Philipp Rochold will von der Stadt aufs Land und in Horb Bürgermeister werden. Foto: Hopp

Philipp Rochold will mit Erfahrung punkten. Derzeit Sozialbürgermeister in Chemnitz.

Horb/Chemnitz - Da steht er: braune Wachsjacke, weiß-blaues Hemd: Philipp Rochold (55, parteilos). Er ist der älteste Kandidat für die Bürgermeisterwahl am kommenden Dienstag.

Rochold ist derzeit Sozialbürgermeister in Chemnitz. Seine Worte, seine Ausstrahlung – sie sagen: "Ich habe viel Erfahrung. Ich weiß, wie man schwierige Situationen durchsteht und managt. Trotz Gegenwind halte ich Kurs." Ein sehr selbstbewusster Kandidat, der ausstrahlt, dass er sein Handwerk offensichtlich beherrscht. Und auch die selbstbewusste Lockerheit eines Mannes mitbringt, der mit 55 Jahren Erfolg hat, der auch unter seinen selbstkritischen Augen Bestand hat.

Rochold: "Ich habe die Ausschreibung für die Stelle des ersten Beigeordneten von Horb zufällig im Staatsanzeiger Baden-Württemberg gelesen. Weil ich meine Frau beim Akkordeonorchester in Konstanz kennengelernt habe, habe ich mir gedacht: ›Naja, das könnte was sein.‹ Denn ich werde immer wieder gefragt, ob ich Bürgermeister in anderen deutschen Großstädten werden will. Aber mir reicht es eigentlich mit Seilschaften und der Politisierung der Gemeinderatsarbeit, weil man sich damit vom Bürger weit entfernt. In Horb sind die Menschen bodenständig. Große Seilschaften, da habe ich mich bei Kollegen im Ländle schlau gemacht, gibt es hier auch nicht."

Warum dieser Schwenk? Warum sehnt sich Rochold zurück nach kleinen Strukturen? Fakt ist: Obwohl Rochold Bürgermeister von Chemnitz ist, wohnt er privat auf dem Land – im Landkreis Mittelsachsen, Partnerlandkreis von Calw. Rochold: "Ich brauche die Großstadt nicht."

Rochold bezeichnet sich selbst als "alten Kämpfer". Klar, denn er gehört zu den "Wessis", die damals nach dem Mauerfall in den Osten gingen, um dort die Verwaltung neu aufzubauen. Der geborene Leverkusener studierte Jura in Freiburg und war 1991 immer wieder als Referendar für das Regierungspräsidium (RP) Chemnitz zuständig. "Ich habe dort gemeinsam mit der Tübinger Gilde angefangen, das Regierungspräsidium aufzubauen. Nach dem zweiten Staatsexamen hatte ich das Angebot, zur IHK in Bonn zu gehen. Aber ich habe mich für Chemnitz entschieden."

Verwaltungsaufbau in Sachsen. Das Regierungspräsidium Tübingen war damals der Ausbildungspartner des RP Chemnitz.

Und für Rochold hieß das: "Gefühlt 125.000 Verwaltungsreformen. Einige nach dem Prinzip: Führen bei Helicoptering. Also: Von oben alles auf- und durcheinanderwirbeln. Und unten geht gar nichts, weil jeder einzelne erst mal suchen muss, wo er steht."

Die letzte war dann 2008 – die Auflösung der Regierungspräsidien hin zu Landesdirektionen. Rochold: "Damals war ich Vize-Präsident und Leiter des Regierungspräsidiums." In seiner Verwaltungskarriere war Rochold auch in der Kommunalaufsicht. "Seitdem kenne ich jeden Bürgermeister. Die sagen bestimmt: Der Rochold ist ein harter Hund."

Regierungspräsidium, Innenministerium, Landesdirektion – Rochold hat in seiner Karriere viele kennengelernt: "Ministeriale" wie seinen Gegenkandidaten Ralph Zimmermann (FDP). Rochold: "Die sind oft sehr abgehoben und theoretisch." Zu Zimmermann selbst sagt er: "Der hat ein Problem. Er hat sich für den Bundestag aufstellen lassen. Wenn der reingewählt wird, dann müsste er wohl in Horb aufhören."

Auch was die Unternehmensberatung angeht weiß der 55-Jährige Bescheid. "KPMG und Price Waterhouse – ich kenne auch deren Truppen. Die waren damals bei uns und wollte Public Private Partnership-Modelle verkaufen. Weil die keine Ahnung von Kommunalrecht hatten, haben wir die auch beraten."

2011 kam dann der Ruf aus Chemnitz. "Ich bin geholt worden. Im Mai habe ich mich beworben, im Juli war die Wahl. Für sieben Jahre bin ich dort Bürgermeister."

Mit der Kommunalwahl 2014 kam dann die Politik ins Spiel, wie Rochold erzählt: "Seitdem haben sich Rot-Rot-Grün zusammengetan. 2015 wurden Bürgermeisterposten frei. Da war ich als Parteiloser im Weg. Weil man politisch nicht genug Posten besetzen konnte. Man wollte mir dann das Leben schwermachen. Doch inzwischen gibt es sogar einige Linke, die sagen: ›Der Rochold ist ein guter Mann.‹ Obwohl sie mir am Anfang gesagt haben: ›Sozialpolitik ist linke Kernkompetenz.‹ Derzeit bin ich der einzige ›Wessie‹ in der Bürgermeisterriege von Chemnitz."

Rochold – auf dem Absprung nach Horb? Er sagt: "Wissen Sie, ich kann auch eine Anwaltspraxis aufmachen. Ich denke, ich habe bewiesen, dass ich es kann, auch unter schwierigen Bedingungen als Bürgermeister effektiv zu sein und Kurs zu halten."

Wie sieht er seine Chancen? Rochold: "Das hängt davon ab, inwieweit die Bürgermeisterwahl mit der Oberbürgermeisterwahl in Horb verknüpft sein wird." Eine Andeutung, dass es möglicherweise eine Absprache hinter den Kulissen geben könnte, der einen Burgfrieden zwischen den größten Fraktionen FD/FW und CDU bedeuten würde: Zimmermann (FDP) wird Bürgermeister, dafür verzichtet die FD/FW auf einen Gegenkandidaten für OB Peter Rosenberger (CDU).

Wo sieht er – im Vergleich zu den anderen Kandidaten – seine Stärken? Rochold: "Ich denke, ich stehe für eine Persönlichkeit, der man aufgrund seiner Lebens- und Verwaltungserfahrung kein X für ein U vormachen kann."

Wie sieht er die Zusammenarbeit mit OB Rosenberger? Rochold: "Er ist ein Macher. Im Gegensatz zur Großstadt Chemnitz hat er mit dem Masterplan 2050 einen Prozess in Gang gesetzt, der sehr weitsichtig ist und die Zukunft der Kommune langfristig steuert. Das wird nicht einfach werden. Im Gespräch mit ihm hatte ich das Gefühl, dass wir gut zusammenarbeiten können. Weil ich ihn mit meiner Erfahrung unterstützen kann."

Kann er sich vorstellen, sich auch ehrenamtlich in Horb einzubringen? Rochold: "Ich habe mich mit Vereinen eher zurückgehalten. Da halte ich es eher wie die Hanseaten: Weil ich viel gefördert habe, wollte ich den Eindruck der Befangenheit strikt vermeiden. Und diese Haltung hat sich in meinem Lebensweg bisher bewährt. Zuletzt hat es in Chemnitz Riesen-Probleme mit Korruption gegeben. Gut, wenn man da wirklich unabhängig ist."

Laster?

Philipp Rochold streicht sich über seinen Bauch: "Gutes Essen. Ich bin ein Gemütsmensch."

Entspannung?

"Fahrradfahren und die Jagd. Dabei ist immer etwas zu beobachten in der Natur – da passiert immer irgendwas."

Hobby?

Rochold: "Ich repariere meine Autos selbst. Ein Youngtimer von mir wird demnächst Oldtimer."

Musik?

Rochold: "In meiner Kindheit und Jugend war ich im Bayer-Orchester Leverkusen und habe dort viele internationale Wettbewerbe mitgemacht. Meine Frau habe ich beim Akkordeonorchester in Konstanz kennengelernt. Leider hatte ich das Instrument 30 Jahre lang nicht mehr in der Hand. Meine Frau hat gesagt: ›Wenn du in Horb Bürgermeister wirst, dann spielen wir wieder gemeinsam im dortigen Orchester.‹"