Der Horber Lithograph Franz Joseph Steinwand verzierte die Winkelskalen des Höhenmessers im Stile des Biedermeiers mit einer liebevoll gestalteten Ornamentik und Darstellungen aus der damaligen Welt des Holzhandels.Foto: Kultur- und Museumsverein Foto: Schwarzwälder Bote

Historisches: Horber Nachtwächter schaffen zwei Replikate des Bürkschen "Baum u. Höhenmessers"

14 Jahre lang haben die drei Horber Nachtwächter in Forstämtern und Antiquariaten vergeblich nach jenem "Baum u. Höhenmesser" gesucht, für den das königlich württembergische Innenministerium "dem Johannes Bürk zu Horb" am 22. Juni 1846 eine Patenturkunde ausgestellt hatte.

Ho rb. Deshalb entschlossen sich Heinrich Raible, Bruno Springmann und Joachim Lipp, zwei Replikate dieser Erfindung zu fertigen, die nach ihrer Vollendung dem Original zum Verwechseln ähnlich sehen.

Nachdem die Nachtwächter vom Kultur- und Museumsverein mit ihrer ersten Führung im Juni 2006 eine ungeahnte Erfolgsgeschichte losgetreten hatten, beschäftigten sie sich mit der Geschichte der Horber Nachtwache, die dank Unterstützung des Stadtarchivs bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgt werden konnte. Einem Gemeinderatsprotokoll vom September 1863 konnte Obernachtwächter Joachim Lipp entnehmen, dass der Horber Stadtrat für die hiesigen Nachtwächter in Schwenningen eine tragbare Nachtwächterkontrolluhr aus der Württembergischen Uhrenfabrik erwarb, nachdem eine nächtliche Einbruchsserie die Bürger in Angst und Schrecken versetzt hatte.

Und weil die Erfindung der tragbaren Nachtwächterkontrolluhr mit Johannes Bürk (1819 – 1872) und dieser wiederum mit der Horber Stadtgeschichte in Verbindung steht, wurden die Horber Nachtwächter von einer nicht ganz alltäglichen Sammelleidenschaft gepackt. Deren Früchte sind unter anderem in einer Vitrine im Stadtmuseum im Bürgerkulturhaus zu bestaunen. Insgesamt haben die drei Herren bislang, ohne die Vereinskasse zu belasten, 100 Nachtwächterkontrolluhren zusammengetragen. Die einzigartige Sammlung umfasst Kontrolluhren aus dem 19. Jahrhundert, die fast alle von württembergischen Firmen produziert worden sind: Bürk, Isgus, Benzing, Hahn, Meyer, Agfa, Junghans und Bauser.

Die Nachforschungen in Sachen Kontrolluhren ergaben, dass der württembergische Industriepionier seine erste patentierte Erfindung in Horb gemacht hatte. Johannes Bürk war auf Betreiben des Verlegers und Lithographen Franz Joseph Steinwand (1812 – 1872) mit seiner Familie im November 1845 von Schwenningen nach Horb gezogen. Er arbeitete hier bis 1847 als Redakteur von Horbs erster Zeitung "Die Laterne im Schwarzwald", der letztlich im Zeitalter des Vormärz keine Konzession als Intelligenzblatt für das Oberamt Horb erteilt wurde.

Bei dem von Bürk nebenher entwickelten Baum- und Höhenmesser handelte es sich um ein in Buchform gefertigtes Diopter- und Winkelmessgerät, das sich zwei Jahre später sogar bei geringfügiger Änderung in den Artillerie- und Kriegsschulen der Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes als Entfernungsmesser gebrauchen ließ. Der Höhenmesser beruhte auf dem trigonometrischen Prinzip, das den Nachtwächtern in dankenswerter Weise von Oberstudiendirektor Georg Neumann, dem Leiter des Horber Martin-Gerbert-Gymnasiums, erläutert wurde. Vor allem für Forstleute und Holzhändler konnte das Gerät nützlich sein, das in Sachen Holz vor allem der alljährlichen Vorrats- und Zuwachsberechnung und dem Handel diente.

Der Bürksche Höhenmesser besaß zwei Durchblicksöffnungen und zwei bleibeschwerte hölzerne Pendel, die zwei auf den Buchdeckeln angebrachte Winkelskalen in Fußeichung überspielten. Den Druck der Skalen besorgte Bürks Freund Steinwand als Lithographien, die sorgfältig auf das fingierte Buch geklebt wurden.

Der Baumhöhenmesser wurde zunächst von den Horber Fabrikanten "Raible & Bürkle" in Buchform produziert und größtenteils von Bürk selbst auf Reisen vertrieben. Ein Schmunzeln konnte sich Obernachtwächter Lipp nicht verkneifen, als er in einem im Juni 1847 an Bürk gerichteten Brief las, dass der sonst so erfolgreich verkaufte, patentierte Höhenmesser aus Horb lediglich von Freudenstädter Forstleuten als "total unpraktisch" bezeichnet wurde. Deshalb ließ der Freudenstädter Kommissionär Georg Wagner die sechs in die waldreiche Perle des Nordschwarzwalds gelieferten Höhenmesser durch den Fuhrmann Ergenzinger wieder in die Neckarstadt zurückschicken.

Unter der Stabführung von Heinrich Raible liehen sich die Nachtwächter für ihr Vorhaben im Schwenninger Uhrenindustriemuseum das einzig bekannte Original aus, anhand dessen Raible die für die Replikate nötigen Konstruktionszeichnungen fertigte. Die erforderlichen Kleinteile sowie die damit verbundene Mechanik fielen ebenso in seinen Zuständigkeitsbereich. Der auch als Maskenschnitzer bekannte Nachtwächter Bruno Springmann bastelte nach den maßgenauen Zeichnungen das hölzerne Grundgerüst und stellte gleichfalls aus Holz die beiden Pendel her, die von Obernachtwächter Joachim Lipp beschriftet wurden.

Eine besondere Herausforderung stellten die von Steinwand für die Buchdeckel und den Buchrücken geschaffenen Lithographien dar. Im Stile des Biedermeiers hatte Steinwand die nüchternen Skalen mit einer liebevollen Ornamentik und fünf Darstellungen aus der Welt des Holzhandels ausgeschmückt. Auf dem Buchrücken finden sich ein Bild mit Instrumenten, die die Berechnung des Rauminhalts eines Baumstammes ermöglichten. Darunter verhandelt ein Holzhändler mit einem Waldbauern, während ein Dritter mit einer Kluppe den Stammdurchmesser misst. Auf den Buchdeckeln finden sich in der Mitte spiegelbildlich ein Jagdhorn, eine Jagdtasche, eine Trinkflasche, ein Jagdhund sowie ein erlegter Hase. Ebenso spiegelbildlich schreitet auf der linken Seite ein Förster mit Gewehr und Kluppe in Begleitung seines Hundes daher, während auf der rechten Seite ein Waldarbeiter gerade eine Tanne fällt und im Hintergrund ein Stamm mit einem Breitbeil zum Balken gehauen wird.

Die für die Lithographien aufwendigen Fotoarbeiten sowie die Anfertigung der Druckvorlage erledigte Herbert Kress, den man als Haus- und Hoffotograf der Horber Nachtwächter kennt. Für die Buchdeckel und das Aufbringen der auf einem besonderen Papier gedruckten Lithographieablichtungen konnte Raible im hohenzollerischen Weilheim mit dem 80-jährigen Buchbindermeister Walter Bühler einen der letzten seiner Zunft ausfindig machen. Dieser zeigte sich vom Projekt der Horber Nachtwächter begeistert und führte das Werk mit höchster Präzision vollends zu Ende.

Die beiden Replikate gleichen wie ein Ei dem anderen und sind vom Original in Schwenningen nur dadurch zu unterscheiden, dass Herbert Kress mittels digitaler Fototechnik die in die Jahre gekommenen Lithographien an Fehlstellen etwas bearbeitet hat. Ein Replikat soll jedenfalls die Nachtwächterkontrolluhrensammlung im Horber Stadtmuseum ergänzen.