Die Schüler stöhnen über jede Menge Lehrstoff. Foto: Hopp

Daheim lernen und online auf Material zugreifen hat Vor- und Nachteile: Gymnasiasten erzählen.

Horb - "Hurra, hurra, die Schule brennt" war ein Kulthit in den 80ern. Jetzt ist die böse Satire der Band Extrabreit – wenigstens ohne Brand – verwirklicht. Die Schüler müssen daheim lernen. Online. Doch das hat so seine Tücken.

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Juliette (17) und Florence Poppitz (14) sitzen auf der Terrasse ihres Elternhauses in der Sonne. Ihre Schule – das MGG – ist Luftlinie geschätzt 500 Meter entfernt. Doch die Türen sind für die Schüler seit dem 16. März verschlossen.

Juliette erzählt: "An dem Freitag, an dem sich die Schulschließung angekündigt hatte, haben wir gerade die letzten Klausuren geschrieben. Zwei Wochen später war die Kommunikationsprüfung mündlich in Spanisch und Französisch angesetzt. Ich hätte das gerne gleich weggehabt. Doch die mündliche Prüfung wurde natürlich verschoben."

An diesem Freitag haben Juliette und ihre Schwestern noch den Code bekommen, um auf das Online-Lernmaterial zugreifen zu können.

Florence geht in die neunte Klasse. Sie stöhnt: "Bei mir ist das jede Menge, was die Lehrer da täglich einstellen und was wir abarbeiten sollen. Ich drucke alles aus – meistens ist der Papierstapel einen Zentimeter dick. Das ist eigentlich viel zu viel – das können wir gar nicht schaffen. Vor allem deshalb, weil man sich die ganzen Sachen selbst erarbeiten muss und nicht wie im Unterricht direkt fragen kann."

Und auch das Material selbst ist mühsam zu durchforsten. Florence: "Dazu kommt: Die Online-Liste ist leider ziemlich unübersichtlich. Man muss sich echt durchklicken, ehe man die neuesten Sachen gefunden hat."

Bei Juliette – bei der es um die wichtige Abiturprüfung geht, ist es anders. Sie sagt: "Bei uns kommen wenig Arbeitsaufträge. Mein Mathelehrer hat schon ein Lernvideo eingestellt. Dort erklärt er auf einem Blatt, was er ausfüllt, wie man die Aufgabe lösen kann. Das ist ein bisschen wie Unterricht."

Juliette schaut rüber Richtung MGG. Sie sagt: "Es fühlt sich so an, als ob die Schule ganz weg ist. Ich habe gemerkt, dass ich Zuhause besser lerne als im Unterricht, weil ich produktiver bin. Allerdings fehlt im Moment ein bisschen die Motivation."

Warum das? Juliette: "Die Situation beängstigt einen schon. Im Moment frage ich mich, ob sich das alles lohnt und wohin das alles führt. Wenn regulär Schule wäre, würde ich im Moment mehr lernen."

Die ungewisse Zukunft. Juliette meint: "Eigentlich wollte ich nach dem Abi ein Jahr auf Reisen gehen. Im Juli mit Interrail starten. Doch das geht jetzt auch nicht so wirklich. Ich habe mir überlegt, Tourismus und Sprachen zu studieren. Jetzt weiß ich auch nicht so ganz, welche Zukunft das hat. Deshalb bin ich auch ein bisschen nervös – die Unsicherheit belastet mich sehr. Das ist richtig blöd für uns."

Auch die verschobene Abi-Prüfung beruhigt nicht unbedingt die Nervosität der Schüler. Juliette: "Erst wurde diskutiert, die Prüfungen abzusagen. Dann wurde das Durchschnittsabi diskutiert. Im Moment weiß man nicht, ob die verschobene Prüfung dann wirklich stattfindet. Das Problem ist: Schon beim jetzigen Termin ist klar, dass die mündlichen Prüfungen erst im Juli sein werden – da wollte ich schon per Interrail reisen. Ich persönlich würde das Durchschnitts-Abi bevorzugen – also eine Note aus dem Durchschnitt der bisher abgelegten Klausuren und Fächer ohne Prüfung. Aber manche Schüler wollen sich durch die Abiturprüfung noch verbessern."

Doch einige Lehrer reagieren schon. Sie spüren wohl die Unsicherheit unter den Schülern.

Juliette meint: "Jetzt am Montag hat es die erste Videokonferenz gegeben. Mit dem Lehrer und ein paar Schülern. Da ging es nicht um den Unterricht. Sondern darum, wie es jetzt weitergeht. Das hat gutgetan. Ich würde mir wünschen, dass die Lehrer mehr Videokonferenzen machen. Von Angesicht zu Angesicht zu sprechen, ist persönlicher und erhöhte die Nähe. Die Materialpakete schaffen Distanz."