Die Anwohner der Panoramastraße wehren sich gegen angeblich zu hohe Erschließungsbeiträge.Foto: Schülke Foto: Schwarzwälder Bote

Infrastruktur: Streit um Erschließungskosten / Bürgermeister Zimmermann: "80 Jahre hat man den Zinsvorteil genossen!"

Ein ganz bisschen gibt das Rathaus im Streit um die Panoramastraße nach: Es wird eine Härtefallregelung geben. Bürgermeister Ralph Zimmermann sagt aber: "Der Ausbau der Straße wird aber erfolgen wie geplant!"

Horb. Nach den "Ausrastern", von denen Teilnehmer der nichtöffentlichen Anwohnerversammlung in der Hohenberghalle berichteten, bemühte sich Bürgermeister Zimmermann diesmal, sachlich zu bleiben.

Trotzdem gab es wieder ein paar Aussagen, welche die Anwohner der Panoramastraße provozieren dürften. Aber auch Hoffnungspunkte.

Zum Kampf der Anwohner gegen die ihrer Meinung nach extrem hohen Erschließungskosten sagte Zimmermann: "80 Jahre lang hat man den Zinsvorteil genossen. Ist es gerecht, wenn ein Mieter im 14. Stock auf dem Hohenberg anteilig für die Anwohner in der Panoramastraße, die sicherlich ein ganz anderes Wohngefühl genießen, zahlen soll?"

Zimmermann weiter: "Spätestens seit 1989 dürfte den Anwohnern bewusst sein, dass der Ausbau der Panoramastraße beitragspflichtig ist. Da hätte man privat vorsorgen können!"

Fakt ist aber auch, so bestätigt Bürgermeister Zimmermann: Der Gemeinderat kann einen höheren Eigenanteil der Stadt an den Erschließungskosten beschließen.

Das fordern die Sprecher der inzwischen 80 Mitglieder umfassenden Interessensgemeinschaft Panoramastraße, die gegen die zu hohen Erschließungsgebühren kämpft.

Bürgermeister Zimmermann sagt aber auch: "Das wäre eine Ungleichbehandlung!" Bisher hätte man in den letzten zwölf Jahren neun Straßen mit Beitragspflicht für die Anwohner ausgebaut. Es gibt noch eine Liste von 17 Straßen, die ausgebaut und saniert werden müssen auf Kosten der Anwohner.

Zimmermann: "Laut den gesetzlichen Rahmenbedingungen liegt der Eigenanteil der Stadt bei fünf Prozent. Bisher haben wir bei allen solchen Straßen als Rathaus noch fünf Prozent ›Rabatt‹ draufgelegt. Es wäre eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Bürgern, wenn die Panoramastraße mehr ›Rabatt‹ bekommen würde! Es stellt sich die Frage, ob man diese Sonderbehandlung dann auch für andere Straßen machen sollte."

Bei ihrer Städtebaurundreise in Rottenburg (wir berichteten) hatte Landesbauministerin Nicole Hoffmann-Kraut (CDU) gesagt: "Wir fordern die Kommunen auf, ihre Mittel für die Städtebausanierung zu erhöhen."

Frank Fahrner, Sprecher der IG Panoramastraße, hatte bemängelt, dass Bürgermeister Zimmermann während der Sitzung nicht einmal über die geforderte Härtefall-Regelung gesprochen hat.

Jetzt sagt Zimmermann: "Sollte es zu Härten durch die Erschließungsbeiträge kommen, gibt es – wie üblich bei uns – Härtefallregelungen. Dazu gehören verschiedene Angebote von Stundungen. In sofern sehen wir es als ausgeschlossen an, dass es zu Veräußerungszwängen kommen wird."

Will das Rathaus die Panoramastraße noch mit "privatrechtlichen Vereinbarungen" (Zimmermann) abkassieren, ehe die Gesetzesänderung in Kraft treten könnte, die eine Erhebung von Erschließungsgebühren nach 20 Jahren verbietet?

Bürgermeister Zimmermann: "Wenn sich das wirklich aus der Gesetzesänderung des kommunalen Abgabegesetzes ergeben würde, werden wir Anwohner, welche die Ablösevereinbarung unterzeichnen, natürlich nicht benachteiligen. Wir sind als Stadt verpflichtet, das geltende Recht anzuwenden."

Klartext: Verbietet die Gesetzesänderung die Belastung der Anwohner, müssen sie auch nicht zahlen oder bekommen ihr Geld zurück.

Was ist mit den historischen Fakten, die die IG Panoramastraße präsentiert hatte? Sie belegen nach Meinung der Anwohner, dass die Panoramastraße schon planmäßig gebaut und erstellt wurde.

Thomas Hellener, Fachbereichsleiter Technische Betriebe: "Wir haben einen Baulinienplan von 1928. Der dort gezeigte Straßenverlauf entspricht nicht dem jetzigen. In den 20er-Jahren wurden solche Straßen nicht ingenieurmäßig geplant. Ein klares Indiz dafür, dass die Straße damals nicht planmäßig ausgebaut wurde. Heute sieht man, dass der Straßenkörper teilweise deutlich verformt ist. Auch das spricht dafür, dass die Straße nicht planmäßig ausgebaut wurde."

Ist das der Plan, den auch die IG Panoramastraße vorgelegt hatte? Der Schwarzwälder Bote hatte ihm den Plan- Ausschnitt aus dem Papier der Anwohner geschickt.

Hellener: "Der uns vorliegende Plan wurde vom Oberamtgeometer gefertigt am 24. November 1928. Insofern ist davon auszugehen, dass es derselbe Plan ist."

Die IG Panoramastraße hatte recherchiert, dass es insgesamt zehn Gemeinderatsbeschlüsse zu Bauänderungen in der Panoramastraße gegeben hat. Diesen Beschlüssen müssten Planungen zu Grunde liegen. Das Rathaus habe diese aber nicht.

Dazu sagt Bürgermeister Zimmermann: "Wir haben Dokumente gefunden. Aber keine Pläne. Wir sind der Überzeugung, dass die Panoramastraße kein zufällig entstandener planmäßiger Ausbau ist. Wir werden aber recherchieren, ob sich Anhaltspunkte für einen planmäßigen Ausbau finden lassen. Das wird in die weiteren Überlegungen mit einfließen."

Die Anwohner versuchten während der Versammlung, die Baukosten durch die Vermeidung der "teuren Stützmauern" und damit ihren Anteil zu drücken. Thomas Hellener, Fachbereichsleiter Technische Betriebe: "Die Stützmauern sind in den bisherigen Kalkulationen mit 295 000 Euro angesetzt."

Bürgermeister Zimmermann: "Auch wenn man Stellen enger macht als bisher geplant, wird man Stützmauern brauchen. Die sind dann vielleicht nicht so hoch – aber ohne droht die Straße hangabwärts abzurutschen. Das können wir aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht nicht akzeptieren!"

Deshalb wurde auch auf der Anwohnerversammlung diskutiert, ob man überhaupt einen abgesetzten Bürgersteig braucht. Thomas Hellener: "Das würde eine Bordsteinkante sparen. Das wäre ein Betrag zwischen 50 000 und 60 000 Euro." Die Anwohner hatten vorgeschlagen, Straße und Gehsteig ebenerdig zu machen und den Fußgängerbereich mit Stahlpfosten wie jetzt vor Autos zu sichern. Bürgermeister Zimmermann: "Die Stahlpfosten wären sicherlich teurer als der abgesetzte Gehweg!"

Die Anwohner sollen viel Geld zahlen – ab 48 Euro pro Quadratmeter Grundstücksfläche. Wird dann wenigstens der Durchgangsverkehr reduziert? Wird dann nicht mehr gerast?

Thomas Staubitzer, Fachbereichsleiter Recht und Ordnung: "Wir haben Verkehrszählungen dort Anfang des Jahres gemacht – noch vor Corona. Meines Erachtens nach ist die Behauptung, dass 90 Prozent der Autos auf der Panoramastraße Durchgangsverkehr ist, irreführend. Das gibt unsere Verkehrszählung nicht her. Wir haben täglich durchschnittlich 1000 Autos auf der Panoramastraße gezählt. Wir haben recherchiert. Es gibt dort 100 angemeldete Autos der Anwohner. Wenn jeder von denen das Auto nur einmal am Tag hin und her bewegt, dann ergibt sich ein Anteil von 80 Prozent an Fremdverkehr."

Wird eine Verkehrsberuhigung jetzt geprüft?

Thomas Hellener: "Die Straße ist jetzt durch die versetzt vorgesehenen Stellplätze und den Bürgersteig mit vierzig Millimeter Höhe so geplant, dass man als Autofahrer nicht wie jetzt durchrasen kann. Durch das eingeschränkte Sichtfeld sind nur 30 km/h oder weniger möglich."

Baurechtsamtsleiter Staubitzer: "Wir haben das Begehren der Anwohner angenommen und prüfen zwei Dinge: Kann man die Panoramastraße zur reinen Anliegerstraße machen? Gibt es die Möglichkeit, für einen Teil der ausgebauten Strecke eine verkehrsberuhigte Zone einzurichten? Dort wären Fußgänger und Autofahrer gleichberechtigt, nur 7 km/h erlaubt."

Wie sind die Chancen?

Staubitzer: "Wir prüfen im Rahmen der Anliegerstraße auch, in wieweit sich der Durchgangsverkehr auf andere Strecken verteilen würde. Andere können wir damit nicht über Gebühr belasten. Dazu wird geprüft, ob man auch mit ›Hubbeln‹ in der Straße das mögliche Tempo der Autos begrenzen kann."

Und was ist mit einer verkehrsberuhigten Zone?

Staubitzer: "Eine verkehrsberuhigte Zone bedingt eine erhöhte Aufenthaltsqualität, damit Kinder auch auf der Straße spielen können. Auf der gesamten Strecke der Panoramastraße sehe ich die Voraussetzungen dafür kritisch."

Erste Tendenzen, ob und wie eine Anliegerstraße oder verkehrsberuhigte Zone gehen würde, versucht Staubitzer am Dienstag auf der nichtöffentlichen Sitzung des VTA abzugeben, wie er im Pressegespräch sagt.