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26-Jähriger Asylbewerber muss sich vor Gericht verantworten. Vermuteter Drogenhandel lässt sich nicht nachweisen.

Horb -Weil er mit Cannabis gehandelt haben soll, musste sich ein 26-jähriger Asylbewerber gestern vor dem Amtsgericht verantworten.

Wenn Staatsanwalt Achim Ruetz mit dem Rottweiler Juristen-Nachwuchs nach Horb reist, dann steht in der Regel ein relativ langer Prozesstag an. Grund dafür ist, dass jeder der Referendare mindestens einmal die Anklage vertreten darf. Neun Termine waren es am gestrigen Verhandlungstag. Den Anfang machte man mit einem heute 26-jährigen Syrer, der in einer Asylantenunterkunft im Kreis einen Rauschgifthandel aufgezogen haben soll. Ein Vorwurf, der jedoch im Laufe der Beweisaufnahme nicht erhärtet werden konnte.

Fest stand dagegen, dass der junge Mann, der Anfang 2016 aus seinem Heimatland, wo er als Maler und Stuckateur gearbeitet hat, über die Türkei nach Griechenland floh und von dort auf der Balkanroute in Deutschland landete, 28,2 Gramm Cannabis in seinem Sofa versteckte hatte, das ein Drogenspürhund bei einer Hausdurchsuchung am 16. Juni 2017 fand.

"Seit Sie hier sind, ziehen sie alle paar Tage in eine andere Unterkunft – ich hatte echt Probleme, Sie zu finden", stellte Amtsgerichtsdirektor Albrecht Trick fest. Fündig wurde Trick dann doch noch – in der JVA Tübingen. Dort sitzt der Angeklagte seit 19. Januar in Untersuchungshaft und seit Anfang März in Vollstreckungshaft, da er die Geldstrafen aus zwei Verfahren nicht bezahlt hat.

Mit Handschellen saß er deshalb im Horber Gerichtssaal, begleitet von zwei Beamten, die ihn gebracht hatten und ihn später auch wieder mit zurück nach Tübingen nahmen. Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, 28,2 Gramm Hasch bei sich in der Unterkunft gehabt zu haben. Dies mit dem Ziel, so der Staatsanwalt, das Rauschgift gewinnbringend zu veräußern, um so sein geringes Einkommen etwas aufzubessern. Dies bestritt der Beschuldigte wortreich. Ja, er habe Cannabis besessen, doch nur für den eigenen Gebrauch. "Ich handle nicht, ich rauche das Zeug", ließ er von seinem Dolmetscher ausrichten. Gekauft habe er 30 Gramm Hasch in relativ schlechter Qualität bei zwei Zwischenhändlern in Reutlingen und Stuttgart und will dafür insgesamt 125 Euro bezahlt haben. "Das wäre ja ein sensationeller Preis", mischte sich Staatsanwalt Ruetz ein, der sagte, dass der Straßenverkaufspreis derzeit bei etwa 10 Euro pro Gramm liege.

Aufgefallen sei der Asylsuchende deshalb, weil er als einzige Hausbewohner immer mal wieder Besuch bekam und es aus seinem Zimmer manchmal "komisch" roch. Ein ehemaliger Mitbewohner des Beschuldigten zeigte im Zeugenstand solche Erinnerungslücken, dass ihn die Staatsanwaltschaft recht harsch auf seine Zeugenpflichten hinweisen musste, doch der 42-Jährige faselte immer wieder etwas von Deutschunterricht und dass er umziehen musste. Da halfen auch die Dienste des Dolmetschers nichts, und zeitweise prallten im Gerichtssaal zwei Welten aufeinander. Auf der einen Seite die nüchterne Welt der Juristen, auf der anderen Seite die wortreichen Erklärungen des Angeklagten. Trick musste ein ums andere Mal energisch werden, damit die Monologe und Zwischenkommentare nicht überhandnahmen. "Ich stelle hier die Fragen, und sie antworten. Vorzugsweise wahrheitsgemäß", sagte er zum Zeugen, und zum Angeklagten, der dauernd meinte, sich rechtfertigen zu müssen: "Ich erteile Ihnen das Wort – und erst dann sprechen sie." Die Richtung war klar, doch die Beweisaufnahme eigentlich ohne großen Nutzen. Zeuge eins war beim Deutschunterricht, Zeuge zwei, der damalige Heimbetreuer, erzählte von ständigem Ärger unter den Heimbewohnern, weil keiner den Putzdienst machen wollte, und die Polizeibeamtin erzählte das, was man sowieso schon wusste.

Letztendlich wollte die Staatsanwaltschaft den Strafbefehl in seiner ursprünglichen Form (90 Tagessätzen zu je 10 Euro) beibehalten, doch der Vorsitzende hatte ein Einsehen mit der Lebenssituation des Beschuldigten und verurteilte ihn zu 90 Tagessätzen zu je zwei Euro Geldstrafe. Er erklärte ihm auch den Grund für diese Bestrafung. "Egal, ob Sie das Rauschgift, verkaufen, besitzen, aufbewahren oder gar verschenken – Sie dürfen kein Rauschgift haben, weil Ihnen dafür die Erlaubnis fehlt."

Das Urteil wurde von beiden Seiten noch im Gerichtssaal durch Rechtsmittelverzicht angenommen und ist dadurch sofort gültig.