Singapur setzt auf technische Überwachung: Frühzeitig wurden im Stadtstaat Passagiere bei ihrer Ankunft am Flughafen einem Temperatur-Scan unterzogen. Dennoch sind sehr viele Corona-Fälle mit den Rückkehrern "importiert" worden. Foto: Then Chih Wey

Rigoros oder entschlossen? Ein Horber berichtet, wie der autoritäre Inselstaat Singapur mit der Krise umgeht.

Horb a. N./Singapur - Tägliche Kontrollen via SMS, Anrufe oder gar Hausbesuche, um die Gesundheit der Bevölkerung zu sichern – was für hiesige Gewohnheiten wie ein Überwachungsstaat klingt, ist in Singapur derzeit an der Tagesordnung. Um die Ausbreitung des Coronavirus stark einzudämmen, greift die Regierung zu einschneidenden Maßnahmen gegenüber seinen 5,6 Millionen Einwohnern. Ein 30-Jähriger aus Horb spricht über seine Erfahrungen in seiner Wahlheimat.

Nur zwei Tage bevor die Regierung im Einparteienstaat Singapur erklärt, dass ab sofort die Grenzen des Landes für Ausländer, auch mit Aufenthaltsgenehmigung, dichtgemacht werden, kommt er zurück von einer Reise in die Heimat. Bereits auf dem Weg nach Asien ist klar: Er wird 14 Tage lang seine Wohnung nicht verlassen dürfen - egal ob er Symptome einer Erkrankung zeigt oder nicht.

Aufenthaltsort muss dem Arbeitsministerium angezeigt werden

Jetzt bekommt der 30-Jährige jeden Tag mehrere SMS mit einem Link, um dem Arbeitsministerium Singapurs zu zeigen, wo er sich befindet. "Ich habe auch schon einen Whatsapp-Anruf bekommen, bei dem mich eine Mitarbeiterin des Gesundheitsministeriums gebeten hat, den Videochat anzumachen, meine ID-Card neben mein Gesicht zu halten und mit der Kamera kurz einmal durch das Zimmer, in dem ich mich befinde, zu schwenken." Natürlich sei das ein Eingriff in die Privatsphäre, aber der Erfolg der Maßnahmen sei an den Fall-Zahlen in Singapur ersichtlich: "Hier haben sie das deutlich besser im Griff, als die meisten anderen Länder der Welt", meint der Horber. Insgesamt gab es bislang 683 bestätigte Corona-Fälle in Singapur, darunter zwei Todesfälle. Sehr viele Fälle seien "importiert" worden, denn bei rund 80 Prozent der Corona-Infizierten handele es sich um Rückkehrer – derzeit vor allem aus den USA und Großbritannien. Bei diesen Rückkehrern greift auch nicht die normale "Stay Home Notice", sondern es geht direkt in ein Hotel, das vom Staat festgelegt wird, um dort die zwei Wochen in Isolation zu verbringen. Der 30-Jährige durfte als Rückkehrer von Deutschland noch in seine eigene Wohnung in Singapur. Aber jetzt heißt es: zwei Wochen die Wohnung nicht verlassen, nicht einmal für Einkäufe.

Dazu kommen weitere Weisungen: Wie das Gesundheitsministerium schreibt, soll man darüber Buch führen, mit wem man im engen Kontakt war. Außerdem muss man innerhalb einer Stunde auf die Kontaktaufnahme der Regierung antworten. Des Weiteren gelten in Singapur ähnliche Maßnahmen wie hier: Man soll sich nicht ins Gesicht fassen, in die Armbeuge niesen und husten, die Wohnung sauber halten und regelmäßig lüften. "Halte ich mich nicht strikt an all das, dann entziehen sie mir mein Arbeitsvisum, und ich werde des Landes verwiesen."

Diejenigen, die nicht wie er unter Quarantäne stehen, müssen in der Öffentlichkeit einen Meter Abstand zu allen anderen Personen halten – ansonsten drohen bis zu 7000 Euro Strafe und/oder sechs Monate im Gefängnis. "Hier findet das Leben trotzdem noch statt. Kneipen und Bars haben zwar seit Kurzem geschlossen. Aber Restaurants, Schulen und Unis sind noch geöffnet, da sich das Virus lokal nur wenig ausbreitet", berichtet er. Alle, die positiv auf Covid-19 getestet werden, kommen direkt in ein Krankenhaus und werden dort isoliert. Es gibt für solche Fälle keine häusliche Quarantäne wie in Deutschland.

App zeigt an, welche anderen Geräte sich in der Nähe befinden

Es gebe auch eine Smartphone-App in Singapur, die man freiwillig herunterladen kann, über die via Bluetooth festgestellt wird, welche anderen Geräte sich in der Umgebung befinden. Über die Stärke der Signale könne dann analysiert werden, wie weit diese anderen Geräte entfernt sind. So kann ein Netzwerk aufgebaut werden, anhand dessen nachvollzogen werden kann, mit wem man Kontakt hatte. Stellt sich dann heraus, man ist mit dem Coronavirus infiziert, wird den Personen des Netzwerks mitgeteilt, dass sie Kontakt mit einem Infizierten hatten. Durch diese massive Kontrolle könne die weitere Verbreitung eingedämmt werden. Die App wurde innerhalb von 24 Stunden 500.000-mal installiert, das heißt: Rund jeder zehnte Einwohner Singapurs hat den Download vollzogen.

"Die Kommunikation von Regierung zu Einwohnern läuft hier bedeutend besser, als anderswo. Über Whatsapp kann man täglich die neuesten Infos und Verhaltensempfehlungen erhalten. Falsch-Informationen, die im Umlauf sind, werden offengelegt", sagt der Horber. Für ihn sind die aktuellen Umstände kein Problem: "Die Quarantäne ist zwar eine einschneidende Maßnahme, die Kontrolle meiner Meinung nach aber eher nicht. Ohne die Überprüfung würden sich viele erst gar nicht an die Vorschriften halten." Und diesen Preis sei er bereit zu zahlen, um das Allgemeinwohl zu sichern und die rapide Ausbreitung des Coronavirus so gut wie möglich einzudämmen.