Horb - Für viele ältere Menschen in Horb und Umgebung geht mit der Corona-Gefahr eine weitere Drohung einher: die Einsamkeit. Schon vor der Krise war sie für viele ein ständiger Begleiter – doch es gab viele Chancen, ihr zu entkommen. Jetzt ist das kaum mehr möglich.

Das Horber Alltagsleben vor der Krise: Aktive Rentner gehen ins Neckarbad, treffen sich zu Spaziergängen oder in Cafés. Kirchgänge und Besuche bei Bekannten zum "Sonntagskaffee" stehen ebenso auf dem Plan wie Teilnahme an Gymnastik, Termine beim Friseur oder der Fußpflegerin.

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Niemand muss auf Dauer einsam sein. Dafür sorgen viele ehrenamtliche Helfer, Vereine, Kirchengemeinden und Selbsthilfegruppen. Jahr für Jahr schnüren sie für die älteren Menschen ein Paket mit offenen Treffen, Ausflügen und Kursen.

Allein heißt nicht einsam

Jetzt bricht alles weg. Die Seniorentreffs und -Stammtische, zum Beispiel bei der Awo und dem VdK in Horb, sind wie so vieles andere Liebgewonnene abgesagt.

"Die Leute zeigen sich betroffen", berichtet Manfred Fath, Vorsitzender des VdK-Ortsverbands Horb. "Schade ist, dass der Stammtisch ausfällt." Aber auch alle anderen Aktivitäten sowie die Ausflüge seien abgesagt worden. "Wir können absolut nichts gemeinsam veranstalten, denn alle unserer Mitglieder wären Risikopatienten." Den über 400 Mitgliedern des Ortsverband Horb rät Fath, sich an die offiziellen Anordnungen und Empfehlungen zu halten – und selbst Hilfe anzubieten. "Wir haben zum Beispiel für unsere Nachbarn eingekauft."

Praktische Hilfe bietet auch die Stadt Horb, die unter der Nummer 07451/901305 ein Seniorentelefon eingerichtet hat.

Auch die evangelische Kirchengemeinde Mühlen hat ein Hilfsangebot angekündigt. Pfarrer Unz berichtete in einer Mitteilung, dass es jetzt wichtig sei, auf ältere und kranke Menschen zuzugehen und sie über die Dramatik der Situation aufzuklären. Denn manche Senioren könnten sich nicht ausreichend informieren oder würden ihre eigenen Kräfte überschätzen. Deswegen habe er einen Rundbrief verschickt, damit Menschen sensibilisiert werden. Er habe auch viele Menschen persönlich angerufen.

Auch beim Stadtseniorenrat Horb läuten die Alarmglocken. Im diesem Gremium arbeiten Vertreter von Organisationen, Einrichtungen und Vereinigungen sowie interessierte Personen, die in der Seniorenarbeit in Horb tätig sind. Der Stadtseniorenrat berät und fördert die Mitglieder des Stadtseniorenforums, informiert Ältere über sie betreffende Angelegenheiten und vermittelt Hilfesuchende an die zuständigen Einrichtungen.

Hilfen für ältere Menschen

Vorsitzender ist Joachim Milles. Die Corona-Krise beschäftige den Stadtseniorenrat gerade sehr intensiv. Es gehe besonders darum, den älteren Menschen auch als Risikogruppe zu helfen. "Unsere Ratsmitglieder sind in jeweiligen privaten Organisationen und verschiedenen Ortschaften engagiert, ich selbst habe mich der Kolpingfamilie Horb angeschlossen, die über das Pfarramt Hilfsangebote vermittelt. Dazu erhalten die Senioren der Kirchengemeinde in diesen Tagen ein Schreiben der Gemeindeleitung. Wir haben auch derzeit keine Stadtseniorenratssitzung, wir sind über WhatsApp miteinander verbunden, da kommen uns die modernen Medien doch zu Hilfe." Und ein Projekt in Zusammenarbeit mit Jugendlichen zahlt sich bereits aus. Milles berichtet: "Wie wenn wir es geahnt hätten, hatten wir in Zusammenarbeit mit dem Jugendgemeinderat die erfolgreiche Schulung der Senioren im Umgang mit modernen Medien im letzten halben Jahr angeboten. Das soll auch im Herbst weiterverfolgt werden."

Auch die ersten beiden Tage der beliebten Horber Seniorentage mussten abgesagt werden. "Wie’s im Juni aussieht, vermögen wir noch nicht abzuschätzen", so Milles, "aber bei Maria Hellstern , der Tagespatin, hab ich schon mal vorgefühlt, ob wir den Tag dann eventuell im Sommer nachholen könnten, wir würden sehr gerne nach Überlingen zu OB Zeitler und der Landesgartenschau fahren, zudem ist die Reise schon lange ausgebucht und es gibt Wartelisten."

Der Stadtseniorenrat bekommt auch viel Information vom Landesseniorenrat, die Milles an seine Ratsmitglieder weiterleitet. "Unerlässlich ist in diesen Zeiten das Internet oder Handy, aber man schreibt auch gerne mal wieder einen Brief. Ich selbst bin mit meinen Brüdern mehrmals täglich über FaceTime in Kontakt, schon eine feine Sache."

Schmerzhaft sei für viele Senioren vor allem in den Pflegeheimen das Besuchsverbot, was aber sehr zur Risikominimierung beitrage. Milles selbst sei mit seinen Betreuungsgruppen der Sozialstation Horb betroffen. Dort ist er ehrenamtlich tätig. "Wir haben uns so sehr auf das bevorstehende Osterfest gefreut. Leider wurden diese Tagespflegeeinrichtungen auch geschlossen. Aber wir holen alles nach. Das war der Wunsch der Gäste, und so singen wir halt im Mai dann voller Freude: Christus ist erstanden! Zu Ostern bekommen sie jedenfalls einen kleinen Ostergruß, so ganz darf das nicht unter den Tisch fallen."

Tipps gegen das Einsamkeitsgefühl

Telefonieren

Telefonieren kann zwar den persönlichen Kontakt nicht ersetzen, hilft aber.

Kontakte auffrischen

Jeder hat in seinem Telefonbuch Nummern, die er schon lange nicht mehr angerufen hat. Nur Mut: Meistens freut sich der oder die Angerufene, auch wenn der letzte Kontakt lange zurückliegt.

Allein heißt nicht einsam

Nicht jeder, der allein ist, fühlt sich automatisch einsam, denn auch in Gruppen können sich Einzelne einsam fühlen. Manche erleben die Zeit des Rückzugs sogar positiv und "entschleunigen" sich mit einem Buch oder bei einem Film.

Gemeinsam einsam

Die Isolation zuhause bietet auch die Möglichkeit, mittels Telefon mit anderen Betroffenen zu sprechen, denen es ähnlich geht. Denn viele machen jetzt die gleichen Erfahrungen, und oft gibt es darüber einiges zu berichten.

Tagesablauf planen

Auf dem Sofa liegen und "Trübsal blasen" hilft nicht. Ein strukturierter Tagesablauf beugt trüber Stimmung vor.

Sport und Gymnastik

Es gibt einige Sport- und Gymnastikarten, die man zu Hause machen kann. Aber Vorsicht: Auch wenn die Bewegungen auf Videos oder in Büchern einfach aussehen, sollten Menschen, die es nicht gewohnt sind, die einfachen Übungen machen, sich erkundigen und bei Schmerzen aufhören.

Schönes ansehen

Die Angst vor dem Coronavirus dämpft die Stimmung und weckt Ängste. In der Frühlingszeit hilft es, sich die Naturschönheiten bewusst zu machen, den Sonnenschein zu genießen und zu lachen.

Bilder aufstellen

Das eigene Leben, Verwandte und Freunde können einem als Kraftquelle dienen – auch wenn sie nicht da sind. So kann es helfen, die Bilder der Familienmitglieder aufzustellen. Sie sind dann gewissermaßen immer präsent.

Offline-Homeshopping

"Homeshopping" heißt zu Hause einkaufen – auch mal ohne Online-Bestellungen. Überraschungen und manche neu zu entdeckenden Schätze liegen in Kleiderschränken, Bücher- oder Plattenregalen. Gut möglich, dass etwas auftaucht, was früher mal das Lieblingsbuch oder die Lieblingsmusik war.