Horb soll bienenfreundlich werden und die Stadtverwaltung hat bereits einige Maßnahmen ergriffen. Foto: Andreas Götz Foto: Schwarzwälder Bote

Naturschutz: Nach Nabu-Kritik: Rathaus erklärt "bienenfreundliches Horb" / Öffentliche Akzeptanz ist wichtig

Da staunt Markus Pagel, Angestellter der Nabu-Bezirksgeschäftsstelle Gäu-Nordschwarzwald. Die neuen Bienenwiesen hinter der Dualen Hochschule am Nekarufer funktionieren bestens:  "Autochtone Pflanzenmischungen, verschiedenen Wildbienenarten, Schmetterlinge." Denn zuvor hatte der Nabu das neue Konzept für ein bienenfreundliches Horb kritisiert (wir berichteten).

Horb. 7 Uhr, Neckarufer. Start des Informationsspaziergangs zum Konzept des "bienenfreundlichen Horb". Vor Ort: Stefanie Müller, die neue Grünflächenmanagerin im Rathaus, Simon Schneider vom Bauhof und Evelyn Walliser, Referentin des Netzwerks Blühende Landschaften.

Der Nabu Horb hatte kritische Fragen zum Konzept gestellt: "Lernen die Bauhof-Mitarbeiter jetzt den insektenfreundlichen Heckenschnitt?", "Wurde für die neuen Blühwiesen der Untergrund gefräst und damit der Lebensraum von Insekten kaputt gemacht?", "Gibt es einen Gesamtkonzept, das dafür sorgt, dass die Insekten zwischen ihren Lebenräumen auch Raststätten haben, an denen sie rechtzeitig auftanken können?", "Wurden Neophyten eingesät, die das Naturschutzgebiet Kuglerhang gefährden?" sowie "Sind die Blühwiesen nur Geschäftemacherei?" (wir berichteten).

Jetzt gibt es Antworten. Simon Peter ist neuer Produktverantwortlicher für das "bienenfreundliche Horb" im Bauhof. Er kommt aus Mössingen, wo das Konzept schon seit Jahren gefahren wird. 

Schneider berichtet: "Wir haben zunächst in Mössingen damit angefangen, weil der Pflegeaufwand für die Stadt dadurch billiger wird. Öffentliche Grünflächen werden nicht mehr sechs bis acht Mal im Jahr gemäht, sondern nur noch maximal zwei Mal. Das hat auch den Vorteil, dass sich die vorhandenen Pflanzen vor Ort in Ruhe aussähen können."

Das passt eins zu eins zum Konzept des Nabu Horb für insektenfreundliche Lebensräume.

Lernen die Bauhofmitarbeiter jetzt den Heckenschnitt so, dass genügend Lebensraum für Insekten bleibt? Schneider: "Natürlich. Das ist auch eine der Maßnahmen, die dazu gehören, um den Lebensraum für Insekten in Horb zu verbessern."

Wurde für die neue Blühwiese am Flößerwasen der Boden gefräst und damit der Lebensraum der Insekten zerstört? Grünflächenmanagerin Müller meint: "Nein. Dort ist der Rasen durch die Schräge ohnehin abgesackt. Die Saat dort wurde in die Löcher gepflanzt."

Allerdings: Jenja Kronenbitter vom Netzwerk Blühende Landschaften gibt zu, dass woanders der Boden möglicherweise gefräst wurde: "Jede Bodenbearbeitung beeinträchtigt das Bodenleben. Um hierbei jedoch von einer Gefährdung von Insekten durch Bodenumbruch sprechen zu können, stellt sich die Frage, ob für die Anlage der Blühflächen wertvolle artenreiche Lebensräume zerstört wurden. Ist dies nicht der Fall, dient der Bodenumbruch dazu, einen artenarmen, für Insekten und andere Wildtiere wenig wertvollen Lebensraum in einen artenreicheren und strukturreicheren und damit wertvolleren Lebensraum zu verwandeln. Diesen Ansatz verfolgen wir in unserem Projekt Bienen-Blüten-Reich."

Gibt es einen Gesamtplan für ein bienenfreundliches Horb? Müller schildert: "Noch nicht. Ich bin seit gut einem halben Jahr in Horb, Kollege Schneider kam erst zu Beginn der Vegetationsperiode nach Horb. Wir haben jetzt ein paar Testflächen angelegt und bearbeiten diese. Mit unterschiedlichen Pflanzensaaten, um zu schauen, was hier wie funktioniert. Gemeinsam mit Simon Schneider und dem Bauhof probieren wir an diesen Flächen sozusagen erst einmal aus, ehe wir einen Gesamtplan entwickeln können."

Die prominenteste Testfläche: die Wiese rund um den Real. "Bienenbeauftragter" Schneider: "Rund um die Grünflächen haben wir einen Streifen gemäht. Den Rest haben wir stehen gelassen und teilweise Blühmischungen ausgebracht. Unterhalb der Tankstelle wurde nur einmal gemäht – dort steht jetzt Johanniskraut."

Wurden Neophyten (Pflanzen, die sich in Gebieten ansiedeln, in denen sie zuvor nicht heimisch waren) ausgesät, die die Orchideen des Naturschutzparadieses Kuglerhang gefährden? Jenja Kronenbitter vom Netzwerk blühende Landschaften: "Keine der enthaltenen Samenarten in den ausgesäten Mischungen ist als invasiv zu bewerten, sodass eine Ausbreitung aus dem Stadtgebiet heraus in nahegelegene Naturschutzgebiete nicht zu befürchten ist."

Es hat bereits ein Treffen zwischen dem Nabu Horb und Stefanie Müller, der neuen Grünflächenmanagerin, gegeben. Was ist aus dem Austausch geworden?

Jenja Kronenbitter sagt: "Viele der vom Nabu Horb genannten fachlichen Gesichtspunkte und Anregungen  wurden bei der Konzeption vor Ort und der Umsetzung unseres Projektes Bienen-Blüten-Reich berücksichtigt." Das Netzwerk Blühende Landschaften arbeitet eng mit anerkannten Naturschutzorganisationen wie beispielsweise dem BUND oder dem Nabu zusammen.

Ist das Konzept der jetzt angelegten Blühwiesen Geschäftemacherei, weil jedes Jahr neues Saatgut eingepflanzt werden muss?

Jenja Kronenbitter sagt: "Von den mehr als 20 in Horb Stadt, Talheim und Nordstetten im Rahmen unseres Projekts angelegten Blühflächen wurde die überwiegende Mehrzahl mit mehrjährigen Blüh-  oder Wiesenmischungen angesät. Nur zwei Flächen mit jeweils gut 30 Quadratmetern wurden mit einjährigen Mischungen angesät. Da es aus unserer Sicht sinnvoll und wichtig ist, die Bevölkerung mit einem Teil der angelegten Blühflächen auch schon zu Beginn eines Projektes zu erfreuen und damit die Akzeptanz für das Projekt zu stärken, haben auch einjährige Blühmischungen ihre Berechtigung. Ein Großteil der Flächen in Horb und Umgebung sind jedoch mehrjährig und werden teilweise sogar von Flächenpaten betreut."

Warum wurde der Nabu Horb nicht zum ersten Info-Spaziergang eingeladen? Wurde er vom Netzwerk blühende Landschaften einbezogen? Kronenbitter schildert: "Nein, dies sehen wir jedoch auch nicht als unsere Aufgabe. Beim ersten Info-Spaziergang war der Leiter des Nabu Nordschwarzwald, Markus  Pagel, anwesend. Die Stadt Horb scheint daher den Kontakt zum Nabu gepflegt zu haben. Der Nabu ist für uns keine Konkurrenz, sondern ein Partner beim Thema Insektenschutz."

Gefährdet die Kritik des Nabu Horb das Gesamtkonzept zum bienenfreundlichen Horb? Thomas Hellener, verantwortlicher Fachbereichsleiter Technische Betriebe, meint: "Das allergrößte Problem sehe ich eher in der Akzeptanz der Bevölkerung. Wenn die Blumen nicht mehr blühen, könnten die Flächen für Laien einen nicht so schönen Eindruck machen." Grünflächenmanagerin Stefanie Müller: "Wir bekommen teilweise schon anonyme Schreiben, dass die neuen Flächen so ungepflegt aussehen würden. Dabei ist auch diese Phase nach dem Blühen wichtig, weil nur so weiter Lebensraum für Insekten vorhanden ist und sich die Samen in Ruhe verbreiten können. Es wird sicherlich auch Flächen geben und benötigen, die klassische Schmuck-Pflanzungen und Pflege brauchen."

Simon Schneider: "In Mössingen haben wir die Erfahrungen gemacht: Wenn man den Rand dieser insektenfreundlichen Grünflächen auf ein oder zwei Meter mäht, erhöht das die Akzeptanz der Bevölkerung!"

Fazit: Das neue Konzept für das "bienenfreundliche Horb" entspricht in vielen Punkten dem, was auch der Nabu Horb für richtig hält. Hoffentlich kommt es bald zu einem Austausch der Experten. Spannend wird, ob es das Rathaus schafft, die Akzeptanz der Bevölkerung für diese Flächen zu erhöhen. Zum Beispiel, indem sich der Bauhof um die wirklich schmuddeligen und ungepflegten Flächen, Gehwege und Straßen in den Ortsteilen kümmert.