Volkmar Rieber hat tausende Orchideensamen in der Hand. Ja, das ist wirklich kein Schreibfehler, denn die Samen sind sehr klein und können über hunderte Kilometer vom Wind weggetragen werden. Fotos: Maria Hopp Foto: Schwarzwälder Bote

Insekten wie die Widderchen (Foto) und Pflanzen wie die Kalk-Aster haben die trockene und sonnige Phase gut überstanden / Horber Biotop hat echte Hitzeexperten und Überlebenskünstler / Muss die Landwirtschaft bald auf "Dry Farming" umsteigen?

Wie geht es dem Kuglerhang und seinen Bewohnern nach der Hitzewelle? Was passiert, wenn es in den kommenden Jahren noch wärmer wird? Das beantwortet Volkmar Riebers Hitze-Stresstest.

Horb. "Das ist der graubindige Mohrenfalter", sagt Volkmar Rieber und zeigt auf einen kleinen Flattermann, der schnell wieder wegfliegt. Weniger Meter weiter bleibt er wieder stehen. "Und hier sind Widderchen, die man auch im Volksmund Bluttröpfchen nennt." Der Lebensraum für diese Falter wird immer begrenzter. Doch hier, in diesem wunderschönen Horber Biotop, fühlen sie sich noch wohl.

Es ist Bewegung drin

"Mister Kuglerhang" ist flotten Schrittes in seinem zweiten Wohnzimmer unterwegs, doch man muss immer damit rechnen, dass er sich reaktionsschnell umdreht und auf eine Pflanze oder ein Insekt zeigt. Jetzt, Mitte August, sei deutlich weniger los auf dem Kuglerhang, die Orchideenpracht könne man erst wieder im nächsten Jahr sehen, erzählt Rieber. Und doch: Es ist Bewegung drin. Schmetterlinge fliegen, Ameisen krabbeln, viele Insekten sind unterwegs. Und auch noch die eine oder andere Pflanze hat ihre Blütenzeit noch nicht hinter sich.

Bläuling und Sichelhasenohr

So fliegen silbergrüne Bläulinge – der Schmetterling war Insekt des Jahres 2015 – vielfach über den Hang. Man kann noch Sichelhasenohren sehen, ein Doldenblütler mit goldgelben Blüten. Kalk-Astern sind jede Menge vorhanden und auch der Kreuz-Enzian ist noch nicht ganz verblüht. Letzter wurde bewusst vermehrt, setzt sich aber vor allem an den Wegesrändern durch. "Das ist eben eine Trittpflanze", erklärt Rieber.

Ungebetene Gäste

Auf dem ersten Blick hübsch, aber eigentlich ziemlich lästig ist dagegen die kanadische Goldrute, die aus Gärten in das Biotop rübergeschwappt. Sie ist ein Neophyt, also aus Amerika nach Europa eingeschleppt worden. In Nordamerika hat sie viele Fressfeinde, hier jedoch nicht. "Deshalb müssen wir sie hier rausreißen, sonst bevölkert sie irgendwann den ganzen Kuglerhang", erklärt der Nabu-Ehrenvorsitzende.

Auch an diesem Vormittag scheint die Sonne kräftig auf den Hang. Und während der Hitzewelle war der Kuglerhang oft auf der Sonnenseite. Besser gesagt: Es herrschte sengende Hitze und tagelange Sonnenbestrahlung. Das muss doch seine Spuren hinterlassen haben, oder? "Dem Kuglerhang geht es gut", sagt Rieber. "Es kam zum Glück immer wieder zur rechten Zeit ein Regenschauer." 2003, bei der letzten großen Hitzewelle vor diesem Sommer, sei es viel schlimmer gewesen.

2003 war es schlimmer

Das konnte man zum Beispiel am Helm-Knabenkraut beobachten. Vor der Hitzeperiode 2003 habe es bis zu 10 000 dieser Orchideengewächse gegeben. Danach waren es nur noch circa 5000. "Bis heute sind wir noch nicht beim alten Stand."

Die Tendenz geht eigentlich wieder nach oben. Doch was passiert, wenn es künftig noch wärmer wird, wenn es weitere Hitzewellen gibt und diese immer länger und trockener ausfallen? "Letztens hat jemand zu mir gesagt, dass unser Kuglerhang dann auch alt aussehen würde", berichtet Rieber.

Ein Hauch von Steppe

Pustekuchen. Der Kuglerhang, der von der Bildechinger Steige bis zum Hohenberg ansteigt, beweist an diesem Tag, dass er trotzdem vor Kraft strotzt. Und Rieber ist auch nicht in Sorge, dass es sich in den kommenden Jahren ändern wird. "Dann werden sich vielleicht andere Pflanzen durchsetzen." Ohnehin seien viele der Pflanzen des Kuglerhangs Steppenpflanzen, also echte Hitze-Experten. So hat sich die Kalk-Aster mittlerweile durchgesetzt. Woanders werden wohl die Fichten als Hitzeopfer immer mehr aus den Wäldern verschwinden. Laubbäume dagegen seien besser gegen Hitze geschützt.

Als gutes Beispiel, dass Schatten nicht automatisch Schutz und bessere Bedingungen bedeutet, zeigt Rieber direkt auf eine Fläche gegenüber des Kuglerhangs. Dort hat sich vor allem die Brennnessel breitgemacht. Von Pflanzenvielfalt keine Spur.

Pflege als Erfolgsrezept

Natürlich liegt der Erfolg des Kuglerhangs vor allem in der guten Pflege. Nachdem 1974 ein Brand das Gebüsch am Kuglerhang zerstört hatte, sprießten plötzlich seltene Pflanzen, unter anderem wilde Orchideen, mittlerweile 15 verschiedene. Rieber entdeckte die neue Vielfalt. Wenig später übernahm der Nabu die Pflege. Viel hat Raiber zunächst allein gemacht. "Ich habe den Hang innerhalb von drei Tagen allein gemäht." Revierförster Peter Daiker machte dann das Angebot, dass Forstazubis diese Aufgabe übernehmen – als gutes Beispiel für die Landschaftspflege. Nur durch diese intensive Arbeit erblühe der Kuglerhang so wie heute.

Riebers Tipp: Trockenfeldbau

Den Hitze-Stresstest hat er also in diesem Jahr bestanden. Woanders gebe es mehr Sorgen, die auch berechtigt seien, sagt Rieber. Für die Landwirtschaft seien die Aussichten nicht so rosig, findet der Naturexperte.

Hier rät er, sich möglicherweise am "Dry Farming" – dem Trockenfeldbau – beispielsweise in den USA zu orientieren. Niederschlagwasser wird dort längere Zeit angespart, die Felder liegen für eine längere Zeit brach, bis genügend Wasser angesammelt wurde. Die Felder werden im Wechsel genutzt.