Main niederließ, wusste, dass Arbeit zwar nicht schändet, aber auch nicht adelt. Der Baumarkt sei der Tempel der deutschen Befindlichkeit, und der Slogan "Es gibt immer was zu tun" sei hierzulande ein süßes Versprechen, hingegen in Wien eine ernst zu nehmende Drohung.

"Dem Wiener geht’s gut, wenn’s ihm schlecht geht", so eine weitere Erkenntnis, die in der Behauptung gipfelte, dass "immer nur die betroffen sind, die es nicht betrifft".

Die "Ein-Mann-Parallelgesellschaft, mit Schmäh, Sampler und Trallala", wie er sich selbst bezeichnete, möchte sich eigentlich integrieren, schafft es jedoch nicht, seine Probleme so zu lieben wie die Deutschen.

Auswandern käme auch nicht in Frage, sonst würde er vielleicht im Auswanderermuseum in Bremerhaven landen, so seine Befürchtung. Er fand es toll, dass es dort ein Museum gibt für Leute, die nicht mehr da sind.

"Das passt", so sein Eindruck, und er ist weiter auf der Suche nach dem, was Deutschland so einzigartig macht. Bisher hat er es noch nicht gefunden. Ob Fasnet, Schwarzbrot, Fußball – das sei alles kein Alleinstellungsmerkmal, so seine bisherige Erkenntnis. Im Kloster konnten ihm die Besucher zwar auch nicht weiterhelfen, hatten dafür aber ihren Spaß an den An- und Einsichten des Kabarettisten, der sie zudem mit postproletarischem Piefke-Punk und anderen scheußlich-schönen Liedern starke zwei Stunden lang in atemberaubendem Tempo aufs Allerbeste unterhielt.